Année politique Suisse 1991 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
 
Arbeitnehmer
Der vom SGB initiierte gesamtschweizerische Frauenstreik vom 14. Juni wurde zu einer eindrücklichen Kundgebung für die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt. Nach Angaben der Organisatorinnen beteiligten sich rund 500 000 Frauen in der einen oder anderen Form an diesem Anlass [10].
Die Klage von 22 Gewerkschafterinnen gegen ihre eigene Gewerkschaft Druck und Papier wegen des Abschlusses eines Gesamtarbeitsvertrags, welcher für ungelernte Frauen tiefere Löhne als für Männer vorsah, war erfolgreich. Der Appellationshof des bernischen Obergerichtes erklärte die gewerkschaftliche Urabstimmung über den Gesamtarbeitsvertrag für ungültig, weil dieser gegen das in Artikel 4 BV festgelegte Lohngleichheitsprinzip verstösst [11].
Von den vier der Volksabstimmung unterbreiteten Vorlagen erhielten das Stimmrechtsalter 18, die LdU-Initiative für den öffentlichen Verkehr und die Finanzreform die Unterstützung sowohl des SGB als auch des CNG und der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA). Der SGB lehnte hingegen die Entkriminalisierung der Dienstverweigerung als zuwenig weit gehend ab; die VSA sprach sich dafür aus und der CNG verzichtete auf eine Parole [12]. Der SGB reichte die 1990 gemeinsam mit der SP lancierte Volksinitiative für einen Ausbau der AHV ein. Ebenfalls gemeinsam mit der SP ergriff er im Herbst das Referendum gegen die Revision des Stempelsteuergesetzes [13].
Nachdem sich die Delegierten des SGB bereits im Vorjahr positiv zu einem EG-Beitritt geäussert hatten, forderte der SGB im August den Bundesrat zur raschen Einreichung eines Beitrittgesuchs auf. Er drohte, dass er Ohne ein solches Gesuch den EWR-Vertrag nicht unterstützen werde. Auch die grösste Gewerkschaft des CNG, der Christliche Bau- und Holzarbeiterverband (CHB) forderte an seinem Kongress vom 7. September in Zürich die Einreichung eines Beitrittgesuchs [14].
Die Restrukturierungs- und Konzentrationsbestrebungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung wurden auch im Berichtsjahr fortgesetzt. In der graphischen Branche beschlossen die Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) und der Schweizerische Lithographenbund, mit der Bildung einer gemeinsamen Dachorganisation ihrer bisher losen Zusammenarbeit einen verbindlichen Rahmen zu geben [15]. Die Gewerkschaft Bau und Holz (GBH), mit mehr als 120 000 Mitgliedern grösste Einzelgewerkschaft im SGB, reagierte positiv auf die Fusionswünsche der Gewerkschaft Textil, Chemie, Papier (GTCP). Sie gab an ihrem Kongress im Oktober in Genf bekannt, dass sie sich spätestens 1993 mit der rund zehnmal kleineren GTCP zu einer neuen Gewerkschaft vereinigen wolle. Zum neuen Präsidenten wählte die GBH anstelle des altershalber zurücktretenden Roland Roost den Tessiner Vasco Pedrina [16].
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Mitgliederbewegung
Der konjunkturelle Einbruch hat den Gewerkschaften 1991 noch keinen Mitgliederzuwachs gebracht. Der Bestand des SGB reduzierte sich um 0,4% auf 442 314. Die im privaten Sektor tätigen Gewerkschaften des SGB mussten einen Rückgang um 4868 Mitglieder (-1,6%) in Kauf nehmen; betroffen davon war auch die in den letzten Jahren stetig expandierende GBH, welche aber mit 123 518 (-0,8%) Organisierten stärkste Einzelgewerkschaft blieb. Die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors konnten hingegen eine Zunahme um 3297 (+2,3%) verzeichnen; mehr als die Hälfte davon ging auf das Konto des Eisenbahner-Verbandes (+3,2%). Der VPOD, der sich im Herbst in mehreren Kantonen mit Kampf- und Protestaktionen für die Gewährung des vollen Teuerungsausgleichs engagiert hatte, wuchs bis Ende 1991 um 559 Mitglieder (+1,3%) [17].
Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) konnte sein starkes Wachstum des Vorjahres nicht wiederholen. Obwohl der Christliche Bau- und Holzarbeiterverband seine Mitgliederzahl um 386 auf 48 450 steigern konnte, ging der Gesamtbestand um 2218 (-1,9%) auf 114 264 zurück [18].
 
[10] Presse vom 13.6.-15.6.91. Siehe dazu oben, Teil I, 7d (Stellung der Frau). Vgl. auch SPJ 1990, S. 342.
[11] TA, 27.2.91. Vgl. auch oben, Teil I, 7d (Stellung der Frau/Arbeitswelt) sowie SPJ 1990, S. 342.
[12] NZZ, 22.1. (VSA), 26.1. (SGB) und 8.2.91 (CNG); JdG, 9.4.91 (SGB); NZZ, 29.5.91 (Parolenspiegel).
[13] Siehe dazu oben, Teil I, 7c (Alters- und Hinterbliebenenversicherung) resp. 4b (Banken).
[14] SGB: NZZ, 28.8.91; siehe auch SPJ 1990, S. 342. CHB: TA, 9.9.91.
[15] NZZ, 16.1.91.
[16] NZZ, 25.10., 26.10. und 28.10.91; Presse vom 26.10.91. Zu den Fusionswünschen der GCTP siehe SPJ 1990, S. 342. Zu Pedrina siehe TA, 25.10.91 und VO, 7.11.91.
[17] LNN, 23.3.92; SGB Pressedienst, 12, 2.4.92.
[18] NZZ, 20.7.92.