Année politique Suisse 1990 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage
In den OECD-Staaten bot die Konjunktur sowohl im zeitlichen Verlauf als auch im geografischen Vergleich ein uneinheitliches Bild. Das reale Wirtschaftswachstum sank gemäss ersten Schätzungen gegenüber dem Vorjahr von 3,4% auf 2,8 %. Die Abschwächung erfolgte vor allem in der zweiten Jahreshälfte. Sie war zu einem guten Teil auf die restriktive Geldpolitik der Jahre 1988 und 1989 zurückzuführen, welche verschiedene Notenbanken zur Dämpfung der damaligen Konjunkturüberhitzung betrieben hatten. Der Konflikt in der Region des persischen Golfes und die damit verbundene Verteuerung des Erdöls wirkte sich zwar auf die Inflationsraten, aber noch nicht auf das wirtschaftliche Wachstum aus.
Von der konjunkturellen Abschwächung waren allerdings nicht alle Staaten betroffen. In den USA und Grossbritannien reduzierte sich das Wirtschaftswachstum auf rund 1 % und auch in Frankreich und Italien verlor die Konjunktur an Schwung. Auf der anderen Seite konnten Japan und Westdeutschland (Gebiet der alten BRD) ihr reales Wachstum aufgrund der lebhaften Binnennachfrage noch steigern. Die Arbeitslosigkeit ging im OECD-Raum im Jahresmittel leicht zurück, in der zweiten Jahreshälfte zeichnete sich jedoch eine Trendumkehr ab. Die Teuerung blieb auf einem hohen Niveau und erhielt durch die massiven Preissteigerungen beim Erdöl in der zweiten Jahreshälfte sogar noch zusätzlichen Auftrieb.
Das in den
Entwicklungsländern erzielte reale Wachstum von durchschnittlich gut 2% wurde in Anbetracht des niedrigen Ausgangsniveaus und des starken Bevölkerungswachstums als unbefriedigend bezeichnet. Zudem verlief die Entwicklung regional sehr unterschiedlich. Während im asiatischen Raum und in den erdölexportierenden Ländern überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielt wurden, stagnierte die Entwicklung in den Ländern südlich der Sahara und in Lateinamerika
[1].
In der Schweiz hielt die Hochkonjunktur auch 1990 an, aber das reale Wirtschaftswachstum schwächte sich leicht ab. Gemäss ersten Schätzungen nahm das reale Bruttoinlandprodukt noch um 2,6% zu. Die Warenexporte und die Ausrüstungsinvestitionen erreichten die Steigerungsraten des Vorjahres nicht mehr, sie bildeten aber trotzdem die Hauptstützen des Wachstums. Besonders markant fiel die Abschwächung bei den Bauinvestitionen aus, wo sich die hohen Kapitalkosten und die allgemeinen Lohn- und Preissteigerungen im Jahresverlauf immer stärker auswirkten. Mit Ausnahme der laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen sowie dem privaten Konsum, welche etwas anstiegen resp. konstant blieben (3,1 % resp. 2,0%), schwächte sich bei allen Komponenten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung das Wachstum ab; die Dienstleistungsexporte bildeten sich sogar leicht zurück. Die Abschwächung akzentuierte sich im letzten Quartal, als Bau und Ausrüstungsinvestitionen, aber auch die Exporte von Gütern und Dienstleistungen die realen Werte der entsprechenden Vorjahresperiode nicht mehr erreichten. Die Zunahme der realen Güter- und Dienstleistungsimporte blieb mit 3,5% ebenfalls unter dem Vorjahreswert, sie übertraf allerdings das Wachstum der Exporte (2,7%).
Nach provisorischen Schätzungen hat sich 1990 der Überschuss der
Ertragsbilanz, welcher 1989 rückläufig war, um 1,3 Mia auf 13,5 Mia Fr. erhöht. Diese Entwicklung hatte ihre Ursache vor allem in der unterschiedlichen Preisentwicklung im Aussenhandel: der erstarkte Franken führte zu grösseren Erlösen bei den Exporten und damit zu einer deutlichen Reduktion des Defizits im Warenverkehr
[2].
Die Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums wirkte sich auf die
Beschäftigungslage noch nicht negativ aus. Im Gegenteil, die Zahl der Beschäftigten stieg mit 1,4% sogar noch etwas stärker als in den vergangenen Jahren. Die Wachstumsrate war in der Industrie etwas höher, im Dienstleistungsbereich etwa gleich gross und im Baugewerbe markant tiefer als im Vorjahr. In der verarbeitenden Produktion erzielte wiederum die Uhrenindustrie ein Spitzenwachstum, während sich der Beschäftigungsabbau in der Textil- und Bekleidungsindustrie fortsetzte. Im Dienstleistungssektor verzeichneten für einmal nicht die Banken und Versicherungen die höchsten Zuwachsraten, sondern der Bereich der sozialen Heime, Institutionen und Kirchen. Die Frauen haben, sowohl prozentual wie auch absolut, stärker zum Beschäftigungszuwachs beigetragen als die Männer. Die neu Beschäftigten rekrutierten sich auch 1990 per saldo aus ausländischen Personen, wobei wiederum vor allem die Zahl der Grenzgänger zunahm. Die Zahl der Arbeitslosen blieb im Jahresdurchschnitt mit 18 133 praktisch konstant, wobei allerdings im 4. Quartal eine deutliche Zunahme festzustellen war. Ihr Anteil am Total der Beschäftigten machte im Jahresmittel 0,7% und im Dezember 0,8% aus
[3].
Der Index der industriellen
Produktion nahm mit 2% etwa gleich stark zu wie im Vorjahr. Die 1989 stagnierende Maschinenindustrie konnte ihre Produktion um 8% steigern. Auf der Verliererseite stand erneut die Textilindustrie. Die
Investitionen wuchsen nur noch um 2,6%, obwohl die Wachstumsrate bei den Ausrüstungsinvestitionen leicht anstieg. Die Verflachungstendenz in der Bauwirtschaft liess sich nicht allein am geringen Wachstum der Bauinvestitionen ablesen, sondern auch an der Stagnation bei Auftragsbestand und -eingang
[4].
Im Tourismus wurden wiederum sehr gute Ergebnisse erzielt, wenn auch die Zuwachsraten unter denjenigen des Vorjahres blieben. Die Zahl der Logiernächte erhöhte sich um 1 %, wobei das Wachstum erneut dem lebhafteren Zuspruch ausländischer, insbesondere amerikanischer Gäste zuzuschreiben war. Von dieser Steigerung profitierte die Hotellerie am meisten. Die Anzahl der Hotelübernachtungen nahm um 1,5% zu und übertraf damit das bisherige Rekordergebnis aus dem Jahr1981
[5].
Die
Teuerung beschleunigte sich weiter. Der Landesindex der Konsumentenpreise erreichte im Oktober mit einem Jahreszuwachs von 6,4% den höchsten Wert seit Dezember 1981. Bis Ende 1990 schwächte sich die Inflation dank einem Rückgang der importierten Teuerung wieder auf 5,3% ab; im Jahresmittel lag der Konsumentenpreisindex um 5,4% über dem Vorjahreswert. Trotz den Erdölpreissteigerungen im Zusammenhang mit der Golfkrise war die Inflationsrate bei den inländischen Waren grösserals bei den Importen (5,8% resp. 4,4%). Uberdurchschnittlich stark erhöhten sich die Mietkosten, bei denen sich der weitere Anstieg der Hypothekarzinsen und der ausgetrocknete Wohnungsmarkt auswirkten. Im internationalen Vergleich der Teuerungsraten lag die Schweiz im Mittelfeld der Industriestaaten. Der Index der Konsumentenpreise stieg etwa gleich stark an wie in der EG insgesamt und in den USA; in Frankreich und Deutschland hingegen waren die Preise um einiges stabiler. Der Teuerungsindex des Grosshandels baute sich im Jahresmittel auf 1,5% ab. Auch hier war die Teuerung weitgehend hausgemacht: der Preisindex der Inlandwaren stieg um 2,3%, derjenige für importierte Erzeugnisse bildete sich vor allem infolge des wieder stärker gewordenen Schweizer Frankens um 0,9% zurück
[6].
[1] SNB, Geschäftsbericht, 83/1990, S. 5 f. und 12 ff.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 83/1990, S. 25 ff.; SNB, Monatsbericht, 1991, Nr. 5, S. 126 f.; Kommission für Konjunkturfragen, Die Wirtschaftslage, 328. und 329. Mitteilung, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 1 und 4. Siehe auch oben, Teil 1, 2 (Commerce extérieur suisse) und unten, Teil 1, 4b (Geld- und Währungspolitik).
[3] Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 4, S. 25 ff. und 10' f. Siehe auch unten, Teil 1, 7a (Arbeitsmarkt) und 7d (Ausländerpolitik).
[4] Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 4, S. 4" (Investitionen) und 18* (Produktion). Siehe auch Schweiz. Bankgesellschaft, Branchenspiegel der Schweizer Wirtschaft /990/9/, Zürich 1991.
[5] Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 6, S. 32 ff. und 42' f.
[6] SNB, Geschäftsbericht, 83/1990, S. 32 f.; Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 2, S. 15* ff.
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