Année politique Suisse 1990 : Politique sociale / Population et travail
 
Arbeitswelt
Zu Beginn der achtziger Jahre beauftragte der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds mit der Erarbeitung und Durchführung eines Nationalen Forschungsprogramms (NFP 15) "Arbeitswelt: Humanisierung und technologische Entwicklung". Insgesamt wurde ein Betrag von 5 Mio Fr. zur Verfügung gestellt, der zwischen 1983 und 1989 die Realisierung von 20 Forschungsprojekten in fünf Schwerpunktbereichen ermöglichte. In ihrem Schlussbericht kamen die Forscher zum Schluss, dass Schweizer und Schweizerinnen gerne arbeiten, und die Arbeit für sie bei aller Diskussion um den Wertwandel nach wie vor wichtig ist, dass aber ihre Loyalität einem Patron oder einer Organisation gegenüber nicht mehr so uneingeschränkt ist wie früher. Der Wunsch der Arbeitnehmer nach grösserer Zeitautonomie kam in den Untersuchungen klar zum Ausdruck, ebenfalls die Möglichkeit, durch die Einführung neuer Technologien diesem Bedürfnis vermehrt entgegenzukommen. Nur wenige Betriebe zeigten sich aber bisher gewillt, hier Pionierarbeit zu leisten. Insgesamt wurde deutlich, dass die gegenwärtigen Veränderungen in der Arbeitswelt nicht nur technisch-organisatorische Problemstellungen sind, sondern auch soziale Innovation und neue Denkmuster erfordern [3].
Wie die Beschäftigten ihre eigene Arbeit empfinden, was sie bei ihrer Arbeit stört und welche Aspekte des Berufslebens für sie am wichtigsten sind, ging aus einer vom Biga veröffentlichten Repräsentativbefragung hervor. Unter 60 möglichen Störfaktoren nannte jeder dritte Erwerbstätige Lärm und zu wenig Zeit für Familie und Freunde. Jeweils jeder vierte bis fünfte beklagte sich über schlechte Luft, Zugluft, unangenehme Temperatur, zu hohe körperliche Beanspruchung, dauerndes Stehen, zu viel Uberzeitarbeit, unpassende Arbeitszeiten, ferner auch über Zeitdruck, zu starke Anforderungen an die Konzentration, Verantwortungsdruck, Erfolgszwang und mangelnde Anerkennung. Von jedem sechsten bis siebten Arbeitnehmer wurden dauerndes Sitzen, ungenügende Beleuchtung, Schmutz, unbefriedigende Ferienregelung sowie Sonntagsarbeit bzw. Arbeit am Samstagnachmittag beanstandet.
Bei der Beurteilung der eigenen Berufsarbeit überwogen indessen sehr deutlich die positiven Wertungen wie abwechslungsreich, interessant und persönlich befriedigend. Negative Beurteilungen wie abstumpfend oder eintönig wurden nur selten angegeben, etwas häufiger die Prädikate nervenaufreibend, stark ermüdend und anstrengend für die Augen. Als Faktoren des Berufslebens, auf welche die Befragten den grössten Wert legten, rangierten Anliegen wie interessanter Arbeitsinhalt, gute zwischenmenschliche Beziehungen, Schutz der Gesundheit und gute Arbeitsorganisation weit vor möglichst kurzer Arbeitszeit, guten Aufstiegschancen, viel Ferien, Mitbestimmung im Betrieb und sogar auch vor möglichst guter Besoldung [4].
 
[3] Lit. Alioth / Iten.
[4] Lit. Buchberger; J. Buchberger, "Arbeit und Gesundheit aus der Sicht der Erwerbstätigen", in Die Volkswirtschaft, 64/1991, Nr. 1, S. 19 ff. (Zusammenfassung der Studie). Für die Ergebnisse einer ähnlichen Befragung im grafischen Gewerbe, siehe Bund und TW, 5.12.90.