Année politique Suisse 1991 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Die SVP verabschiedete an der Delegiertenversammlung in Freiburg vom 16. Februar ihr
Parteiprogramm 91. Im über 60 Seiten umfassenden Dokument wurden sämtliche für die SVP wesentlichen Politikbereiche abgehandelt, wobei sich die Partei in den Fragen der europäischen Integration sowie in der Aussen- und Sicherheitspolitik einen
grossen Interpretationsspielraum liess. Herausstechend war die Forderung nach einem Gemeinschaftsdienst für Männer und Frauen. In den Bereichen Asyl- und Ausländerpolitik und Drogen zeigte die SVP eine restriktive Haltung. In der Frauenpolitik konnten zwar das Lohngleichheitsgebot für Mann und Frau sowie ein gesetzliches Diskriminierungsverbot bei einer Mehrheit Gnade finden, eine Quotenregelung für die Besetzung von wichtigen Parteigremien wurde hingegen abgelehnt
[32].
Die Fragen zur Strukturanpassung der
Landwirtschaft im Umfeld eines sich wandelnden Europa und der GATT-Verhandlungen hatte die SVP bereits in einer Resolution zur künftigen Landwirtschaftspolitik, welche an der Delegiertenversammlung vom 19. Januar in Sissach (BL) verabschiedet wurde, aufgegriffen. Sie setzte sich darin für die Sicherstellung des bäuerlichen Einkommens, zugunsten einer bodenabhängigen, standort- und umweltgerechten landwirtschaftlichen Produktion, für die effiziente Nutzung der inländischen Produktionsmöglichkeiten, für die Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe sowie für die Abgeltung der multifunktionalen Leistungen der Landwirtschaft ein
[33].
An der SVP-Neujahrstagung sorgte die von Ständerat Zimmerli (BE) eingebrachte Forderung nach einem Institut für internationale Konfliktforschung in der Schweiz für Aufsehen. Er setzte damit einerseits ein Zeichen für die Öffnung der Partei, andererseits überraschte er das Publikùm mit der Idee einer nicht auf rein militärischer, sondern auch auf kultureller Basis gegründeten Konfliktforschungsidee
[34].
Bei den eidgenössischen Abstimungen unterstützte die SVP das Stimm- und Wahlrechtsalter 18, die Militärstrafgesetzreform sowie die Bundesfinanzreform; letztere wurde aber von den Kantonalsektionen Zürich, Bern, Freiburg und Tessin abgelehnt. Einig war sich die Partei in der Ablehnung der Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs. Die Jungpartei gab dagegen die Ja-Parole zur SBB-Initiative und die Nein-Parole zur Barras-Reform, welche ihr zuwenig weit ging, heraus
[35].
Im Wahlkampf wurde die
Asylpolitik zum Hauptthema; vor allem die
Zürcher Kantonalpartei prägte auf nationaler Ebene das Bild der Partei in der Öffentlichkeit. Dabei hatte die Petition der zürcherischen SVP, welche vom Bundesrat dringliche Massnahmen gegen den Zustrom von Asylbewerbern verlangte, einen wesentlichen Anteil. Die Ankündigung der Zürcher SVP, eine eidgenössische Volksinitiative gegen die illegale Einwanderung zu lancieren, stiess bei anderen Kantonalparteien auf Unverständnis. Im November gab der SVP-Zentralvorstand bekannt, dass er anfangs 1992 den Entwurf für eine moderatere, für alle Kantonalsektionen akzeptable Volksinitiative vorlegen werde. Der innere Zusammenhalt der Partei litt aber im Berichtsjahr zunehmend in verschiedenen Bereichen; die sich seit längerer Zeit abzeichnenden
Divergenzen zwischen der ca. 32 000 Mitglieder zählenden
bernischen Kantonalpartei und jener Zürichs, die im übrigen bei den kantonalen Wahlen sechs Sitze und knapp vier Wählerprozente zulegen konnte und auch bei den Nationalratswahlen mit zwei Sitzgewinnen sehr erfolgreich war, offenbarten sich namentlich in der Beurteilung der bundesrätlichen
Europapolitik. Während der zürcherische Flügel sich sowohl gegen den EWR als auch gegen einen EG-Beitritt stark machte, zeigte die Berner Kantonalpartei eine offenere Haltung. Auch die Junge SVP stellte sich gegen die Zürcher Sektion, indem sie sich grundsätzlich positiv zu einem EWR-Vertrag aussprach und den Beitritt der Schweiz zum IWF unterstützte
[36].
Die im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen von der Zürcher und der Thurgauer Sektion erwogene Listenverbindung zwischen SVP und Autopartei kam – zur Erleichterung der nationalen Parteileitung – nicht zustande. Ebenso wurde eine eventuelle Fraktionsgemeinschaft mit der populistischen Lega dei ticinesi von der Parteileitung abgelehnt. Vor den Wahlen kam es in den Kantonen Solothurn und Baselstadt zu Parteineugründungen; in Luzern fanden entsprechende Vorbereitungen statt
[37].
Bei den eidgenössischen
Wahlen hat die Partei ihr Ziel nur teilweise erreicht: Sie konnte zwar den Wähleranteil von 11 auf knapp 12% erhöhen, gewann aber keinen zusätzlichen Sitz und verharrte auf 25 resp. vier Mandaten im National- und Ständerat. Die SVP ist damit die einzige Regierungspartei, deren Wähleranteil heute höher ist als zum Zeitpunkt der Schaffung der "Zauberformel"; die übrigen Regierungsparteien haben seit 1959 zwischen 2,8 und 7,4 Prozentpunkte verloren
[38].
Die VOX-Analyse zeigte, dass die Wählerschaft der SVP zwar immer noch zu einem beträchtlichen Teil aus der
Landwirtschaft stammt, dass sie aber auch
jünger ist als diejenige der FDP und der CVP
[39].
[33] Presse vom 21.1.91; SVP-Pressedienst, 21.2.91.
[34] Presse vom 7.1.91; SVP ja, 7.2.91.
[35] Presse vom 21.1. und 22.4.91. Junge SVP: NZZ, 18.4.91. Zur Militärstrafgesetzreform hatten die zürcherische SVP, der die Reform zu weit ging, und die waadtländische Sektion auch eine abweichende Parole herausgegeben (24 Heures, 18.5.91; NZZ, 15.5.91).
[36] Wahlkampf: L'Hebdo, 6.6.91; LNN, 27.7.91. Petition: BZ, 4.6.91. Asylpolitik: TA, 9.8. und 21.11.91; SVP-Pressedienst, 16.9.91; Presse vom 11.10.91; LNN, 4.11.91; BaZ, 23.11.91; BüZ, 19.12.91. Europafrage: NZZ, 19.6.91; SGT, 13.7.91; BZ, 20.7.91; SVP-Pressedienst, 29.10. und 11.11.91. Junge SVP: NZZ, 5.11.91. Zum Präsidenten der Zürcher SVP, NR Blocher, vgl. auch L'Hebdo, 12.9.91.
[37] Listenverbindung: Blick, 10.7.91; SN, 10.8.91 (die unbedeutende Genfer SVP ging mit der AP eine Listenverbindung ein: JdG, 11.9. und 11.10.91). Fraktionsgemeinschaft: CdT, 4.6.91; SVP-Pressedienst, 4.11.91. Parteineugründungen: TA, 4.7.91; Vat., 6.7.91. LU: LNN, 26.7.91; LZ, 19.-21.12.91.
[38] NZZ, 17.5.91; SZ, 20.7.91; SVP-Pressedienst, 21.10.91; Bund, 26.10.91; SVP ja, 21.1 1.91. Vgl. auch oben, Teil I, 1e.
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