Année politique Suisse 1991 : Economie / Politique économique générale
Gesellschaftsrecht
Die langwierige Reform dés aus dem Jahre 1936 stammenden
Aktienrechtes ist nach einer parlamentarischen Behandlung, die sich über acht Jahre erstreckte, zum Abschluss gebracht worden. Die neuen Bestimmungen, welche auf den 1. Juli 1992 in Kraft gesetzt werden sollen, erhöhen insbesondere die Transparenz und bauen damit den Schutz von Aktionären und Gläubigern aus. Zudem verbessern sie die Struktur und Funktion der Gesellschaftsorgane. Weitere erwähnenswerte Neuerungen stellen die Verdoppelung des erforderlichen Mindestkapitals der Aktiengesellschaften auf 100 000 Fr. und die Herabsetzung des Mindestnennwerts der Aktien von 100 Fr. auf 10 Fr. dar
[28].
Beide Ratskammern bereinigten die
letzten Differenzen und konnten in der Herbstsession die Schlussabstimmungen durchführen. Zuerst folgte der Ständerat in den meisten Punkten den Beschlüssen der Volkskammer. Bei der Vinkulierung von an der Börse kotierten Namenaktien hielt er nicht mehr an seiner ersten Fassung von 1988 fest, welche die Abwehr von Übernahmen durch Ausländer als möglichen Grund für die Verweigerung des Eintrags ins Register genannt hatte. Er entschied sich für eine nichtdiskriminierende Formulierung, welche neben der prozentualen Beschränkung des Anteils einzelner Aktionäre einzig die Erhaltung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit als zulässiges Ausschlusskriterium anerkennt. In der Frage des Depotstimmrechts beharrte er auf seinem Entscheid, dass bei Nichtvorliegen von Weisungen die Depothalter den Anträgen des Verwaltungsrats zustimmen sollen
[29].
Der Nationalrat gab in der Frage der
Ausübung des Depotstimmrechts nach, blieb in der Regelung der
Vinkulierung börsenkotierter Namenaktien jedoch standhaft. Als zulässiger Grund für die Verweigerung des Eintrags als Stimmberechtigter ins Aktienregister darf neben der Höchstquote für einzelne Eigentümer nur die Erfüllung von gesetzlichen Vorschriften über die Zusammensetzung der Aktionäre geltend gemacht werden; und dies darf auch nur dann geschehen, wenn die Statuten der Gesellschaft bereits vor dem Aktienkauf entsprechende Bestimmungen enthalten haben. Von Bedeutung ist dieses Erfordernis namentlich im Zusammenhang mit dem Gesetz über den Grundstückerwerb durch Ausländer und den Bestimmungen über die Führung des Titels "schweizerische Bank", welche beide ein mehrheitlich inländisches Aktionariat vorschreiben. Um deutlich zu machen, dass es sich dabei um ein Provisorium handelt, das im Zusammenhang mit dem EWR ohnehin obsolet werden dürfte, verbannte der Nationalrat diese Ausnahme vom Vinkulierungsverbot in die Schlussbestimmungen und fügte die Präzisierung an, dass sie nur solange zulässig ist, wie Gesetze mit entsprechenden Anforderungen noch in Kraft sind. Der Ständerat schloss sich dieser Version an
[30].
Für die gesetzlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität resp. für die Revision des Konkursrechts siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht) resp. (Privatrecht).
[28] Vgl. SHZ, 18.7. und 26.9.91; LNN, 27.12.91. Siehe auch die Serie in NZZ, 8.1., 15.1., 23.1., 31.1., 4.2. und 11.2.92; Lit. Homburger sowie die Beilage "Neues Aktienrecht", in SHZ, 6.2.92. Zu den wichtigsten Differenzen zum EG-Recht siehe wf, Dok., 4, 27.1.91.
[29] Amtl. Bull StR, 1991, S, 65 ff. Siehe SPJ 1988, S. 96 und 1990, S. 103 f.
[30] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 847 ff., 1108 und 2035; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 469 ff. und 920; BBl, 1991, III, S. 1476 ff.
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