Année politique Suisse 1990 : Economie / Politique économique générale
 
Wettbewerbspolitik
Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession als Erstrat mit der zweiten Preisüberwachungsinitiative und dem dazu vom Bundesrat vorgelegten indirekten Gegenvorschlag. Dabei geht es primär um den Einbezug der Zinsen und der administrierten, d.h. von politischen Behörden festgelegten oder bewilligten Preise in die bestehende Uberwachung der Preise, auf kartellierten oder sonst wettbewerbsschwachen Märkten. Im Vorfeld der Debatte hatten sich die Banken und der Vorort gegen einen Ausbau der Preisüberwachung ausgesprochen. Pikanterweise hatte der Nationalrat unmittelbar vor dieser Beratung einer dringlichen, aber zeitlich befristeten wettbewerbspolitischen Kontrolle der Hypothekarzinsen zugestimmt. Mit diesem Zugeständnis gegenüber den Mietern war die Annahme des Gegenentwurfs bereits vorgespurt. Obwohl sich die vorberatende Kommission nur äusserst knapp für Eintreten auf den Gegenvorschlag ausgesprochen hatte, wurde ein von der SVP, der LP und einer Minderheit der FDP unterstützter Nichteintretensantrag deutlich abgelehnt. In der Detailberatung setzten sich durchwegs die Formulierungen des Bundesrates durch. Da damit die Anliegen der Initiantinnen praktisch vollständig erfüllt waren, erwuchs dem Antrag, die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen, auch von seiten der Linken und des LdU keine Opposition [13]. Der Ständerat schloss sich ohne grosse Diskussion dem Nationalrat an und schuf nur einige unbedeutende Differenzen, welche im Berichtsjahr noch nicht bereinigt worden sind [14]..
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Konsumentenschutz: Information und Vertragsabschlüsse
Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit dem neuen Konsumenteninformationsgesetz und der Revision der Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Obligationenrecht. Umstritten war bei der ersten Vorlage der Einbezug der Dienstleistungen in die Deklarationspflicht und bei der zweiten ein Widerrufsrecht von bestimmten, ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossenen Verträgen. Die Mehrheit der SVP lehnte beide von der vorberatenden Kommission vorgeschlagenen Bestimmungen ab; ein Antrag auf Nichteintreten auf die OR-Revision wurde aber — im Gegensatz zum Ständerat — nicht gestellt. In einer Abstimmung unter Namensaufruf setzte sich gegen den Widerstand der SVP, der LP und der Hälfte der freisinnigen Fraktion die Meinung durch, dass eine Deklarationspflicht, d.h. die Angabe von präzisen und vergleichbaren Informationen, nicht nur für Waren, sondern auch für Dienstleistungsangebote eingeführt werden soll. Bei den Bundessubventionen für die Durchführung von Tests durch Konsumentenschutzorganisationen blieb ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), der die "Kann-Formel" durch eine Verpflichtung ersetzen wollte, knapp in der Minderheit. Bei der OR-Revision unterlag der von der SP, dem LdU und einem Teil der Grünen unterstützte Antrag, das Widerrufsrecht für Vertragsabschlüsse ausserhalb von Geschäftslokalitäten auch bei Versicherungsverträgen zuzulassen [15]..
Im Ständerat stellte Schmid (cvp, AI) erneut den Antrag, auf die Revision des Vertragsrechts nicht einzutreten. Sein Hauptargument, der Schutz der Konsumenten vor aggressiven Verkaufsmethoden sei mit den neuen Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) gewährleistet, vermochte die Ratsmehrheit nicht zu überzeugen. Die Differenzbereinigung verlief problemlos. Insbesondere wurde in deren Verlauf präzisiert, in welchen Fällen ein Widerrufsrecht möglich sein soll: bei Vertragsabschlüssen in Wohnräumen und deren Umgebung, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf öffentlichen Strassen und Plätzen sowie bei sogenannten Werbeausflugsfahrten [16].
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Kleinkredite
Der Ständerat, der noch 1986 in der Schlussabstimmung nach langwierigem Differenzbereinigungsverfahren ein Gesetz über das Konsum- und Kleinkreditwesen abgelehnt hatte, behandelte eine von 34 Ratsmitgliedern unterzeichnete Motion Affolter (fdp, SO), welche vom Bundesrat die Vorlage eines neuen Gesetzesentwurfs verlangt. Dieser soll primär darauf angelegt sein, Missbräuche im Kleinkreditwesen zu bekämpfen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass viele Drogenabhängige ihre Sucht mit Kleinkrediten finanzieren, rufe nach einem solchen Gesetz. Obwohl Bundespräsident Koller auf die Schwierigkeit hinwies, in diesem Bereich einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen und deshalb für die Postulatsform plädierte, überwies der Rat den Vorstoss mit 34:4 Stimmen als Motion [17].
Der Nationalrat lehnte es zum zweiten Mal und damit endgültig ab, auf die vom Ständerat 1988 beschlossene und 1990 nochmals bestätigte Streichung der Bestimmungen über Kleinkredite im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) einzutreten. Der Initiant Schönenberger (cvp, SG) hatte seinen Antrag damit begründet, dass nach der Ablehnung des Kleinkreditgesetzes durch das Parlament auch die Bestimmungen über Konsumkredite im UWG gestrichen werden müssten [18]..
 
[13] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1830 ff. Zu Initiative und Gegenvorschlag siehe SPJ 1989, S. 96 f. Vgl. auch wf, Dok., 35, 27.8.90. Zur Hypothekarzinskontrolle siehe oben, Konjunkturpolitik und unten, Teil I, 6c (Mietwesen).
[14] Amtl. Bull. SIR, 1990, S. 1034 ff. und 1067 ff.
[15] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 542 ff.; Presse vom 22.3.90. Zu den Streitigkeiten unter den diversen Interessenorganisationen der Konsumenten siehe unten, Teil IIIb (Andere Interessengruppen).
[16] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 304 ff., 698 und 856; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1394 f., 1772 f. und 1964; BBI, 1990, II1, S. 597 ff. (Konsumenteninformationsgesetz) und 601 ff. (OR-Revision).
[17] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 258 ff.; TA, 23.3.90. Siehe SPJ 1986, S. 72.
[18] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1178 f.; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 263 ff. Vgl. SPJ 1989, S. 97.