Année politique Suisse 1990 : Politique sociale / Groupes sociaux / Stellung der Frau
print
Arbeitswelt
Da Frauen besonders in Kaderpositionen nach wie vor krass untervertreten sind, wird auch hier die Möglichkeit einer Quotierung zur Diskussion gestellt. Aufgrund seiner Grösse und der Nähe zum Gesetzgeber würde sich der Sektor der öffentlichen Verwaltung besonders dafür eignen, hier ein Exempel zu statuieren. Versuche aus dem grünen Lager, bei der Revision des Beamtengesetzes des Bundes die Bestimmung einzuführen, der Anteil der Frauen in den Überklassen – heute nur gerade 3% – müsse bis zum Jahr 2001 auf mindestens 40% erhöht werden, wurde mit dem klassischen Argument, dass sich nicht genügend gut ausgebildete Frauen finden liessen, zurückgewiesen. Die Verfechter des Antrags hatten vergeblich daran erinnert, dass die Bundesverwaltung seit Jahren schon Zielquoten für die sprachlichen Minderheiten kennt und zu deren Durchsetzung sogar das Instrument der bevorzugten Einstellung von Vertreterinnen und Vertretern dieser Minderheiten einsetzen darf [52].
Ein Ziel des vom Parlament im März verabschiedeten Impulsprogramms Weiterbildung ist die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen. Unter Federführung des Biga wurde ein Bericht über die spezifische Situation erwerbstätiger Frauen erstellt. Die Autorin kam darin zum Schluss, dass alle Bemühungen um eine frauenfreundliche Weiterbildung nur dann Erfolg hätten, wenn gleichzeitig die unerlässlichen flankierenden Massnahmen sowie eine Uberprüfung der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen in die Wege geleitet würden [53].
Das vom Bundesrat in Aussicht gestellte Gesetz für Lohngleichheit liess weiter auf sich warten. Schuld für die Verzögerung war offenbar der Widerstand einiger Kantone und vor allem der Arbeitgeberorganisationen gegen einzelne der geplanten Massnahmen. Angefochten wurden namentlich der Kündigungsschutz während einer Lohnklage sowie das Diskriminierungsverbot. Diese Opposition veranlasste den Bundesrat, eine zusätzliche Untersuchung über die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser umstrittenen Punkte anzuordnen. Das langsame Vorankommen bewog einzelne Nationalrätinnen, durch die Einreichung von parlamentarischen Initiativen Druck aufzusetzen und zu signalisieren, dass bei einem unbefriedigenden Ausgang durchaus auch das Parlament gesetzgeberisch tätig werden könnte. Der Vorstoss Hafner (sp, SH) enthält die wichtigsten Punkte, die sich die Frauen vom künftigen Gesetz erhoffen. Die bereits im Vorjahr eingereichte Initiative Nabholz (fdp, ZH) möchte in einem ersten Schritt die Umkehr der Beweislast bei vermuteter Lohndiskriminierung erreichen; Ende Jahr stimmte die vorberatende Kommission dieser Initiative einstimmig zu [54].
Erstmals konnte auch eine gewisse Zunahme bei den Lohngleichheitsklagen festgestellt werden. Diese endeten allerdings mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Während die Zürcher Krankenschwestern nach jahrelangem Kampf zu einem grossen Teil recht bekamen, blitzten die Berner Arbeitslehrerinnen und die Basler Kindergärtnerinnen vor Verwaltungsgericht ab. Besonders beachtet wurde eine Lohngleichheitsklage, welche die Frauen der Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) anstrengten, da sich diese nicht gegen einen Arbeitgeber richtete, sondern gegen die Gewerkschaft, die sich bereit erklärt hatte, im neu ausgehandelten Gesamtarbeitsvertrag für die Buchbinderbranche unterschiedlichen Mindestlöhnen für Männer und Frauen zuzustimmen. Dabei erhielten die GDP-Frauen auch Schützenhilfe aus dem Bundeshaus: In Beantwortung einer Petition, die sie an die Landesregierung gerichtet hatten, stellte Bundespräsident Koller zwar fest, dass er keinen Einfluss auf die Unterzeichnung von Gesamtarbeitsverträgen nehmen könne, bekräftigte aber, dass das Prinzip der Lohngleichheit zwingend sei und keine Abweichungen dulde [55].
Über die beabsichtigte Lockerung des Nachtarbeitsverbots für Frauen wird an anderer Stelle berichtet (oben, Teil I, 7a, Arbeitszeit), ebenso über die Stellung der Frauen in Bildung und Wissenschaft (unten, Teil I, 8a, Hochschulen und Forschung).
 
[52] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2037 f.; TA, 3.11.90; Bund, 28.11.90.
[53] Lit. Calonder Gerster; LNN, 11.8.90. Für die Weiterbildungsoffensive allgemein siehe unten, Teil I, 8a (Formation professionnelle).
[54] Bund, 3.11.90. Hafner: Verhandl. B. vers., 1990, V, S. 32. Nabholz: BZ, 12.1.90; NZZ, 6.9.90; siehe dazu auch SPJ 1989, S. 221 f.
[55] ZH: TA, 16.10. und 29.10.90. BE: Bund, 10.7.90. BS: Frauenfragen, 1990, Nr. 3, S. 81 und 1991, Nr. 1, S. 11 ff. GDP: WoZ, 9.2.90; Vr, 9.3.90; LNN, 24.3.90; TA, 27.3.90; TW, 8.9. und 15.11.90. BR: WoZ, 7.9.90. Bereits in der Fragestunde der Frühjahrssession hatte Koller die Auffassung vertreten, ein derartiger GAV wäre nichtig (Amtl. Bull. NR, 1990, S. 316).