Année politique Suisse 1990 : Politique sociale / Groupes sociaux / Stellung der Frau
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Politische Vertretung
Die erneute Ablehnung des Frauenstimmrechts in der Landsgemeinde von Appenzell-Innerrhoden, die damit verbundenen parlamentarischen Vorstösse auf eidgenössischer Ebene und das abschliessende Urteil des Bundesgerichtes werden an anderer Stelle behandelt (oben, Teil I, 1b, Stimm- und Wahlrecht).
In der Frage, welche Strategien entwickelt werden müssen, um den Frauenanteil in den politischen Gremien zu erhöhen, nimmt die Diskussion um eine Quotenregelung einen immer breiteren Platz ein. Für die einen ist sie die einzig erfolgversprechende Form einer konsequenten Frauenförderung, für die anderen eine krasse Missachtung der demokratischen Spielregeln, wobei die Gegner vielfach übersehen, dass Quoten in der Schweiz gerade im politischen Bereich Tradition haben. Am bekanntesten dürften dabei gewisse regionale Minderheitenquoten sein wie etwa die Bestimmung, dass dem Berner Jura ein Sitz in der kantonalen Exekutive garantiert ist [48].
Zwei Varianten der Quotenregelung scheinen sich anzubieten. Die gemässigtere setzt bei den Parteien an, die ermuntert werden, den Frauen auf den Wahllisten mehr Platz einzuräumen. Diesen Weg über das freiwillige Engagement möchte vorerst die Eidg. Kommission für Frauenfragen gehen, die in einem umfangreichen Bericht ("Nehmen Sie Platz, Madame") zum Schluss kam, der Hauptgrund für die Untervertretung der Frauen liege im Auswahlverfahren der Parteien. Als weiteren Grund nannte sie das Verhalten der Wählerinnen und Wähler und erst an dritter Stelle die Schwierigkeit, geeignete Kandidatinnen zu finden. Die Kommission appellierte deshalb an die Parteien, Frauen vermehrt in guter Position auf die Wahllisten zu setzen. Sollte der Frauenanteil bei den Wahlen von 1991 nicht auf mindestens 30% ansteigen, will sie eine strengere Form der Quotierung ins Auge fassen [49].
Die zweite, radikalere Form der Quotenregelung sieht eine Quotierung der Gremien vor. Hier setzen zwei im Nationalrat in der Form der allgemeinen Anregung eingereichte parlamentarische Initiativen ein: diejenige der SP-Fraktion, die erreichen möchte, dass bis zum Jahr 2003 kein Geschlecht mehr mit weniger als 40% im Nationalrat vertreten sein darf, und jene der grünen Abgeordneten Leutenegger Oberholzer (BL), die bis zum Jahr 2001 ebenfalls eine Mindestquote von 40% Frauen in allen wichtigen eidgenössischen Gremien (Parlament, Bundesrat, Bundesgericht) anstrebt. In dieselbe Richtung weisen auch zwei Volksinitiativen. Die PdA lancierte im Sommer unter dem Titel "Männer und Frauen" ein ausformuliertes Volksbegehren mit dem Inhalt, dass nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren in allen politischen Behörden mit fünf Mitgliedern oder mehr mindestens 40% Frauen vertreten sein müssen. Im Herbst wurde bekannt, dass sich verschiedene frauenpolitische Gruppierungen zusammentun wollen, um unter dem Titel "Nationalrat 2000" eine Initiative zu lancieren, die eine hälftige Vertretung der Geschlechter in der Grossen Kammer anvisiert [50].
Eine weitere Möglichkeit, die politische Betätigung von Frauen aktiv zu fördern, könnte in der Bildung eigentlicher Frauenparteien bestehen. In Luzern agiert seit einigen Jahren eine Unabhängige Frauenliste (UFL), und bei den Stadtratswahlen in Zürich erkämpfte eine unabhängige Frauenliste "Frauen-macht-Politik" (FRAP) drei Sitze. Aber auch über die Parteien hinaus versuchten die Frauen, gemeinsame Politik zu betreiben. So fand der Vorschlag von Nationalrätin Monika Stocker (gp, ZH), für das Jubiläumsjahr eine besondere Frauensession zu planen, sehr schnell Unterstützung weit über die Parteigrenzen hinaus. Dass dieses weibliche Zusammengehen den Männern nicht unbedingt genehm ist, zeigte sich in Biel, wo die Frauen aller Parteien eine eigene Frauenfraktion bilden wollten, dann aber von ihren männlichen Stadtratskollegen zurückgebunden wurden [51].
 
[48] SZ, 18.7.90.
[49] Lit. Eidg. Kommission; Presse vom 1.6.90. Das Gleichstellungsbüro des Kantons Jura rief ebenfalls die Parteien auf, freiwillig eine Quotierung vorzunehmen (JdG, 6.7.90).
[50] Verhandl. B.vers., 1990, V, S. (Nr. 83/84). "Frauen und Männer": BBI, 1990, III, S. 171; für eine gleichzeitig von der PdA lancierte Initiative "Gleiche Rechte in der Sozialversicherung" siehe oben, Teil I, 7c (Grundsatzfragen). "Nationalrat 2000": Presse vom 18.9.90. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1e, Einleitung, und Lit. Stämpfli / Longchamp.
[51] Frauenparteien: S. Ricci-Lempen, "Politique: les sous-marins du féminisme", in Femmes suisses, 1990, Nr. 1, S. 12 f.; F. Greising, "Zwei Jahre Unabhängige Frauenliste Luzern", in Frauenfragen, 1990, Nr. 1, S. 30 ff.; siehe auch oben, Teil I, 1e (Kommunale Wahlen) und SPJ 1989, S. 243. Frauensession 1991: Presse vom 6.11.90; Frauenfraktion Biel: BZ, 24.1., 16.6. und 28.8.90.