Année politique Suisse 1991 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
Politische Manifestationen
Der 1989 vom Nationalrat geforderte Extremismusbericht konnte auch 1991 noch nicht vorgelegt werden. Nachdem Bundesrat Koller einen ersten Entwurf der Bundesanwaltschaft als ungenügend taxiert und an den Solothurner alt Regierungsrat Rötheli (cvp) zur Überarbeitung gegeben hatte, musste auch diese Anfang November abgelieferte Fassung weiter bearbeitet werden. Sie soll dabei analog zu den Berichten des deutschen Verfassungsschutzes in einen Fakten- und einen Analyseteil gegliedert werden
[30].
Im Berichtsjahr nahm die Zahl der Brand- und Sprengstoffanschläge gegen Unterkünfte von Asylsuchenden nochmals zu
[31]. Der Wortführer der
rechtsextremen "Patriotischen Front ", Marcel Strebel, konnte bei den Nationalratswahlen im Kanton Schwyz einen überraschenden Erfolg verbuchen. Seine "Partei der Zukunft" erreichte einen Stimmenanteil von 6,4%. Weniger erfolgreich verlief Strebels Auseinandersetzung mit der Justiz. Das Zürcher Obergericht bestätigte das im Vorjahr gegen ihn ausgesprochene Urteil von einem Monat unbedingt wegen rassistischer Beschimpfung
[32].
Die grösste politische Demonstration fand 1991 am
Frauenstreiktag vom 14. Juni statt. Mehrere zehntausend Frauen gingen an diesem Tag in vielen Orten der Schweiz auf die Strasse; am besten besucht war die Kundgebung in Zürich mit rund 10 000 Demonstrantinnen
[33]. Die grösste Kundgebung an einem Ort war allerdings die nationale Demonstration gegen den Golfkrieg vom 26. Januar in Bern mit 15 000 Teilnehmenden. Der
Golfkrieg war denn auch dominierendes Thema bei den insgesamt 29 (inkl. 6 Kundgebungen zum Frauenstreik, 1.990:26) von uns verzeichneten Demonstrationen mit 1000 und mehr Beteiligten: zehn Grosskundgebungen — davon eine aus Protest gegen die Bombardierung Israels durch den Irak — fanden aus diesem Anlass statt. Zweithäufigstes Thema war der Bürgerkrieg in Jugoslawien: viermal waren es Kroaten, je einmal Albaner aus Kosovo bzw. Serben, welche für ihre Sache ,Grosskundgebungen durchführten. Zweimal in Bern und je einmal in Zürich und Freiburg versammelten sich mehr als tausend Staatsangestellte, um gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, insbesondere die Nichtgewährung des vollen Teuerungsausgleichs zu protestieren. Rund zwei Drittel dieser grossen Kundgebungen wurden in den Städten Bern und Zürich durchgeführt (je 9)
[34].
Das 1990 vom Basler Volk gutgeheissene
Vermummungsverbot für Demonstranten ist vom Bundesgericht als zulässig anerkannt worden. Dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerden wurden abgelehnt, insbesondere mit der Begründung, dass das Gesetz Ausnahmen zulasse, wenn diese — wie etwa bei einem Strassentheater — sinnvoll seien. Auch die Parlamente der Kantone Bern und Zürich hatten sich mit dieser Frage zu befassen. Der bernische Grosse Rat lehnte mit knappem Mehr einen Vorstoss für die Einführung eines entsprechenden Gesetzes ab. Mit dem Argument, dieses Verbot wäre in der Praxis schwer durchzusetzen, hatte sich auch die Regierung dagegen ausgesprochen. In Zürich überwies der Kantonsrat hingegen mit Zustimmung der Regierung ein SVP-Postulat für die Einführung eines Vermummungsverbots. Die Auto-Partei reichte im Kanton Zürich auch eine Volksinitiative für ein solches Verbot ein. In seiner Antwort auf eine Interpellation Hess (cvp, ZG) erklärte der Bundesrat, dass er nach wie vor nicht die Absicht habe, ein Vermummungsverbot auf nationaler Ebene zu beantragen
[35].
[30] BZ, 22.6.91 (1. Entwurf); TA, 27.12.91. Vgl. SPJ 1990, S. 29.
[31] Siehe dazu unten, Teil I, 7d (Ausländerpolitik/Fremdenfeindlichkeit) sowie Lit. Frischknecht.
[32] Wahlen: TA, 26.10.91. Urteil: NZZ und TA, 29.5.91. Vgl. SPJ 1990, S. 29.
[33] Aktionen zum Frauenstreiktag fanden an unzähligen Orten statt. Eigentliche Demonstrationen mit mehr als 1000 Teilnehmerinnen wurden gemeldet aus: Zürich (10 000), Genf (6000), Aargau (4000), Basel (3000), Winterthur (2000) und Bern (1500). Siehe Presse vom 15.6. sowie unten, Teil I, 7d (Stellung der Frau).
[34] In dieser Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, und die traditionellen Ostermärsche der Pazifisten im schweizerisch/deutschen Grenzgebiet nicht erfasst. Belege für die Demonstrationen mit 1000 und mehr Teilnehmenden (in Klammer Anzahl und Thema): Bern: Bund, 15.1. (3000 / Golfkrieg), BZ, 16.1. (2500 / Golf), 28.1. (15 000 / Golf), TA, 29.4. (1000 / Kurden im Irak), 27.5. (2000 / Kroaten), 30.9. (1500 / Serben), Bund, 12.9. (1000 / Staatsangestellte), Bund und NZZ, 1.11. (6000 / Staatsangestellte). Zürich: NZZ, 18.1. (1000/ Golf), TA, 21.1. (2000 / Golf), 28.1. (2000 / Kroaten), 4.2. (1500 / Golf, Israel), 1.7. (2500 / Kroaten und Slowenen), 9.12. (1000/ Kroaten), NZZ und TA, 12.12. (1500 / Staatsangestellte), 23.12. (1500 / gegen Rassismus). Genf: JdG, 14.1. (6000 / Golf), 21.1. (5000 / Golf), 7.10. (2000 / Kosovo-Albaner). Basel: BaZ, 18.1. (1500 / Golf), 21.1. (6000 / Golf). Freiburg: Lib., 22.11. (2000 / Staatsangestellte). Lausanne: 24 Heures, 16.1. (1500 / Golf).
[35] BS: NZZ und TA, 15.11.91. Vgl. SPJ 1990, S. 30. BE: BZ, 20.3.91. ZH: TA, 5.2.91; NZZ, 31.5. und 8.8.91 (Initiative). Bundesrat: Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2126 f.
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