Année politique Suisse 1989 : Politique sociale / Assurances sociales / Berufliche Vorsorge
Der zweite Punkt, der zur Diskussion stand, war die Anlagepolitik der Pensionskassen. Die Bilanzssumme der Kassen beträgt bereits über 200 Mia Fr.; davon sind rund 30% in Obligationen und Kassenscheinen angelegt, 17% in Guthaben bei den Arbeitgebern und weitere 17% in Immobilien – die Anteilscheine an Immobiliengesellschaften und Immobilienfonds nicht mitgerechnet
[35].
Im Zeichen der sich zuspitzenden Situation auf dem Bodenmarkt häufte sich die Kritik am starken Engagement der Pensionskassen in diesem Bereich. Gegen den erbitterten Widerstand der Vorsorgeeinrichtungen beschloss das Parlament bei den in der Herbstsession verabschiedeten Sofortmassnahmen zur Bekämpfung der Bodenspekulation, die Anlagemöglichkeiten der Pensionskassen in schweizerischen Grundstücken von 50 auf 30% des Gesamtvermögens bzw. des Sollbestands des Sicherungsfonds zu reduzieren
[36].
Der Gedanke, dass anstelle der institutionellen Anleger die Versicherten selber mit den geäufneten Geldern im Liegenschaftsmarkt aktiv werden sollten, dass also der
Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum gefördert werden müsste, hat in den vergangenen Jahren immer wieder Anlass zu parlamentarischen Vorstössen gegeben. Das BVG sieht zwar die Möglichkeit der Verpfändung der Ansprüche und die Kapitalauszahlung anstelle einer Rente vor, doch ist auch dem Bundesrat bewusst, dass dies – gemessen an den realen Bedürfnissen und den tatsächlichen Gegebenheiten – ungenügend ist, weshalb sich eine Arbeitsgruppe des EJPD und eine Subkommission der Eidg. Kommission für die berufliche Vorsorge intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzten
[37]. Sowohl um diese Arbeiten zu beschleunigen als auch im Sinn einer generellen Weichenstellung häuften sich 1989 die parlamentarischen Interventionen zu diesem Thema. Dass dabei vor allem der Nationalrat eine schärfere Gangart anschlagen wollte als der Bundesrat geht aus dem Umstand hervor, dass er in der Sommersession den Kernpunkt einer eher grundsätzlichen Motion von A. Müller (Idu, AG), nämlich die Aufforderung, das BVG im Sinn einer vermehrten Wohneigentumsförderung zu revidieren, in der starken Form überwies, obgleich der Bundesrat beantragt hatte, die Motion in ein Postulat umzuwandeln
[38]. Auf die weiteren parlamentarischen Vorstösse und die bundesrätliche Politik im Bereich der Wohneigentumsförderung mit den Mitteln der beruflichen Vorsorge wird an anderer Stelle eingegangen (siehe oben, Teil I, 6c, Wohnungsbau).
Die Anlagepolitik der Pensionskassen gab aber auch noch anderen Anlass zu Diskussionen. In einem viel beachteten Referat empfahl Nationalbankpräsident Markus Lusser den Kassen dringend, ihre Anlagen in inländische und ausländische Aktien zu diversifizieren, da der schweizerische Boden- und Obligationenmarkt bald einmal gesättigt sein werde
[39]. In der Wintersession wurde eine Motion Matthey (sp, NE), die den Bundesrat ersuchte, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, damit sich die Pensionskassen vermehrt an der Risikokapitalbildung beteiligten, als Postulat überwiesen
[40].
[35] Das BA für Statistik (BFS) veröffentlichte erstmals eine vollständige Erhebung über die in den Pensionskassen gebunden Gelder. Die Zahlen sind diejenigen von Ende 1987. Derartige Erhebungen sollen nun regelmässig alle fünf Jahre durchgeführt werden (NZZ, 27.6.89). Zum heutigen Stand siehe Ww, 9.3. und 29.6.89.
[36] AS, 1989, S. 1981 ff. und 2123 ff. Siehe oben, Teil I, 6 c (Raumplanung). Zur Opposition der Kassen siehe SZ, 28.8.89; JdG, 2.9.89; NZZ, 24 Heures und JdG, 9.9.89.
[37] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 894 (Schriftliche Stellungnahme des Bundesrates vom 25. Mai 1988 zu einer Motion der CVP-Fraktion des Nationalrates).
[38] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1007 ff. Der zweite Punkt der Motion (demokratische Mitsprache im Bereich der Anlagepolitik) wurde als Postulat überwiesen.
[39] AT und BaZ, 23.2.89; TA, 23. und 25.5.89.
[40] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 2231 f.
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