Année politique Suisse 1990 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Mietwesen
In der Frühjahrssession verabschiedete der Ständerat einstimmig das von der Landesregierung 1989 vorgelegte Bundesgesetz über die Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten. In der Beratung konnte sich allerdings der Antrag einer von Danioth (cvp, UR) vertretenen Minderheit durchsetzen, welcher im Gegensatz zu der Fassung des Bundesrates die Förderung von Ergänzungsbauten mit höchstens zwei Wohnungen ermöglicht, wenn die räumlichen Verhältnisse oder die Kostengründe eine Erweiterung der bestehenden Wohnung nicht zulassen. Diese Fassung trägt den Bedürfnissen der Bewohner von Miet- oder Eigentumswohnungen stärker Rechnung. Der Nationalrat schloss sich diesem Entscheid an [26] .
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Neues Miet- und Pachtrecht
Kurz vor Inkrafttreten des neuen Mietund Pachtrechts schlossen die Mieter- und Vermieterverbände der französischen Schweiz ASLOCA romande bzw. Fédération romande immobilière (FRI) sowie Union romande des gérants et courtiers en immeubles (URGCI) – einen Rahmenvertrag über die Mietverhältnisse. Für eine Dauer von sechs Jahren geschlossen, kann der Vertrag danach stillschweigend wieder erneuert werden. Wenn sich auch beide Seiten über die Auswirkungen dieses Vertrages keinen Illusionen hingeben – betrifft er doch allein die unterzeichnenden Parteien –, so wird damit doch erstmals ein gemeinsamer Weg beschritten, wie er vom Bundesamt für Wohnungswesen im März dieses Jahres durch die Vermittlung gemeinsamer Gespräche zwischen Mieter- und Vermieterverbänden gebahnt worden war [27].
Am 1. Juli trat das neue Miet- und Pachtrecht sowie die Verordnung über Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen in Kraft, nachdem der Hauseigentümerverband darauf verzichtet hatte, das Gesetz mittels des Referendums zu bekämpfen [28].. Die in dem neuen Recht vorgeschlagenen Massnahmen zur Dämpfung der Hypothekarzinserhöhungen genügten freilich den Sozialdemokraten nicht. In einer Motion aus dem Jahre 1989 hatte Nationalrat Rechsteiner (sp, SG) die Ausarbeitung eines dringlichen Bundesbeschlusses für die Einführung einer Mietzinskontrolle auf der Basis der Kostenmiete und unter Ausschluss übersetzter Anlagekosten gefordert. Mietzinserhöhungen sollten dabei nur aufgrund der tatsächlichen und ausgewiesenen Kosten zulässig, die Verzinsung des Eigenkapitals auf den Zinssatz der ersten Hypothek zu beschränken sein sowie die Uberwälzung der Anlagekosten höchstens bis zum zulässigen Ertragswert erlaubt werden. Eine Entkoppelung des Miet- vom Hypothekarzins verlangten dagegen Ziegler (sp, GE) und Leuenberger (sp, ZH). Ersterer hatte in seiner Motion postuliert, den Hypothekarzins während eines Jahres nicht auf den Mietzins zu überwälzen, falls jener 5,5% übersteige. Leuenberger hatte dagegen gefordert, Mietzinserhöhungen, die mit einer Erhöhung des Zinssatzes auf Althypotheken begründet sind, während zweier Jahre zu untersagen, sofern der Zinssatz 6% übersteige. Eine Mehrheit erhielt im Rat allerdings keine der Motionen; die Vorstösse Zieglers und Leuenbergers, welche der Bundesrat noch als Postulate entgegenzunehmen bereit gewesen wäre, wurden auf Antrag von freisinniger bzw. liberaler Seite selbst in dieser Form abgelehnt [29].
Grösserer Erfolg war einer Motion der FDP-Fraktion beschieden, welche unter dem nämlichen Titel der Entkoppelung von Miet- und Hypothekarzins die Einführung der Marktmiete erstrebt. Dabei sollten die durch die Kostenmiete bestehenden Einschränkungen nach und nach aufgehoben und durch eine stärkere Ausrichtung auf Marktmechanismen im Bereich des Wohnungsmarktes ersetzt werden. Den auch von der Motionärin eingestandenen•daraus entstehenden sozialen Härtefällen sollte durch ein Sozialprogramm Rechnung getragen werden, was die Kritik der Sozialdemokraten hervorrief, welche darin die Finanzierung individueller Bereicherung durch die Öffentlichkeit sahen. Aus diesem Grunde forderte Leuenberger (sp, ZH) die generelle Ablehnung der Motion. Im Sinne des Bundesrates hiess sie der Rat jedoch als Postulat gut [30].
Gutgeheissen wurde ebenfalls ein Postulat des Christlichdemokraten Widrig (SG), welches nicht nur in seiner eigenen, sondern in allen bürgerlichen Parteien breite Unterstützung gefunden hatte. Widrig schlug darin dem Bundesrat vor, die Verbriefung von Hypothekaranlagen zu prüfen und durch die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse, wie die Abschaffung der Stempelsteuer oder eine Reduktion der Verrechnungssteuer, den Erwerb von Wohneigentum zu fördern [31].
Eine fraktionell ebenfalls breit gestreute Unterstützung sowie die Solidarität unter den Vertretern der Romandie verhalf auch einer Standesinitiative des Kantons Genf im Ständerat zum Erfolg. In Anlehnung an eine im letzten Jahr von beiden Räten überwiesene Motion wurde darin in zwei Punkten verlangt, Rahmenmietverträge zwischen Mieter- und Vermieterverbänden für allgemeinverbindlich erklären zu lassen sowie gesetzliche Bestimmungen zu erlassen, wonach es möglich würde, als Bezugsgrösse einen dem Durchschnitt von fünf Jahren entsprechenden Hypothekarzins festzulegen, der durch einen kantonalen, regionalen oder nationalen Rahmenvertrag geändert werden kann. Entgegen dem Willen der Mehrheit der vorberatenden Kommission wurde die Standesinitiative vom Plenum mit 15 gegen 10 Stimmen angenommen [32].
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Massnahmen gegen die Teuerung im Bereich der Hypothekarzinsen
Im Herbst nahm der Bundesrat die Anliegen der obenstehenden Vorstösse selber auf, indem er sich entschloss, Massnahmen zur Teuerungsbekämpfung im Bereich der Hypothekarzinsen zu ergreifen. Vorausgegangen war diesem Entschluss eine erneute Anhebung der Zinssätze für Althypotheken — die vierte seit 1989 —, welche in weiten Kreisen, bis hinein in bürgerliche Parteien, sehr negative Meinungsäusserungen hervorgerufen und die der Bundesrat explizit zum Anlass seiner Massnahmen genommen hatte. Damit war der Hypothekarzinssatz innerhalb zweier Jahre um 40% gestiegen. Sorgen bereitete dem Bundesrat allerdings vor allem die Kurzfristigkeit der Ereignisse, welche die Anpassungsfähigkeit des Systems teilweise überfordere und unerwünschte Inflationsschübe verursache. In seiner Botschaft vom 10. September schlug er daher vor, durch einen dringlichen Bundesbeschluss für drei Jahre die Preisüberwachung für Hypothekarzinsen einzuführen [33].
Die vorgeschlagene Massnahme stützt sich auf Artikel 31 quinquies Absätze 1 und 2 BV. Danach kann der Bund im Geld- und Kreditwesen die Handels- und Gewerbefreiheit beschränkende Massnahmen treffen, welche insbesondere der Teuerungsbekämpfung zu dienen haben. Da die Landesregierung einen solchen Eingriff jedoch als erheblich betrachtete, befristete sie die Massnahmen auf höchstens drei Jahre. Kurzfristiges, rasches Handeln war andererseits auch aufgrund der sich verschärfenden Lage auf dem Wohnungsmarkt angezeigt, weshalb die vorgesehenen Massnahmen als dringlich veranschlagt wurden. Ihre Ausführung ist dem Preisüberwacher übertragen. Dabei sollen sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des Preisüberwachungsgesetzes gelten. Anders als bei diesem sollte der Missbrauch jedoch nicht nach wettbewerbs-, sondern nach konjunkturpolitischen Gesichtspunkten erfasst werden [34].
Kurz vor Erlass der Botschaft hatte der Bundesrat alle interessierten Seiten zu einer konferenziellen Anhörung zusammengerufen. Diese ergab bei den Banken, der Bauwirtschaft und den Immobilienkreisen eine negative Resonanz, während die Hauseigentümer der Hypothekarzinsüberwachung mit Vorbehalten, die Mieterverbände dagegen grundsätzlich zustimmten. Von den vertretenen Parteien äusserten sich die SVP, die LP und die AP negativ, während die FDP starke Bedenken zeigte; einzig die SP befürwortete die Vorlage generell [35].
Die Beratungen des Nationalrats zeigten deutlich, wie umstritten der Bundesbeschluss unter den Volksvertretern war. Dem Eintretensantrag der Kommission stand ein von freisinnigen und SVP-Vertretern getragener Minderheitsantrag auf Nichteintreten sowie nicht weniger als drei Eventualanträge, welche im Falle des Eintretens eine Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat verlangten, gegenüber. Die Abstimmung vom folgenden Tage — über 40 Abgeordnete hatten unterdessen das Wort ergriffen — erbrachte jedoch eine Mehrheit für die Aufnahme der Detailberatung. In dieser hatte der Rat zunächst darüber zu befinden, ob die Hypothekarzinsen der konjunkturellen Preisüberwachung zu unterstellen seien, wie es der Bundesrat und eine rot-grüne Minderheit der vorberatenden Kommission gefordert hatten, oder der wettbewerbspolitischen, nach welcher die Kommissionsmehrheit verlangte. Die unter Namensaufruf durchgeführte Abstimmung erbrachte eine Mehrheit von 115 gegen 71 Stimmen für die wettbewerbspolitische Preisüberwachung. In der ebenfalls unter Namensaufruf durchgeführten Gesamtabstimmung wurde der Bundesbeschluss von 120 Abgeordneten angenommen, 47 stimmten dagegen und fünf enthielten sich der Stimme [36].
Die tags darauf angesetzte Beratung des Ständerats erbrachte etwa die gleichen parteipolitischen Fronten wie im Nationalrat. Auch hier wandten sich fast ausschliesslich freisinnige und liberale Parlamentarier gegen ein Eintreten, wobei neben der mangelnden Marktverträglichkeit der Vorlage auch das von Konjunkturforschern, dem Baugewerbe und den Banken unterstützte Argument vorgebracht wurde, dass der Gesetzesbeschluss in der vorliegenden Form so gut wie nichts zur Förderung des Wohnungsbaues bewirke. Entgegen dem von Reymond (lp, VD) vorgetragenen Minderheitsantrag beschloss der Rat jedoch mit 24 gegen 14 Stimmen, die Vorlage zu behandeln. Genau wie in der grossen Kammer vermochte sich dann freilich auch im Ständerat die konjunkturpolitische Preisüberwachung nicht durchzusetzen. Mit deutlicher Mehrheit – 25 gegen 6 – wurde ein entsprechender Antrag der Sozialdemokraten verworfen [37] .
Sowohl die Anfügung der Dringlichkeitsklausel, wie auch die Schlussabstimmung, war in beiden Räten nurmehr Formsache. Die zum Beschluss der Dringlichkeit notwendige qualifizierte Mehrheit wurde im Nationalrat mit 117 gegen 14, im Ständerat mit 29 Stimmen durch Einstimmigkeit errreicht. In den Schlussabstimmungen passierte der Bundesbeschluss im Nationalrat mit 104 gegen 36 Stimmen und im Ständerat mit einer Mehrheit von 26 zu 13 [38] .
Als Ergänzung der bundesrätlichen Massnahmen gegen die Teuerung im Bereich der Hypothekarzinsen hatte die Kommission des Ständerats den Entwurf zu einer parlamentarischen Initiative für die Förderung kantonaler Miet- und Hypothekarzinszuschüsse erarbeitet. Diese wurde gemeinsam mit dem Bundesbeschluss dem Plenum zur Kenntnissnahme vorgelegt. Laut dieser Initiative unterstützt der Bund diejenigen Kantone, welche Mietern oder Eigenheimbesitzern Zuschüsse zur Linderung einer übermässigen Belastung gewähren. Eine solche liege vor, wenn die Jahresmiete ohne Nebenkosten 30% oder der jährliche Hypothekarzins 35% eines als massgeblich betrachteten Maximaleinkommens von 40 000 Fr. übersteigt. Die Vorlage wurde im November in die Vernehmlassung geschickt. Kritisiert wurde bereits, dass das massgebliche Einkommen von 40 000 Fr. zu tief angesetzt sei, um wirksam Hilfe leisten zu können [39] .
Im Dezember legte die Kommission dann die parallel zu ihrer Initiative ausgearbeiteten Vorschläge, welche vor der Verabschiedung des dringlichen Bundesbeschlusses nicht mehr hatten bereinigt werden können, in Form einer Motion vor. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, dem Parlament eine Vorlage hinsichtlich der Finanzierung von Hypotheken zu unterbreiten. In sie sollten insbesondere Vorschläge für eine Sicherung der Refinanzierung von Hypotheken, für Sparanreize, vor allem durch eine steuerliche Privilegierung der Spargeldzinsen, für flexiblere Anlagevorschriften der zweiten Säule, besonders die Anlagemöglichkeiten der Pensionskassen betreffend, sowie für die Amortisationspflicht der Hypothekarschulden Eingang finden. Den deutlichen Willen des Rates, in dieser Frage zwingende Schritte zu unternehmen, bekam auch Bundesrat Delamuraz zu spüren, welcher die Motion lieber als Empfehlungen in Postulatsform entgegengenommen hätte. Einstimmig fegte der Rat bei der Abstimmung seinen Wunsch hinweg [40] .
 
[26] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 82 ff. und 857; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1395 ff. und 1966. Vgl. SPJ 1989, S. 164.
[27] Presse vom 27.6.90.
[28] Inkrafttreten: Presse vom 10.5.90. Vgl. SPJ 1989, S. 167 f. Hauseigentümer: NZZ, 29.1.90. Vgl. auch Presse vom 19.1.90.
[29] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1849 ff. (Rechsteiner), 1851 f. (Ziegler) und 1853 ff. (Leuenberger).
[30] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1855 ff.
[31] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2446.
[32] Amtl. Bull. SIR, 1990, S. 1063 ff.
[33] BBl, 1990, III, S. 413 und 416; Presse vom 24.8.90. Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik) und 4b (Geld- und Kapitalmarkt).
[34] BB!, 1990, III, S. 405 ff.
[35] BBI, 1990, III, S. 416.
[36] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1728 ff. und 1776 ff.
[37] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 815 ff. Banken und Baugewerbe: TA, 11.12.90.
[38] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1859 und 1967; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 856 und 858.
[39] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 832 f.; NZZ, 27.11.90 (Vemehmlassung); TW, 27.11.90 (Kritik). Vgl. dazu die Ausführungen des Kommissionspräsidenten Zimmerli (svp, BE) in Amtl. Bull. StR, 1990, S. 816. Zimmerli zog seine überflüssig gewordene inhaltlich entsprechende Motion zurück (Amtl. Bull. StR, 1990, S. 1070).
[40] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 1069 f. Vgl. dazu auch die von der FDP-Fraktion im Nationalrat eingereichte Interpellation: Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1847 ff.