Année politique Suisse 1991 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Staatsschutz
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Staatsschutzgesetz
Bei der Beratung des Datenschutzgesetzes in der Sommersession hatte die Linke vergeblich gefordert, zumindest bis zum Vorliegen eines Staatsschutzgesetzes keine Ausnahmebestimmungen für die Datensammlungen der Staatsschutzorgane zu gewähren. Im Anschluss an diese Debatte überwies der Nationalrat eine im Vorjahr vom Ständerat überwiesene Motion Rüesch (fdp, SG) für ein derartiges Gesetz [26]. Der Bundesrat hatte aber bereits vorher gehandelt. Nachdem der im Vorjahr vorgestellte Entwurf für eine Verordnung in der Vernehmlassung auf grossen Widerstand gestossen war, beschloss er im April, darauf zu verzichten und das EJPD mit der Ausarbeitung eines Gesetzes zu beauftragen [27].
Ende September gab der Bundesrat den Vorentwurf für ein Staatsschutzgesetz in die Vernehmlassung. Das Projekt sieht vor, dass die Staatsschutzorgane das Sammeln und Auswerten von Informationen auf die Bekämpfung des Terrorismus, des verbotenen Nachrichtendienstes, des gewalttätigen Extremismus und des organisierten Verbrechens beschränken sollen. Mit einer besonderen Bestimmung soll garantiert werden, dass politische und gewerkschaftliche Tätigkeiten nicht mehr überwacht werden. Der Überwachungsauftrag soll vom Bundesrat durch eine regelmässig vorzunehmende Beurteilung der Bedrohungslage und durch eine sogenannte Positivliste, in welcher die zu observierenden Organisationen aufgeführt sind, präzisiert werden. Die Oberaufsicht über die Staatsschutztätigkeit wird von der vom Parlament in der Herbstsession beschlossenen Geschäftsprüfungsdelegation ausgeübt werden. Im organisatorischen Bereich sollen die staatsschützerischen Funktionen von der Bundesanwaltschaft getrennt und die damit beauftragte Bundespolizei ins Bundesamt für Polizeiwesen integriert werden [28].
Das Unterschriftensammeln für das Volksbegehren "S.o.S. — für eine Schweiz ohne Schnüffelpolizei" kam trotz breiter organisatorischer Abstützung schleppender voran als von den Initianten erwartet. Die Ende April 1990 lancierte Initiative konnte — statt wie ursprünglich angekündigt am 1. August 1990 — erst kurz vor Ablauf der Sammelfrist im Oktober 1991 mit 105 664 gültigen Unterschriften eingereicht werden [29].
 
[26] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 984 f.; SPJ 1990,S. 28. Zum Datenschutzgesetz siehe oben.
[27] Presse vom 18.4.91. Zur Verordnung siehe SPJ 1990, S. 28 f.
[28] Presse vom 1.10.91 (Gesetz); Presse vorn 21.11.91 (Reorganisation). Vgl. auch den Bericht der GPK zur Realisierung der Forderungen der Puk (BBl, 1992, 1, S. 309 ff.). Zur parlamentarischen Aufsicht siehe unten, Teil I, 1c (Parlament). Vgl. auch die Kritik in TA, 12.10.91.
[29] BBl, 1992, I, S. 39 ff.; WoZ, 4.10.91; Presse vom 15.10.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 29.