Année politique Suisse 1989 : Politique sociale / Assurances sociales / Alters- und Hinterbliebenenversicherung
print
Neue Modelle
Die ersten Vorstösse dazu kamen aus den Reihen der Linken. Im Frühjahr diskutierte eine Arbeitsgruppe der SP und der Gewerkschaften die Lancierung von zwei parallelen Volksinitiativen, welche zugleich den Schutz der Umwelt und die AHVRenten entscheidend verbessern sollten. Kernstück der Idee war die Einführung einer "Umweltumlage", die auf ökologisch und gesundheitlich gefährlichen Produkten erhoben würde und der AHV zugute käme. Durch die Zusatzeinnahmen für die AHV könnten die Beiträge an die 2. Säule und deren übermassige Kapitalbildung reduziert werden. Der Gedanke einer Öko-Steuer wurde aber – da selbst in den eigenen Reihen nicht unumstritten und im jetzigen Zeitpunkt politisch nicht durchsetzbar – wieder fallengelassen [5].
Im September wurde bekannt, dass eine vom VPOD eingesetzte Gruppe, in der neben eigenen Experten auch andere linke Organisationen vertreten waren, ebenfalls ein neues Altersvorsorge-Modell ausgearbeitet hatte. Nachdem die Arbeitsgruppe zuerst von der Idee einer "Volkspension" ausgegangen war, welche die 2. Säule überflüssig machen würde, liess sie den Gedanken wieder fallen. Dies geschah aus der Einsicht heraus, dass die Pensionskassen bereits zu sehr etabliert seien und – da von der Alterung der Gesellschaft und der Wirtschaftsentwicklung unabhängig – trotz ihrer evidenten Mängel eine gewisse Berechtigung hätten. Doch sollte die AHV derart aufgestockt werden, dass sie nicht mehr nur das Existenzminimum, sondern den eigentlichen Grundbedarf decken würde; die berufliche Vorsorge sollte dementsprechend redimensioniert werden [6].
Ebenfalls im September kündigte die PdA an, dass sie im Frühjahr 1990 eine neue Initiative "für eine zeitgemässe Volkspension" zu lancieren gedenke, die durch eine Verdoppelung der niedrigsten Bezüge alle Alters- und IV-Renten auf ein "würdigeres Niveau" anheben möchte. Auch sie will aber auf eine gänzliche Aufhebung der 2. Säule verzichten [7].
Unerwarteten Sukkurs erhielten die linken Gruppierungen als im Oktober die vier SVP-Ständeräte Gadient (GR), Seiler (SH), Uhlmann (TG) und Zimmerli (BE) in einem in der Wintersession überwiesenen Postulat den Bundesrat aufforderten, einen Bericht über die zukünftige Finanzierung der Altersvorsorge vorzulegen, und dabei laut über die Einführung einer eigentlichen "Volkspension" nachdachten, welche nicht durch zusätzliche Lohnprozente, sondern über die Mehrwertsteuer finanziert werden sollte [8]. Der Bundesrat erklärte sich bereit, eine Gewichtsverlagerung zwischen der ersten und zweiten Säule zu prüfen, wollte aber das in der Verfassung verankerte Prinzip der drei Säulen nicht grundsätzlich in Frage stellen [9].
 
[5] NZZ und Vr, 29.5.89; TA, 29.5. und 27.9.89.
[6] TA, 27.9.89; SP-VPOD, Nr. 40-41, 5.10., Nr. 44, 2.11., Nr. 49, 7.12. und Nr. 50-52, 14.12.89; Bund, 21.10.89.
[7] NZZ und Suisse, 11.9.89; VO, 14.9.89.
[8] Verhandl. B. vers., 1989, IV, S. 122 f.; Bund, 22.9.89; Suisse, 25.9.89; TA, 27.9.89; SHZ, 5.10.89. Die FDP zeigte sich von diesem Vorschlag völlig überrascht. Bei der SP wurde er mit gemischten Gefühlen aufgenommen; deutlich abgelehnt wurde dabei der Vorschlag zur Prüfung eines erwerbsunabhängigen Finanzierungskonzepts, weil dadurch die Arbeitgeberbeiträge entfallen würden (BZ, 22.9.89).
[9] Amtl. Bull. StR, 1989, S. 839 ff.; BZ und Vat., 15.12.89.