Année politique Suisse 1989 : Politique sociale / Assurances sociales / Krankenversicherung und Mutterschaftsversicherung
print
Krankenkasseninitiative
Eine Möglichkeit, die Last der Krankenkassenprämien für die Versicherten wieder erträglicher zu gestalten, könnte die Annahme der Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung" sein, welche vom Bund eine massive Erhöhung seiner Subventionen fordert. Der Initiant, das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen (KSK), würde sich davon einen Prämienrabatt von ca. 20% versprechen [44].
Doch gleich wie im Ständerat 1988, hatte die Vorlage auch im Nationalrat keine Chance. Die vorberatende Kommission beschloss aber, wie zuvor schon die kleine Kammer, der Volksinitiative entgegen dem Willen des Bundesrates nicht mit leeren Händen entgegenzutreten. Bei ihren Beratungen ging die Kommission vorerst vom ständerätlichen Gegenvorschlag aus, der das 1987 in der Volksabstimmung gescheiterte Sofortprogramm ohne Mutterschaftstaggeld wiederaufgenommen hatte. Dabei schuf sie aber so zahlreiche und gewichtige Differenzen — so etwa mit der Einführung des Bonussystems und der Prämiengleichheit für Frauen und Männer —, dass bald einmal erkannt wurde, dass auf dieser Grundlage kein Konsens mehr zu erzielen war [45].
Als dann im Spätsommer noch bekannt wurde, dass der Bundesrat eine Expertenkommission mit einer Totalrevision des KUVG betrauen werde, schloss sich die Nationalratskommission einem Vorschlag des Freisinnigen Früh (AR) an, wonach auf eine materielle Revision des Gesetzes verzichtet und dem Rat nur vorgeschlagen wurde, die Bundesbeiträge an die Krankenkassen durch einen einfachen und auf fünf Jahre befristeten Bundesbeschluss von heute rund 950 Mio Fr. auf jährlich 1,3 Mia Fr. zu erhöhen [46]. Noch etwas griffiger gemacht wurde dieser Antrag in letzter Stunde durch die Präzisierung einer Kommissionsminderheit, der mit Früh (fdp, AR), Haller (sp, BE), Rychen (svp, BE) und Segmüller (cvp, SG) alle Bundesratsfraktionen angehörten: Danach sollen die zusätzlich bewilligten Mittel gezielt dazu verwendet werden, die Entsolidarisierung zwischen den Geschlechtern und den Altersgruppen zu mildern [47].
In der Wintersession lehnte der Nationalrat die Volksinitiative mit 116 zu einer Stimme ab, da das Begehren finanziell überrissen sei, derartige Bestimmungen nicht in die Verfassung gehörten, sondern auf Gesetzesebene geregelt werden müssten, und der Initiativtext keine Bremsmechanismen zur Eindämmung der Gesundheitskosten enthalte. Einstimmig genehmigte der Zweitrat den präzisierten Antrag Früh [48].
Damit ist die Volksinitiative aber noch nicht vom Tisch. Die Räte haben nur mehr bis zum April 1990 Zeit, sich auf einen gemeinsamen Gegenvorschlag zu einigen. Weder der ständerätliche noch der nationalrätliche Weg scheinen zudem dazu zu führen, dass das KSK seine Initiative zurückziehen könnte. Das Volk wird sich also voraussichtlich spätestens im Juni 1991 zu dieser Frage an der Urne äussern müssen.
 
[44] SHZ, 16.11.89; AT, 5.12.89. Siehe auch SPJ 1984, S. 143 f., 1985, S. 150, 1987, S. 201 f., und 1988, S. 206 f.
[45] Presse vom 25.4.89; SGT, 19.5.89; BZ, 3.6.89.
[46] NZZ und BZ, 8.9.89; AT, SZ und TW, 9.12.89.
[47] BaZ, 13.12.89; SZ, 14.12.89.
[48] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 2213 ff.