Année politique Suisse 1989 : Economie / Politique économique générale
 
Konjunkturlage
print
Weltwirtschaft
In den OECD-Staaten hielt die gute Wirtschaftslage auch 1989 an. Das reale Bruttosozialprodukt nahm gemäss ersten Schätzungen um 3,6% zu (1988: 4,4%). Dass die Steigerung des Vorjahres nicht ganz erreicht werden konnte, lag vor allem am gebremsten Wachstum in den USA und in Grossbritannien. Besonders dynamisch entwickelten sich die Investitionen; in vielen Ländern erreichte die Investitionsquote das höchste Niveau seit den frühen siebziger Jahren. Die gute Konjunkturlage wirkte sich positiv auf die Beschäftigung aus und führte in fast allen OECD-Ländern zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote. Die rege Entwicklung der Nachfrage bei gut ausgelasteten Kapazitäten hatte allerdings auch eine Beschleunigung der Teuerung zur Folge. Die Inflationsrate stieg im Durchschnitt der OECD-Länder auf 6,0% (1988: 4,8%).
Der radikale politische Umbruch in den meisten osteuropäischen Ländern zeigte wirtschaftlich noch keine grösseren Auswirkungen. Zwar planen verschiedene dieser Länder den Ubergang zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit konvertibler Währung, spürbare Impulse auf den Welthandel gingen von dieser Entwicklung aber noch keine aus. Die Volkswirtschaften der neuen Industriestaaten Südostasiens (Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan) expandierten zwar weiterhin kräftig, aber nicht mehr im Ausmass früherer Jahre. In den von grossen Auslandsschulden und horrenden Inflationsraten belasteten lateinamerikanischen Entwicklungsländern wuchs die Wirtschaft nur wenig und vermochte mit der Bevölkerungszunahme nicht Schritt zu halten. In den afrikanischen Entwicklungsländern südlich der Sahara setzte sich der wirtschaftliche Niedergang fort. Sinkende Exporterlöse, geringes Wachstum und eine unvermindert starke Bevölkerungszunahme bewirkten, dass das Pro-Kopf-Einkommen unter den Mitte der sechziger Jahre erreichten Stand zurückfiel [1].
top
 
print
Schweiz
Auch in der Schweiz setzte sich 1989 das Wirtschaftswachstum fort. Das reale Bruttosozialprodukt nahm gemäss ersten Schätzungen um 3,1 % zu. Wichtig für dieses. Ergebnis war die gesteigerte Zuwachsrate bei den Ausfuhren, welche real um 5,4% (1988: 5,2%) zunahmen. Nicht zuletzt dank der günstigen Entwicklung im Tourismus konnten vor allem die Einnahmen aus den Dienstleistungsexporten verbessert werden. Etwas weniger stark als im Vorjahr expandierten die Investitionen, wobei vor allem die Ausrüstungsinvestitionen von der Abschwächung betroffen waren. Auch die Wachstumsraten des privaten Konsums und der Käufe des Staates und der Sozialversicherungen blieben leicht hinter den Vorjahreswerten zurück (1,8% resp. 2,8%). Die Einfuhren nahmen mit einer realen Steigerung um 5,3% etwa im selben Mass zu wie die Exporte. Das traditionelle Defizit aus dem Warenverkehr mit dem Ausland wuchs auf 12 Mia Fr., aber der Überschuss aus dem Dienstleistungsverkehr konnte ebenfalls wieder gesteigert werden. Die ersten Schätzungen über den Saldo der Ertragsbilanz haben sich in den letzten Jahren als derart unzuverlässig erwiesen, dass wir auf ihre Wiedergabe verzichten [2].
Die Beschäftigung nahm im Jahresmittel um 1,2% zu. Im Gegensatz zum Vorjahr vermochte nun auch der industrielle Bereich wieder zuzulegen (+1,1%). Überdurchschnittlich stark fiel der Zuwachs mit 1,8% erneut bei den Banken und Versicherungen aus; das relativ bedeutendste Beschäftigungswachstum verzeichnete allerdings die Uhrenindustrie mit 4,8%. Die Zuwachsrate war bei den weiblichen Beschäftigten mit 1,9% rund doppelt so hoch wie bei den Männern. Per Saldo rekrutierten sich die zusätzlichen Arbeitskräfte wiederum aus ausländischen Personen, wobei vor allem bei den Grenzgängern eine markante Zunahme eintrat. Der Mangel an Arbeitskräften akzentuierte sich freilich weiter und bezog sich vermehrt auch auf an- und ungelerntes Personal. Die Zahl der ganz oder teilweise Arbeitslosen verringerte sich auf 17 452 im Jahresdurchschnitt, was einer Arbeitslosenquote von 0,6% entsprach [3].
Die bereits im Vorjahr hohe Kapazitätsauslastung führte dazu, dass der Index der industriellen Produktion nur geringfügig zunahm. Auch unter Ausschluss der stark rückläufigen Produktion der Kraftwerke ergab sich lediglich eine Steigerung um 1,7% (1988: 6%). Die grösste Expansionsrate erreichte mit 8% wiederum die Chemie; die Maschinenindustrie konnte demgegenüber ihr grosses Wachstum des Vorjahres nicht wiederholen (—1%). In der Bekleidungs- und in der Textilindustrie bildete sich die mengenmässige Produktion weiter zurück (—4% resp. -2%). Die Investitionen nahmen zwar weiterhin zu, erreichten aber mit einer realen Steigerungsrate von 3,6% bei den Ausrüstungsinvestitionen nicht mehr die hohen Werte der vergangenen Jahre. Die Bauwirtschaft stiess ebenfalls an Kapazitätsgrenzen: die Bautätigkeit wuchs etwas weniger stark als der Auftragsbestand, der um 12,4% zunahm [4].
Die Tourismusbranche konnte ihre Einbussen des Vorjahres mehr als wettmachen. Die Zahl der Logiernächte stieg um 3,2% an, wobei vor allem die starke Zunahme bei den ausländischen Gästen (4,5%) ins Gewicht fiel. Wirtschaftlich erfreulich für die Branche war, dass sich die gesteigerte Nachfrage auf die Hotels konzentrierte, welche die Anzahl der Logiernächte um 5,6% verbessern konnten [5].
Die Kehrseite der grossen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen bildete die Preisentwicklung. Die Jahresteuerung stieg im Oktober auf 3,6% und erreichte damit einen seit Mai 1985 nicht mehr erreichten Spitzenwert. Im November, als erstmals auch die Auswirkungen der zwei letzten Hypothekarzinserhöhungen enthalten waren, stieg sie sogar auf 4,4% an und im Dezember schliesslich auf 5,0%. Im Jahresdurchschnitt betrug die Inflationsrate der Konsumentenpreise 3,2%. Der Kursverlust des Schweizer Frankens und die massiven Preiserhöhungen für Energieträger hatten eine überdurchschnittliche Verteuerung der Importgüter zur Folge (3,7%). Die steigenden Wohnungsmieten trugen massgeblich dazu bei, dass die Teuerung bei den inländischen Dienstleistungen mit 3,7% höher ausfiel als bei den Gütern (3,0%). Auch bei den Grosshandelspreisen verstärkte sich der Preisauftrieb: der Index lag um 4,3% über dem Vorjahresstand. Die Verteuerung der Rohstoffe, Halbfabrikate und Energieträger führte bei den Importwaren zu einer ausgeprägteren Inflation als bei den Inlanderzeugnissen (7,5% resp. 3,2%) [6].
 
[1] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 5 ff. und 13 ff.; Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 60. Jahresbericht. 1. April 1989-31.März 1990, Basel 1990, S. 9 ff.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 7 f. und 24 ff.; Kommission für Konjunkturfragen, Die Wirtschaftslage, 322. und 323. Mitteilung, Beilagen zu Die Volkswirtschaft, 63/1990, Nr. 1 und 4. Zur Aussenwirtschaft siehe oben, Teil I, 2.
[3] Die Volkswirtschaft, 63/1990, Nr. 6, S. *8 ff. Zum Arbeitsmarkt siehe unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt), zu den ausländischen Arbeitskräften unten, Teil I, 7d (Ausländerpolitik).
[4] Die Volkswirtschaft, 63/1990, Nr. 6, S. (Investitionen) und S. *19 (Produktion); Nr. 7, S. *38 (Baugewerbe). Zur Entwicklung der einzelnen Branchen vgl. auch Schweizerische Bankgesellschaft, Branchenspiegel der Schweizer Wirtschaft 1889/1990, Zürich 1990.
[5] Die Volkswirtschaft 63/1990, Nr. 5, S. 42 f. sowie Nr. 7, S. 54 ff. und *42. Siehe auch G. Künzi, "Tourismuspolitik mit neuen Akzenten ", in Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 3, S. 6 f.
[6] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 31 f.; Die Volkswirtschaft, 63/1990, Nr. 6, S. *15 ff. Zu den Löhnen siehe unten, Teil I, 7a (Löhne).