Année politique Suisse 1990 : Politique sociale / Population et travail
 
Gesamtarbeitsverträge
Der wichtigste im Berichtsjahr erneuerte Gesamtarbeitsvertrag (GAV) war zweifellos der Landesmantelvertrag, den die Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) und der Schweizerische Baumeisterverband für das Bauhauptgewerbe abschlossen. Obgleich sich die Arbeitgeber in einzeln Punkten (Lehrlingsferien, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) unnachgiebig zeigten, konnte der neue Vertrag als Erfolg für die Arbeitnehmer und die Gewerkschaft gewertet werden. Substantielle Errungenschaften waren bei der gestaffelten Erhöhung der Reallöhne und bei der schrittweisen Reduktion der Arbeitszeit zu verzeichnen [17].
Weitere GAV konnten unter anderem in der Schuh- und der Textilindustrie sowie in der Schokoladeproduktion abgeschlossen werden, während die Lithographen und die Schreiner das neue Jahr in vertragslosem Zustand beginnen mussten. Im Buchbindergewerbe unternahm die Frauenkommission der Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) rechtliche Schritt gegen die eigene Gewerkschaft, da diese einem GAV zustimmen wollte, welcher unterschiedliche Mindestlöhne für Frauen und Männer vorsieht [18].
Drei Jahre vor Ablauf des geltenden Friedensabkommens veröffentlichte der Arbeitgeberverband der Schweizer Maschinen- und Metallindustrie (AMS) seine Vorstellungen von dessen Erneuerung. Er regte an, die Verhandlungen rationeller zu gestalten, den Vertrag nicht mehr zu befristen und neue Themen wie die Arbeitsgestaltung zu behandeln, die quantitativen Fragen (Löhne, Arbeitszeit, Sozialversicherungen etc.) hingegen den einzelnen Betriebskommissionen zu überlassen. Die Gewerkschaften kritisierten das einseitige Vorprellen der Arbeitnehmer. Sie zeigten sich zwar bereit, neue Themen in die Diskussionen einzubeziehen, lehnten aber jede Verwässerung des GAV ab und wehrten sich gegen einen 'Arbeitsfrieden zum Nulltarif [19].
 
[17] NZZ, 10.5., 17.11. und 26.11.90; FOBB, 4.12. und 11.12.90.
[18] NZZ, 14.4. und 20.11.90; Suisse, 5.7.90; SN, 10.11.90; Vat., 27.11.90; TW, 18.12.90. Für die GDP-Frauen siehe unten, Teil I, 7d (Stellung der Frau).
[19] Presse vom 4.7. und 6.7.90.