Année politique Suisse 1991 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Suchtmittel
Die Jugendlichen in der Schweiz sind laut einer repräsentativen Umfrage zurückhaltender geworden beim Konsum legaler und illegaler Drogen. Der Anteil der Minderjährigen mit Rauschgifterfahrung hat seit 1986 nicht zugenommen; der Prozentsatz der jungen Zigarettenraucher und Alkoholkonsumenten ist sogar rückläufig
[35].
Die
Zahl der Drogentoten in der Schweiz stieg im Berichtsjahr um mehr als 40%. Insgesamt starben 405 Menschen, 125 mehr als 1990, an den direkten Folgen ihrer Abhängigkeit. 355 der Verstorbenen waren männlich, 70 weiblich; das Durchschnittsalter der Opfer betrug 27 Jahre. Die Zahl der von den Strafverfolgungsbehörden erfassten Erstkonsumenten erhöhte sich von 6150 auf 7713. Grössere Zunahmen waren vor allem in den Kantonen Aargau, Baselstadt, Bern, Freiburg, Solothurn und Zürich feststellbar
[36].
Im Februar verabschiedete der Bundesrat das längst erwartete Massnahmenpaket zur Drogenpolitik, mit dem er ein deutlich stärkeres Engagement des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme in der Schweiz signalisieren wollte. Dabei hielt sich die Landesregierung aber weiterhin an die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen gemäss geltendem Betäubungsmittelgesetz (BetMG), wonach die Kantone für Aufklärung, Beratung und Betreuung zuständig sind und dem Bund nur Unterstützungs- und Koordinationsaufgaben zukommen. Um diese Funktionen inskünftig besser wahrnehmen zu können, erhöhte der Bundesrat die finanziellen Mittel in diesem Bereich von 200 000 Fr. auf 8,5 Mio Fr. für 1992 und 8,7 Mio Fr. für 1993; der für Drogenfragen zuständige Personaletat des BAG wurde von 1,6 auf 10 Stellen angehoben. Mit seinem Massnahmenpaket setzte sich der Bundesrat zum Ziel, bis 1993 eine Stabilisierung der Anzahl Drogenabhängiger und bis 1996 eine Reduktion um 20% zu erreichen.
Prävention, Ausbildung, Therapie und Forschung bilden die Hauptpunkte der bundesrätlichen Strategie. So beschloss die Landesregierung, ab Herbst eine gesamtschweizerische Medienkampagne durchzuführen, um einerseits das allgemeine Verständnis für die Ursachen und Probleme der Drogensucht, für die Prävention, die Therapie und die Betreuung zu fördern, andererseits zielgruppenspezifisch die potentiell Gefährdeten, insbesondere die Jugendlichen direkt anzusprechen. Als zweiter Schwerpunkt will der Bundesrat Ausbildungsprogramme der Kantone für Fachpersonal im präventiven Bereich oder zur Betreuung und Behandlung von Drogenabhängigen unterstützen. Bei den Forschungsaktivitäten wurde das Hauptgewicht auf Begleitforschung gelegt. So soll zum Beispiel abgeklärt werden, ob Präventionsmassnahmen die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen. Auch wurde vorgesehen, die medizinisch verordnete Abgabe von Betäubungsmitteln an Abhängige sowie die sogenannten Fixerräume im Rahmen von wissenschaftlich abgestützten Pilotprojekten auf ihre Zweckmässigkeit hin zu untersuchen.
Entgegen den Empfehlungen, welche die Subkommission "Drogenfragen" der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission 1989 abgegeben hatte, und denen sich in der Folge 15 Kantone, vier Parteien (FDP, GPS, LdU, SPS) sowie die Landeskirchen anschlossen, konnte sich der Bundesrat zu
keiner Entkriminalisierung des Drogenkonsums durchringen. Bundespräsident Cotti betonte, es sei nicht primär die von der Romandie und dem Tessin verfochtene harte Haltung, die den Bundesrat zu einem Verzicht auf eine Revision des BetMG bewogen habe, sondern der Umstand, dass auch die Nachbarländer ausnahmslos den Konsum und Kleinhandel bestraften und die Empfehlungen der internationalen Organisationen in die gleiche Richtung zielten
[37].
Auch der Bundesrat ist allerdings der Ansicht, dass Drogensüchtige in erster Linie als Kranke und nicht als Kriminelle zu gelten haben. Eine Arbeitsgruppe sollte deshalb prüfen, ob bei Erstvergehen nicht Therapie vor Strafe gesetzt werden könnte, was faktisch eine partielle Entkriminalisierung des Konsums bedeuten würde. Auch das Parlament scheint eine mildere Bestrafung der Drogenkonsumenten anzustreben. Beide Kammern stimmten einer Anderung des Strafgesetzbuches zu, wonach bei behandlungswilligen Drogenabhängigen inskünftig eine bereits ausgesprochene Strafe zugunsten der Behandlung aufgehoben werden kann. Gleichzeitig wurde das Militärstrafgesetz in dem Sinn revidiert, dass der Konsum geringer Drogenmengen im Militärdienst nur noch disziplinarisch bestraft und nicht mehr zivilrechtlich geahndet wird
[38].
Das Massnahmenpaket des Bundesrates
vermochte weder die Verfechter einer harten noch die Vertreter einer liberalen Drogenpolitik zu überzeugen. Hauptpunkt der Kritik war, dass sich der Bundesrat nicht imstande gezeigt habe, eine klare Linie einzunehmen. Einerseits, so wurde bedauert, erteile die Regierung mit ihrer Weigerung, das BetMG im Sinn einer Entkriminalisierung zu revidieren, all jenen eine Absage, die neue Wege bei der Bewältigung des Drogenelends suchten; andererseits sei er aber offenbar auch nicht gewillt, das bestehende Gesetz voll anzuwenden und entziehe so jenen Behörden den Boden unter den Füssen, welche sich von der harten Repression eine Lösung des Drogenproblems erhofften; anstatt zur längst notwendigen Klärung trage der Bundesrat so zur Verfestigung der Orientierungslosigkeit bei und zementiere eine Drogenpolitik des ständigen Zögerns, deren vorprogrammiertes Scheitern eigentlich allen klar sein müsste
[39].
Der einzig neue Ansatzpunkt schien die Bereitschaft des Bundesrates zu sein, die
Auswirkungen einer diversifizierten Drogenabgabe an Abhängige zu prüfen. Allgemein wurde dies als Zustimmung des Bundes zu den vor allem in den Städten Basel, Bern und Zürich seit längerem geforderten gezielten Versuchen mit der medizinisch kontrollierten Abgabe von Heroin verstanden, welche ein Gutachten des EJPD vom Vorjahr als rechtlich nicht ganz unbedenklich, aber doch zulässig eingestuft hatte. Im Kanton Bern und in der Stadt Zürich gaben die Legislativen bereits grünes Licht für derartige Versuche
[40].
Politisch Verantwortliche der vom Drogenelend besonders betroffenen Städte sowie Drogenfachleute reagierten deshalb mit Unverständnis und Enttäuschung auf die in der Fragestunde der Wintersession erfolgte Ankündigung Cottis,
bei den geplanten Versuchen Heroin nicht zulassen zu wollen. Als Alternative nannte der Vorsteher des EDI Morphin, welches als anerkanntes Medikament problemlos und in guter Qualität erhältlich sei. Er begründete seinen Entscheid mit den Bedenken, durch eine ärztlich verordnete Heroinabgabe könnte das BetMG ausgehöhlt werden. Seine Kritiker hielten ihm entgegen, die Versuche seien ja gerade geplant worden, um Erfahrungen im Hinblick auf eine Änderung der Betäubungsmittelgesetzgebung zu sammeln; Heroin von diesem Versuch auszuschliessen, bedeute, dass wirkliche Erkenntnisse nun gar nicht mehr möglich seien. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Kantone für Versuche mit Morphin nicht der Zustimmung des Bundes bedurft hätten; da Morphin im Rahmen der kantonalen Gesundheitsgesetze mit Einwilligung der Kantonsärzte verschrieben werden kann, sei dies ein Schritt in die falsche Richtung, nämlich hin zu einem noch grösseren Föderalismus, wodurch die gravierenden regionalen Unterschiede noch verschärft würden
[41].
Auch das Parlament vermochte hier keine anderen Zeichen zu setzen. Im Juni 1989 hatte der Berner LdU-Nationalrat Günter bereits einmal eine Motion für eine ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin eingereicht, die in der Herbstsession desselben Jahres im Rat bekämpft und nun, da seit zwei Jahren hängig, abgeschrieben wurde. Günter reichte daraufhin seine Motion im gleichen Wortlaut noch einmal ein. Aber nicht nur die Form, auch das Schicksal der beiden Vorstösse war identisch: Obgleich sich der Bundesrat erneut einer Entgegennahme in Form eines Postulates nicht widersetzte, musste die Diskussion wegen Opposition der Nationalräte Steffen (sd, ZH) und Scherrer (ap, BE) ausgesetzt werden
[42].
Zum Massnahmenpaket des Bundesrates gehörte auch die Ankündigung, die
Ratifikation von drei internationalen Betäubangsmittelabkommen vorantreiben zu wollen. Es handelt sich dabei um das Psychotropenabkommen von 1971, das speziell synthetische Drogen wie Halluzinogene und Tranquillizer umfasst; dann um das Zusatzprotokoll von 1972 zum sogenannten Einheitsübereinkommen von 1961, dem ersten UNOBetäubungsmittelabkommen; und schliesslich um die Wiener Konvention von 1988 gegen den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen. Ende Jahr wurde bekannt, die bereits ausgearbeitete Ratifizierungsvorlage müsse wegen starkem Widerstand in der Bundesverwaltung noch einmal in eine interne Vernehmlassung gehen, die Verabschiedung der Botschaft werde sich deshalb um mindestens ein halbes Jahr verzögern. Auf Opposition stiess vor allem die Absicht Cottis, die Wiener Konvention von 1988, die ganz auf der Linie der repressiven amerikanischen Politik des "Drogenkriegs" liegt, vorbehaltlos unterzeichnen zu wollen. Damit würde jede weitere Diskussion über eine Liberalisierung in der schweizerischen Drogenpolitik verhindert
[43].
Unabhängig von einem eventuellen Vorbehalt bei der Wiener Konvention wird die Ratifizierung dieser Abkommen
Teilrevisionen des BetMG notwendig machen. Der Ständerat überwies deshalb oppositionslos eine sehr vage gehaltene Motion des Nationalrates, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, dem Parlament möglichst rasch eine Revision des BetMG und allenfalls weitere gesetzliche Massnahmen im Bereich der Drogenbekämpfung vorzulegen. Die kleine Kammer nahm dieses Geschäft allerdings zum Anlass, der Landesregierung Hinweise für eine künftige gesamtschweizerische Drogenpolitik zu geben. Der allgemeine Tenor lautete, der Bund solle in der Drogenpolitik endlich eine klare Linie vorgeben, da nur eine einheitliche nationale Strategie zu einer Problemlösung führen könne. Ansätze für eine koordinierte Drogenpolitik hatte der Ständerat bereits im Vorjahr mit der Überweisung einer entsprechenden Motion Bühler (fdp, LU) verlangt, welche nun ebenfalls vom Nationalrat angenommen wurde. Bei beiden Vorstössen hatte die Regierung im Erstrat Umwandlung in ein Postulat beantragt, widersetzte sich nun aber nicht mehr der verbindlichen Form
[44].
Eine von 70 Abgeordneten aus allen Parteien mitunterzeichnete Motion Neukomm (sp, BE) verlangte von der Regierung, unabhängig von den anstehenden Teilrevisionen
unverzüglich eine Totalrevision des BetMG einzuleiten und dem Parlament baldmöglichst den Entwurf zu einem Gesetz zu unterbreiten, das schwergewichtig eine gesamtschweizerische einheitliche Suchtprävention anstrebt und den Süchtigen vermehrt als Kranken und nicht primär als Kriminellen behandelt. Da Bundespräsident Cotti unter Hinweis auf das Massnahmenpaket glaubhaft machen konnte, dass die Politik des Bundes bereits in diese Richtung gehe – wobei er noch einmal betonte, dass sich nach Ansicht der Regierung im jetzigen Zeitpunkt eine Gesamtrevision des BetMG nicht aufdränge –, wurde die Motion diskussionslos nur in der Postulatsform überwiesen
[45].
Die von Politikern, Medien und Fachleuten immer lauter geforderte Koordinationsaufgabe des Bundes bei der Definition einer gesamtschweizerischen Drogenpolitik versuchte die Regierung durch die Einberufung einer
nationalen Drogenkonferenz am 1. Oktober wahrzunehmen, an welcher unter dem Vorsitz von Bundespräsident Cotti Mitglieder der Kantonsregierungen, Vertreter interkantonaler Gremien und des Städteverbandes sowie Beamte des EDI, des EJPD und des EDA das Massnahmenpaket des Bundes diskutierten. Die Arbeitstagung vermochte die bekannten Meinungsverschiedenheiten – so etwa zwischen einer mehr dem Liberalismus verpflichteten Deutschschweiz und einer der Repression zuneigenden Romandie – nicht auszuräumen und brachte ausser einem recht vagen Bekenntnis zu verstärkter Zusammenarbeit nichts grundsätzlich Neues
[46].
Keine zehn Tage nach der Drogenkonferenz zeigte sich ziemlich überraschend, dass zumindest in der Einschätzung der offenen Szenen bereits ein gewisser gesamtschweizerischer Konsens eingetreten war: Die im Städteverband zusammengeschlossenen
Städte kündigten an, in den kommenden Monaten in einer
koordinierten Aktion die offenen Drogenszenen zum Verschwinden bringen und die auswärtigen Fixer und Fixerinnen von der Polizei zwangsweise in ihre Wohn- oder Heimatgemeinden zurückschaffen zu wollen,, um diese vermehrt in die Verantwortung für die Drogenkranken miteinzubeziehen. Obgleich namhafte Strafrechtler bezweifelten, dass diese Abschiebungen rechtlich überhaupt zulässig seien und Drogenfachleute warnten, ohne Schaffung der entsprechenden Infrastrukturen (Unterkünfte, Sicherstellung der Aids-Prävention) sei bei einer Auflösung der offenen Szenen mit vermehrten Drogentoten zu rechnen, liessen sich die Stadtbehörden von Bern und Zürich, die wegen der repressiven Haltung des Kantons Aargau und der Romandie besonders vom Drogentourismus betroffen sind, nicht von ihrem Vorhaben abhalten: Anfangs Dezember wurde der Berner Kocherpark, wo die Fixer nach mehrfacher Vertreibung aus politisch nicht genehmen Standorten – unter anderem die Bundeshausterrasse – eine gewisse Betreuung und Geborgenheit erfahren hatten, nachts geschlossen; kurz nach Jahresende erfolgte auch die nächtliche Räumung der Zürcher Szene beim Platzspitz
[47].
Die
Unterscheidung in sogenannte "harte" und "weiche" Drogen, von der weder die Betäubungsmittelkommission in ihren Empfehlungen von 1989 noch der Bundesrat in seinem Massnahmenpaket etwas wissen wollte, fand hingegen im Bundesgericht Gehör. Entgegen seinen Ausführungen von 1983, wo es die Grenze zum schweren Fall von Widerhandlung gegen das BetMG bei 4 kg Haschisch festgelegt hatte, entschied es nun, dass mengenmässig beim Handel mit Cannabis kein schwerer Fall mehr möglich sei. Es bestätigte Haschisch damit, im Gegensatz etwa zu Heroin, nicht dazu geeignet zu sein, die Gesundheit vieler Menschen ernsthaft zu gefährden. Die Lausanner Richter kamen aufgrund neuester Untersuchungen auch zu der in Drogenfachkreisen schon lange vertretenen Ansicht, dass Cannabis keine Einstiegsdroge und kaum gefährlicher als Alkohol sei. Dies bedeutet aber nicht, dass das Bundesgericht eine Entkriminalisierung des Handels mit Cannabis (und somit auch des Besitzes und Konsums) vorgenommen hätte; der Entscheid des Bundesgerichts bezieht sich nur auf das Strafmass
[48].
Weil das staatliche Verbot bestimmter Drogen total versagt habe und letzlich nur der Drogenmafia nütze, traf der neugegründete "Verein gegen gesellschaftliche Gleichgültigkeit" (VGGG) Anstalten, eine Volksinitiative zur Freigabe aller Drogen zu starten. In seinen Vorstellungen ging er von einem Betäubungsmittelmonopol des Staates aus: Ausser bei Cannabis, das völlig freigegeben werden sollte, wären Organisation, Koordination und Kontrolle der Drogenbeschaffung Sache eines Bundesamtes für Drogen. Vorgesehen wäre ein Werbeverbot und die Erhebung einer Genuss-Steuer, deren Ertrag für die Prävention und – ähnlich wie beim Alkohol – für die Deckung der sozialen Kosten der Suchtmittelabhängigkeit zur Verfügung gestellt würde
[49].
Der Bundesrat will den
"Zwillingsinitativen" zur Verminderung der Alkohol- und Tabakprobleme mit einem
indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene entgegentreten und gab seinen Entwurf für eine Verschärfung der Werbeeinschränkungen für Tabakwaren und alkoholische Getränke im künftigen Lebensmittelgesetz und im Alkoholgesetz in die Vernehmlassung. Wegen der erwiesenermassen gesundheitsschädlichen Wirkung von Raucherwaren schlug er ein totales Werbeverbot für dieses Produkt in den inländischen Printmedien, auf Plakatwänden und in den Kinos vor. Aus Gründen der Machbarkeit – und weil ohnehin schon viele EG-Staaten ein generelles Verbot der Tabakwerbung kennen oder vorbereiten – verzichtete er auf eine Ausdehnung des Geltungsbereichs auf ausländische Medien. Die sachbezogene Information über Raucherwaren und alkoholische Getränke in den Verkaufsstellen soll weiterhin erlaubt sein. Da Alkohol nur im Abusus gesundheitsschädigend ist, kann nach Auffassung des Bundesrates die rein beschreibende Alkoholwerbung in den Printmedien beibehalten werden, nicht aber die allein zum Konsum animierende Reklame in den Kinos oder auf Plakaten
[50].
In der
Vernehmlassung stiessen die bundesrätlichen Vorschläge auf viel Kritik. Die bürgerlichen Parteien, die Arbeitgeberorganisationen, der Gewerbeverband, die betroffene Tabak- und Alkoholindustrie, die von der Werbung profitierenden Medien, Agenturen und Kinos, aber auch Sportverbände und kulturelle Organisationen, welche weitgehend vom Sponsoring leben, lehnten die bundesrätlichen Vorschläge zum Teil ganz vehement ab. Unterstützung fand der Bundesrat hingegen bei der SP, den Grünen, den Gewerkschaften sowie den Organisationen für Gesundheit und Konsumentenschutz. Dem Initiativkomitee ging der Gegenvorschlag hingegen zu wenig weit, weshalb es beschloss, sein Begehren nicht zurückzuziehen
[51].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Zwygart (evp, BE) mit dem Ziel eines vermehrten Schutzes der Jugend vor Tabakmissbrauch. Der Postulant regte insbesondere ein Verbot des Verkaufs von Tabakwaren und der Verteilung von Gratismustern an Jugendliche sowie Massnahmen gegen die unkontrollierte Abgabe von Tabakwaren an Automaten an
[52].
Bund, Kantone und private Organisationen schlossen sich zu einer
Pressekampagne zusammen, mit welcher Jugendliche über die Gefahren von Alkohol und Nikotin aufgeklärt werden sollten. Als erste Aktion wurde landesweit ein Jugendmagazin verteilt, welches zur Lektüre und Diskussion über Tabak und Alkohol anregen und den gesunden Lebensstil des Nicht-Rauchens propagieren will
[53].
Aufgrund der hohen Anzahl von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss reichte Ständerätin Weber (ldu, ZH) eine Motion ein, mit welcher der Bundesrat beauftragt werden soll, die Blutalkoholgrenze für die Beurteilung des Fahrens in angetrunkenem Zustand von
0,8 auf 0,5 Promille zu senken
[54].
[36] Presse vom 8.1. und 15.4.92.
[37] Presse vom 21.2.91. Siehe auch SPJ 1990, S. 211 f. Beginn Pressekampagne: Presse vom 23.10.91; NQ, 29.10.91; BZ, 5.11.91. Zur Frage eines Alleingangs der Schweiz in Europa siehe auch Amtl. Bull. NR, 1991, S. 998 und 1382; Bund, 23.2.91. ,
[38] Revision StGB und MStGB: Amtl. Bull. NR, 1991, S. 854 ff. und 1408; Amtl. Bull. StR, S. 450 und 614. Zum Problem des Drogenkonsums in der Armee siehe auch BR Villiger in der Fragestunde der Sommersession (Amtl. Bull NR, 1991, S. 1100). Anlässlich der nationalen Drogenkonferenz (siehe unten) bezeichnete Cotti den in Aussicht gestellten Straferlass Für Ersttäter bereits wieder als unverhältnismässig (Presse vom 2.10.91).
[40] NZZ, 16.1.91;Bund und BZ, 12.4.91; JdG, 13.4.91. Kanton Bern: Bund, 23.8. und 4.9.91. Stadt Zürich: Vr., 12.12.91; TA, 18.12.91. Auch die FDP signalisierte in diesem Punkt Umdenken und nahm die medizinische Abgabe von Drogen in ihr Legislaturprogramm auf, allerdings ohne die Drogen namentlich aufzuführen (SoZ, 28.4.91). Der LdU hingegen verlangte klar die Abgabe von Heroin (Presse vom 12.7.91). Für die Haltung der Parteien siehe auch SPJ 1989, S. 197.
[41] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2280 f.; WoZ, 15.3. und 29.11.91; NZZ, 28.9.91; BZ, 10.12. und 11.12.91; Bund, 11.12.91; Ww, 19.12.91. Zur liberalen Haltung von 30 Städten und Regionen aus zehn europäischen Ländern, die im November in Zürich die im Vorjahr verabschiedete "Frankfurter Resolution" bekräftigten, siehe Presse vom 23.1 1.91. Zur Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes, welcher noch anfangs Dezember vom BR eine raschere Gangart bei der Heroinabgabe verlangte vgl. LZ und NZZ, 4.12.91).
[42] Verhandl. B.vers., 1991, III/IV, S..94 f.; Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1976 f.; SPJ 1989, S. 198. Da offenbar kein Mitglied der LdU/EVP das Anliegen übernehmen wollte, wurde die Motion nach dem Ausscheiden des Urhebers aus dem Rat abgeschrieben. Ebenso abgeschrieben wurden aus denselben Gründen eine Motion Neukomm (sp, BE) für die Schaffung eines Schweizerisches Instituts für Alkohol- und Drogenprävention sowie eine Motion Zwingli (fdp, SG) für eine koordinierte Drogenpolitik (Verhandl. B.vers., 1991, VI, S. 79, 97 f. und 121 f.).
[43] TA, 30.11.91; LNN, 7.1.92. Gewissermassen als Vorleistung für das Psychotropenabkommen wurde auf den 1. Juni der Handel mit 46 Vorläufersubstanzen zur Herstellung synthetischer Drogen oder Amphetamine einer Kontrolle unterstellt (Presse vom 29.5.91).
[44] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 795 ff.; Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1799 ff. Siehe SPJ 1990, S. 212.
[45] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1328.
[46] NZZ, 30.8.91; Presse vom 2.10.91. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1800.
[47] Presse vom 10.10.91, 31.10. und 1.11.91; Bund, 3.12., 11.12. und 17.12.91; Presse vom 10.1.92. Zur Bedeutung der gassennahen Hilfe siehe LNN, 12.3.91 und Bulletin des BAG, 1991, S. 272 ff. Für die Gegensätze zwischen Zürich und dem Aargau resp. Bern und der Romandie vgl. LNN, 20.2. und 12.3.91; Presse vom 12.4.91; Bund, 10.7.91; TA, 9.10.91 und Presse vom 31.10.91. Aufgrund der Komplexität der Materie und des Umstandes, dass wir hier primär eidgenössische Politik dokumentieren, können wir auf die Drogenpolitik der Kantone und Städte nicht vertiefter eingehen. Siehe dazu aber: Lit. Bericht; WoZ, 1.3., 19.4., 24.5., 12.7., 20.9. und 29.11.91; SGT, 18.5.91; LZ, 7.12.91; BZ, 16.12.91 und 11.2.92. Basel: Bund, 4.3.91; TA, 25.4.91; BaZ, 11.10.91. Luzern: LNN, 18.10., 30.10.91 und 11.1.92; WoZ, 13.12.91. St. Gallen: TA, 12.12.91.
[48] Presse vom 8.11.91; Bund, 23.12.91; Plädoyer, 9/1991, Nr. 6, S. 65 ff.
[49] BaZ und BZ, 20.11.91; Ww, 28.11.91.
[50] Bulletin des BAG, 1991, S. 376 und 394; Presse vom 18.6.91. Zu den "Zwillingsinitiativen" siehe SPJ 1990, S. 212 f.
[51] SHZ, 31.7.und 8.8.91; 24 Heures, 10.9.91; Presse vom 12.9.91;NQ, 1.10. und 15.11.91; NZZ, 3.10., 11.10. und 19.12.91; AT, 23.11.91; BZ, 5.12.91; Presse vom 23.1.92.
[52] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 766 f.
[53] Bulletin des BAG, S. 287; Presse vom 8.5.91. Siehe dazu auch die Ausführungen Cottis (Amtl. Bull. NR, 1991, S. 988 f.).
[54] Verhandl. B.vers., 1991, S. 151.
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