Année politique Suisse 1990 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Im Berichtsjahr hatte die FDP immer noch mit den Folgen der Affäre Kopp sowie mit der Staatsschutzkrise und dem damit verbundenen Vertrauensverlust der Bürger in die FDP zu kämpfen; letzte Umfragen zum Image der Parteien zeigten aber eine Trendwende zugunsten der FDP [3].
In der Partei fanden erneut Grundsatzdiskussionen zu einer liberalen Politik statt, nachdem letztmals 1981 mit den sogenannten "Rigi-Thesen" neu überarbeitete liberale Grundsätze ins Parteiprogramm aufgenommen worden waren. Eine Liberalismustagung diente als Vorbereitung zu einem neuen Thesenpapier; dabei kamen im Vergleich zu früher vermehrt Fragen des Umweltschutzes, aber auch solche der Drogen- und Asylproblematik, des Wohnungsmarktes oder der AHV-Sicherung zur Sprache. Diese Grundsatzdiskussionen mündeten in einen Thesenentwurf einer von Ständerat Rhinow (BL) präsidierten Arbeitsgruppe, welcher am Parteitag in Vevey als "Liberales Manifest" gutgeheissen wurde [4].
Am Parteitag vom 27. April in Glarus wurden mit den Themenbereichen Sicherheitspolitik in einer Zeit des Umbruchs und europäische Integration weitere Leitplanken für die zukünftige Ausrichtung der Partei gesetzt. Eine ganzheitliche eigene Landesverteidigung, eingebettet in ein europäisches Verteidigungssystem, soll als Modell dienen, und eine Mehrheit wünschte die Annäherung derSchweiz an die Europäische Gemeinschaft in Form eines EWR-Vertrages. Bei der gleichentags aufgeworfenen Frage der Straffreiheit für Drogenkonsumenten kritisierten vor allem welsche Delegierte eine Liberalisierung. Trotzdem wurde eine Öffnung in Richtung Entkriminalisierung gutgeheissen. Die konkret zu verfolgende Drogenpolitik blieb jedoch sehr umstritten, wie unter anderem die ablehnende Haltung der zürcherischen FDP zur Einrichtung von Fixerräumen illustrierte [5].
Am 10. November verabschiedeten die Parteidelegierten in Bern ein Thesenpapier zum Problemkreis Gentechnologie. Darin werden unter anderem vom Bund verbindliche Rahmenbedingungen für die Nutzung gentechnischer Methoden verlangt. Die Anwendung der Gentechnologie wird befürwortet, wenn dabei folgende Bedingungen eingehalten werden: Wahrung der Menschenwürde, Schutz der natürlichen Umwelt und Erhaltung der genetischen Vielfalt sowie Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens von Mensch und Tier [6].
Bei den eidgenössischen Abstimmungen fasste die FDP die Ja-Parole zum Rebbaubeschluss und zum Energieartikel — diese beiden Beschlüsse waren allerdings ziemlich umstritten — sowie zur Reorganisation der Bundesrechtspflege und zur Strassenverkehrsgesetzrevision. Klare Nein-Parolen ergaben sich zu allen sechs zur Abstimmung kommenden Volksinitiativen [7].
Bei den Wahlen hat die FDP in den meisten Kantonen Verluste hinnehmen müssen: Insgesamt verlor sie elf Sitze, davon fünf im Kanton Bern und vier im Kanton Zug. Ausserdem gab sie im Zuger Regierungsrat einen Sitz an die Sozialistisch Grüne Alternative (SGA) ab. Auch im Parlament der Stadt Zürich büsste sie Mandate ein. Da sie hier ihren Wähleranteil massiv steigern konnte, war diese Wahlniederlage vor allem auf Proporzpech zurückzuführen [8] .
 
[3] Presse vom 19.2.90 (Staatsschutzkrise thematisiert anlässlich der DV der FDP am 17.2. in Bern); vgl. SPJ 1989, S. 11 ff., 22 ff., 28 f., 32 f. und 314; siehe auch oben Teil I, 1b (Staatsschutz).
[4] Presse vom 15.1.90 (Liberalismustagung). NZZ, 31.5.90; SGT, 21.6.90; SN, 22.6.90; Presse vom 25.6.90 (DV in Vevey); siehe auch Lit. FDP, Liberales Manifest. Zur allgemeinen Entwicklung der FDP siehe auch L'Hebdo, 12.4.90 und Politik und Wirtschaft, 1990, Nr. 6, S. 27 ff.
[5] Presse vom 28. und 30.4.90, insbesondere Interview mit F. Steinegger in SGT, 30.4.90; Presse vom 25.6.90 (DV in Vevey). Zum EWR siehe oben Teil 1, 2a (Europe). FDP Zürich zu Fixerräumen: TA, 31.10.90.
[6] "Gentechnologie als Herausforderung", in Politische Rundschau, 69/1990, Nr. 1/2, Thesen S. 32 f.; Presse vom 12.11.90. Vgl. auch oben, Teil 1, 7b (Gentechnologie).
[7] Presse vom 19.2.90 und 3.9.90.
[8] Vgl. oben Teil I, 1e.