Année politique Suisse 1990 : Chronique générale / Finances publiques
 
Voranschlag 1991
Der vom Bundesrat präsentierte Voranschlag 1991 sah gegenüber dem Vorjahr ein Ausgabenwachstum von 6,6% auf 33,123 Mia Fr. vor, dem ein Einnahmenwachstum von 6,2% auf 33,696 Mia Fr. gegenüberstand. In der Finanzrechnung 1991 wäre damit ein Einnahmenüberschuss von 573 Mio Fr. entstanden, in der Erfolgsrechnung hingegen ergäbe sich ein Aufwandüberschuss von 172 Mio Fr. [20]. Obwohl die Departemente bei ihren Ausgabeplänen substantielle Kürzungen von insgesamt 1,3 Mia Fr. vornahmen, konnte die Forderung einer im Vorjahr vom Nationalrat und im Berichtsjahr auch vom Ständerat überwiesenen Motion, das Ausgabenwachstum im Budget 1991 auf das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (nominal ca. 6%, real 2%) zu beschränken, nicht erfüllt werden. Ausserdem waren im Budget weder die bereits beschlossenen Teuerungszulagen auf den AHV- und IV-Renten noch die Lohnverbesserungen beim Bundespersonal ab Mitte 1991 enthalten. Bei deren Berücksichtigung steigt das budgetierte Ausgabenwachstum um 7,4% resp. 7,8% und der Einnahmenüberschuss reduziert sich auf 300 bzw. 212 Mio Fr. Mögliche Unterstützungsbeiträge der Schweiz an die internationalen Hilfeleistungen in der Golfregion sind im Budget ebenfalls unberücksichtigt geblieben [21]..
Die Finanzkommission des Nationalrats hatte anfänglich auf einer weiteren Reduktion des Budgets beharrt, um die Vorgabe der erwähnten Sparmotion einzuhalten. Sie musste jedoch nach eingehender Prüfung feststellen, wie schwierig es war, weitere Kürzungen vorzunehmen und schwenkte auf die bundesrätliche Vorlage ein. Die ständerätliche Finanzkommission beantragte ebenfalls keine Budgetreduktion, sondern schlug im Gegenteil sogar verschiedene Erhöhungen vor [22]..
Bei der Debatte im Nationalrat zeigte sich, dass die bürgerlichen Bundesratsparteien, aus deren Reihen die im Vorjahr überwiesene Sparmotion gekommen war, sich mit der Budgetdisziplin äusserst schwer taten. So verlangten ihre Fraktionssprecher Mehrausgaben im Landwirtschaftsbereich; die Freisinnigen, unterstützt von den Liberalen, wünschten ausserdem zusätzliche Mittel für den Strassenbau. Einzig die Grünen hielten am Text der Sparmotion fest und forderten ein Budget, das sich an den wirtschaftlichen Eckdaten orientiert; ihr Rückweisungsantrag blieb aber erfolglos. In der Detailberatung erhöhte der Nationalrat die Mittel für die Parlamentsdienste und für EDV-Material bei der Bundeskanzlei sowie für die Investitionshilfe im Berggebiet, Kürzungsanträge von SP und GPS bei den Militärausgaben lehnte er jedoch ab. Auch im Bereich der Landwirtschaft beschloss die Volkskammer gegen den Widerstand von Bundesrat und Kommissionsmehrheit bei mehreren Posten das Budget aufzustokken. Im Bereich des Strassenbaus setzten sich namentlich Vertreter des Freisinns und der Westschweiz für massive Budgeterhöhungen (210 Mio Fr. beim National- und 84 Mio Fr. beim Hauptstrassenbau) ein. Der Rat lehnte die Aufstockung der Nationalstrassenmittel knapp ab, bewilligte jedoch die zusätzlichen Mittel für den Hauptstrassenbau.
Im Ständerat ging es im gleichen Stil weiter. Die Vertreter der Kantone übernahmen nicht nur sämtliche Aufstockungsbeschlüsse der Volkskammer, sondern bewilligten auch noch beim Nationalstrassenbau zusätzliche 210 Mio Fr., welche in der Differenzbereinigung dann auf 150 Mio Fr. reduziert wurden [23]..
Das von den Räten verabschiedete Budget für 1991 ist damit gegenüber dem Bundesratsvorschlag wesentlich verschlechtert worden. Es sieht einen Einnahmenüberschuss in der Finanzrechnung von 73 Mio Fr. und ein Defizit bei der Erfolgsrechnung von 630 Mio Fr. vor [24]..
Bereits vor der Budgetdebatte hatte eine knappe Mehrheit (71:72) des Nationalrats eine Motion der Finanzkommissionen beider Räte abgelehnt, welche eine Konkretisierung der Sparmotion des Vorjahres verlangte: Der Bundesrat hätte damit beauftragt werden sollen, dem Parlament bis spätestens 1992 Anderungen oder Streichungen von Bundeserlassen (Gesetze, Bundesbeschlüsse usw.) zu beantragen, die für die Budgets 1992/93 das Wachstum der Ausgaben des Bundes in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftswachstum bringen würden [25]. Unmittelbar nach seiner nicht gerade von Spardisziplin geprägten Budgetdebatte behandelte der Nationalrat eine Neuauflage der im Vorjahr überwiesenen Sparmotion, welche verlangt, dass das Ausgabenwachstum des Bundes mit dem Wirtschaftswachstum in Einklang zu bringen ist. Diesmal dominierten die Zweifel an der praktischen Realisierbarkeit der Forderung. Die Fronten verliefen gleich wie bei der Motion vor der Budgetdebatte: Die geschlossene SP-Fraktion, unterstützt von relativ starken Minderheiten der FDP und der CVP sorgten für eine knappe Ablehnung (84:87). Im übrigen überwies der Nationalrat ein Postulat seiner Finanzkommission, welches den Bundesrat einlädt, künftig seine Botschaft über den Voranschlag der Eidgenossenschaft den Finanzkommissionen spätestens Mitte September vorzulegen [26]..
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Finanzplanung für 1992-1994
Im Finanzplan 1992-1994 sah Finanzminister Stich insgesamt ein ausgeglichenes Haushaltsbudget vor, wobei aber 1993 mit einem Defizit von 816 Mio Fr. zu rechnen sei. Als problematisch wird darin die Ausgabendynamik beurteilt, welche mit einem Zuwachs von durchschnittlich 5,3% das Einnahmenwachstum von ca. 4,9% übertreffen wird. Diese Haushaltsperspektive sieht ein Ausgabenwachstum vor, welches knapp über der angenommenen Wirtschaftsentwicklung liegt; somit wird sich die Staatsquote zumindest bis 1992 auf 10,5% erhöhen, danach sollte sie bis 1994 auf 10,2% sinken. Ebenso wird eine leichte Erhöhung der Steuerquote (Verhältnis zwischen Fiskaleinnahmen und BIP) angenommen [27].
 
[20] Im Berichtsjahr kam erstmals die verbesserte Rechnungsdarstellung zum Zug; vgl. Bericht des Bundesrates über die Anpassung der Bundesbilanz an die verbesserte Rechnungsdarstellung, Bern 1990; SPJ 1989, S. 118.
[21] Botschaft zum Voranschlag 1991 und Bericht zum Finanzplan 1992-94, Bern 1990, S. 10 ff. Zur Sparmotion siehe SPJ 1989, S. 124 und Amtl. Bull. SIR, 1990, S. 374 (der StR lehnte hingegen die zweite Motion des NR, welche verlangte, diese Vorgaben im Vierjahresschnitt zu erreichen, ab).
[22] NZZ, 26.10., 10.11. (NR) und 21.11.90 (StR).
[23] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2058 ff., 2079 ff., 2113 ff., 2277 ff. und 2304 ff.; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 994 ff., 1013 ff. und 1065 f. Vgl. auch oben, Teil 1, 4a (Strukturpolitik) für Berggebietshilfe und unten, Teil I, 6b (Constructions routières).
[24] BBI, 1990, S. 1805 ff.
[25] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2145 ff. Der StR hatte diese Motion mit klarem Mehr überwiesen (Amtl. Bull. StR, 1990, S. 1025). Zur Sparmotion vgl. SPJ 1989, S. 124.
[26] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2148.
[27] Botschaft zum Voranschlag 1991 und Bericht zum Finanzplan 1992-94, 1990, S. 101 ff.; Presse vom 17.10.90.