Année politique Suisse 1990 : Politique sociale / Groupes sociaux
 
Jugendliche
Die Schweizer Jugendlichen sind zufrieden, haben strenge Moralvorstellungen, sind politisch uninteressiert, vertrauen aber den politischen und sozialen Institutionen. Zu diesem Ergebnis kam eine in privatem Auftrag erstellte Studie über das Wertsystem der jungen Schweizerinnen und Schweizer. Das allgemein vorherrschende Glücksgefühl lässt aber auch noch Wünschen Platz: So hoffen vorab die Deutschschweizer, dass ihre persönliche Entfaltung gefördert wird, während die Welschen und die Tessiner sich primär nach einem natürlicheren Leben sehnen [60] .
Die These von der zunehmenden politische Desinteressiertheit scheint hingegen für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) nicht zuzutreffen. An ihrer Delegiertenversammlung vom 11. März verlangte sie vom Bundesrat, die Konsequenzen aus der Fichenaffäre zu ziehen und gesamthaft zurückzutreten. Vertreten waren an dieser Versammlung rund 50 der über 80 Mitgliederorganisationen; einige, wie z.B. die Jungfreisinnigen distanzierten sich allerdings von dieser Forderung. Es war wohl dieses Vorprellen der SAJV, welches Nationalrat Leuba (lp, VD) bewog, in einer Interpellation die Subventionierung der Jugendorganisationen in Frage zu stellen. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die Meinungsfreiheit und erinnerte daran, dass den Jugendverbänden eine wichtige Aufgabe bei der staatsbürgerlichen Bildung der Jugendlichen zukommt [61] .
Die Regierung kam einem Wunsch der SAJV nach und wählte Nationalrätin Ursula Hafner (sp, SH) zur neuen Präsidentin der Eidgenössischen Jugendkommission. Sie trat die Nachfolge des freisinnigen Genfer Nationalrates Guy-Olivier Segond an, welcher die Kommission seit 1980 präsidiert hatte [62] .
Der Umbruch in den Ländern Osteuropas bringt auch den Schweizer Jugendlichen konkrete Vorteile: Die Durchführung von Jugendprojekten und damit die Zusammenarbeit zwischen Ost und West werden verstärkt. Das Eidg. Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) stellte erstmals einen Fonds von 1 Mio Franken, verteilt auf die nächsten drei Jahre, für Jugendprojekte mit osteuropäischen Partnern zur Verfügung. An der dritten Europäischen Jugendminister-Konferenz in Lissabon unterstützte die von Bundesrat Cotti angeführte Delegation das Projekt eines zweiten europäischen Jugendzentrums, das in Osteuropa errichtet werden soll. Wie im bestehenden Zentrum in Strassburg, das direkt vom Europarat finanziert wird, sollen dort Jugendleiter aus ganz Europa geschult werden. Neben dieser zentraler Jugendleiter-Ausbildung existiert auch ein Europäischer Jugendfonds, mit dem konkrete Projekte, Studien und Seminarien unterstützt werden. In einem überwiesenen Postulat Hafner (sp, SH) wird der Bundesrat ersucht, den freiwilligen Beitrag des Bundes an diesen Fonds von 1991 an allmählich auf 100 Prozent des obligatorischen Beitrags zu erhöhen [63] .
Die Revision des Sexualstrafrechts (Schutzalter, 'Jugendliebe') sowie die Bestrebungen um die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre werden an anderer Stelle behandelt (siehe oben, Teil I, lb, Stimm- und Wahlrecht und Rechtsordnung).
 
[60] Bund, TW und JdG, 17.10.90.
[61] NZZ, 12.3.90; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1297 f.
[62] Bund, 1.1.90; Presse vom 5.4.90.
[63] TA, 3.2.90; Vr, 8.6.90; BZ, 12.7.90; SN, 6.10.90; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2430 f.