Année politique Suisse 1991 : Eléments du système politique / Structures fédéralistes / Territoriale Fragen
print
Jura
Das jurassische Parlament verabschiedete am 6. März einstimmig zwei Motionen bezüglich der Gemeinde Vellerat (BE). Diese sehen vor, dass diese Gemeinde innerhalb von zwei Jahren in einem einseitigen Akt, d.h. auch ohne das Einverständnis Berns, in den Kanton Jura aufgenommen werden soll. Auf Anfrage gab der Bundesrat sein Bedauern über diesen Beschluss bekannt, der seiner Meinung nach die Regeln über Gebietsveränderungen missachtet [7]. Eine Motion der Christlichsozialen für die Durchführung einer Sitzung des jurassischen Parlaments auf dem Boden der Gemeinde Moutier (BE) wurde, nachdem diese Absicht vom Bundesrat präventiv verurteilt worden war, zurückgezogen [8].
Nach dem Bekanntwerden der verdeckten Zahlungen der Berner Regierung an die berntreuen Organisationen hatte die jurassische Regierung beim Bundesgericht Beschwerde gegen die Plebiszite von 1974 und 1975, welche zum Verbleiben der drei südlichen jurassischen Bezirke bei Bern geführt hatten, erhoben. Am 13. März beschloss das Bundesgericht einstimmig, aus formalen Gründen auf diese Beschwerde nicht einzutreten. Da der Kanton Jura zur Zeit der Plebiszite noch nicht existiert hat, kommt ihm gemäss dem Urteil keine Klagelegitimation zu; eine Beschwerde hätte demnach zeitgerecht, d.h. nach der Aufdeckung der verdeckten Zahlungen, von einer 1974 stimmberechtigten Person eingereicht werden müssen [9].
Im Nationalrat verlangte daraufhin der Genfer Spielmann (pda), dass zumindest in Gemeinden, die sich in den siebziger Jahren nur mit knappem Mehr für ein Verbleiben bei Bern entschieden hatten, die Abstimmung wiederholt werde. Während Theubet (cvp, JU) den Vorstoss unterstützte, wandte sich Etique (fdp), der andere jurassische Abgeordnete, gegen eine derartige 'Salamitaktik', weil diese zwar einigen wenigen Gemeinden den Kantonswechsel gestatten, aber nichts zur Wiedervereinigung aller sechs Bezirke beitragen würde. Daraufhin zog Spielmann seine Motion zurück. Der Bundesrat betonte bei dieser Gelegenheit und auch anlässlich der Beantwortung von zwei Interpellationen Aubry (fdp, BE) resp. Rychen (svp, BE), dass er grosse Hoffnung auf die von ihm im Vorjahr eingeleiteten Gespräche zwischen den Regierungen der beiden Kantone setze [10].
Der mehrheitlich projurassische Gemeinderat der bernisch gebliebenen Gemeinde Moutier verlangte vom Berner Regierungsrat ultimativ konkrete Vorschläge für einen Kantonswechsel der Gemeinde bis zum 30. April. Die Antwort der Berner Regierung an die Gemeinde fiel erwartungsgemäss negativ aus. Mehr Aufsehen erregte dabei die Feststellung, dass die bernische Exekutive eine zukünftige Abstimmung über einen Kantonswechsel nicht ausschliesse, dass diese aber nicht bloss einzelne Gemeinden, sondern das gesamte Gebiet des bernischen Juras umfassen müsste [11].
Das Rassemblement jurassien kündigte an der "Fête du peuple" eine neue kantonale Volksinitiative an. Diese verlangt, dass in der jurassischen Verfassung festgeschrieben wird, dass sich das französischsprachige jurassische Volk aus der Bevölkerung des Kantons Jura und der drei bernisch gebliebenen Bezirke des Südjuras zusammensetzt. Das Volksbegehren wurde Ende November mit gut 8000 Unterschriften eingereicht; eine entsprechende Petition wurde im bernischen Jura von 2701 Personen unterzeichnet [12].
 
[7] Express und Dém., 7.3.91. BR: Amtl. Bull. NR, 1991, S. 362.
[8] Bund, 30.5.91; Dém., 31.5.91. BR: Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1370.
[9] Presse vom 14.3.91. Das Bundesgericht wies gleichzeitig auch die jurassische Klage auf Rückerstattung eines Teils der Schwarzgelder ab. Siehe SPJ 1989, S. 39.
[10] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 803 ff. (Interpellationen) und 1579 ff. (Motion). Zu den Gesprächen siehe Dém., 1.6. und 21.9.91; JdG, 24.6.91 sowie SPJ 1990, S. 50. Vgl. dazu auch Amtl. Bull. StR, 1991, S. 335 und 1105.
[11] Bund, 25.9.91; Dém., 8.3. und 19.4.91. Vgl. auch eine im Berner Jura durchgeführte Umfrage zu diesem Thema (Dém., 3.5.91).
[12] Presse vom 9.9.91; 24 Heures, 19.10.91; Dém., 2.12.91; Le Jura libre, 12.9. und 5.12.91.