Année politique Suisse 1992 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Sozialdemokratische Partei (SP)
Im Zusammenhang mit der Vorauszahlung von 50 Mio Fr. für die geplante Beschaffung der 34 F/A-18 Kampfflugzeuge drohte Parteipräsident Bodenmann, eine Strafanzeige gegen Bundesrat Villiger einzureichen. Seiner Meinung nach war das finanzielle Vorengagement des Bundesrats vor einem entsprechenden Parlamentsbeschluss widerrechtlich. Das Vorprellen Bodenmanns wurde sowohl von den andern Regierungsparteien als auch teilweise intern heftig kritisiert, unter anderem weil er mit seiner Drohung an die Öffentlichkeit gelangte, bevor das von der SP in Auftrag gegebene Rechtsgutachten abgeschlossen war. Bodenmann entschuldigte sich zwar vor dem Parteivorstand für sein Vorgehen, doch wurde die Regierungsbeteiligung der SP durch die. bürgerlichen Bundesratsparteien erneut in Frage gestellt, nachdem die SP auch noch der
GSoA-Initiative "Gegen den Kauf der F/A-18 Kampfflugzeuge" ihre Unterstützung zugesagt hatte
[23].
Im Kanton
Tessin haben die beiden sozialistischen Organisationen, die Tessiner Sektion der SP und der 1969 abgespaltene "Partito socialista autonomo" (
PSA) wieder fusioniert. Die ursprünglich revolutionären und utopischen Zielsetzungen des PSA waren bereits vor der Fusion zugunsten der sozialdemokratischen Bestrebungen für eine soziale und ökologisch ausgerichtete Marktwirtschaft in den Hintergrund getreten
[24].
Unbefriedigt von der Zuammenarbeit mit den kantonalen Parteisekretariaten in der
Romandie, welche nach Ansicht der nationalen Parteileitung "verbürgerlicht" sind, unternahm die Parteileitung erste Schritte, in der Westschweiz vermehrt auch mit der extremen Linken zusammenzuarbeiten
[25].
In der
Drogenpolitik verlangte die SP eine Entkriminalisierung von Besitz und Erwerb von Drogen zum Eigenkonsum. Ferner soll der Handel mit Cannabis-Produkten freigegeben werden, und langfristig wünscht sich die Partei eine stufenweise Legalisierung aller Drogen. Grundsätzliche Differenzen bezüglich der langfristigen Ziele bestanden freilich zwischen liberalen Deutschschweizern und restriktiveren Romands
[26].
Von den Bundesratsparteien legte die SP bezüglich ihrer Haltung zum
EWR schon weit im Vorfeld der Abstimmung die grösste Geschlossenheit an den Tag, ohne jedoch interne Kritik — vor allem seitens der Verteidiger direktdemokratischer Instrumente — zu ersticken. Die Partei akzeptierte den EWR als Übergangslösung und forderte innenpolitische Reformen als flankierende Massnahmen in den Bereichen Sozial- und Umweltpolitik. Als mittelfristiges Ziel sprach sich die SP allerdings für einen EG-Beitritt aus, da nur ein solcher gleichberechtigte Mitsprache und -verantwortung gewähre. Mit 47 zu 4 Stimmen beantragte der Vorstand, am Parteitag von Genf die Ja-Parole zu fassen. Die Delegierten folgten diesem Antrag mit 521 zu 62 Stimmen — entgegen den Voten von Nationalrat Gross (ZH) sowie der Nationalrätin von Fetten (BS), welche das Vertragswerk als undemokratisch und zu wirtschaftsfreundlich resp. sexistisch ablehnten —, obwohl in der Sondersession zum Eurolex die Forderung nach flankierenden Massnahmen nicht durchgesetzt werden konnte
[27]. Drei Wochen vor der Abstimmung über den Beitritt zum EWR äusserte Parteipräsident Bodenmann im parteiinternen Pressedienst, nur ein Wunder könne noch ein Ja zum EWR bringen, worauf vor allem die Neuenburger Sektion bemängelte, der Präsident habe zu früh resigniert. Die Vorwürfe seitens der Romands wurden nach der Verwerfung des EWR-Abkommens erneut erhoben
[28].
Nach der Ablehnung des EWR-Vertrags reichte die SP-Fraktion eine Interpellation zur Totalrevision der Bundesverfassung ein, in welcher sie unter anderem die Neukonzeption der schweizerischen Aussenpolitik als wichtiges Element einer revidierten Bundesverfassung verlangte
[29].
In der Frage des
Beitritts der Schweiz zu den Bretton Woods Institutionen blieb die Partei gespalten. Nachdem der Parteitag 1990 der Vorlage unter bestimmten Bedingungen zugestimmt, sie 1991 jedoch nach den parlamentarischen Beratungen knapp abgelehnt hatte, beschloss der Vorstand — nach einer erneuten Verwerfung — auf Ersuchen von Parteipräsident Bodenmann die Stimmfreigabe. Widerstand wurde auch gegen die Unterstützung des Verfassungsartikels zur Fortpflanzungsund Gentechnologie laut
[30].
Die SP entschied sich auch für die Ja-Parole zur NEAT; einzig die Kantonalsektion Uri votierte für eine Ablehnung. Bodenmann unterstrich dazu, die NEAT mache allerdings nur Sinn, wenn sie mit einem Ja zur sogenannten Alpeninitiative, über welche das Volk 1993 oder 1994 abstimmen wird, verbunden werde
[31].
Die SP-Fraktion reichte in der Wintersession fünf parlamentarische Initiativen zur Ankurbelung der Wirtschaft und gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit ein. Sie verlangte damit die Förderung von öffentlichen Investitionen, die Einführung einer Innovationsrisikogarantie sowie zusätzliche Massnahmen in der Weiterbildung
[32].
Bei kantonalen und kommunalen
Wahlen konnte die SP insgesamt sieben Mandate zulegen, steigerte jedoch ihren Wähleranteil nur unwesentlich; die Entwicklung in den einzelnen Kantonen und Städten verlief sehr unterschiedlich, so dass keine klare Tendenz zu beobachten war. Wie die FDP verlor auch die SP im Bieler Gemeinderat ein Mandat
[33].
[23] Sonntagsblick, 26.4.92; Presse vom 27.4.92; TA, 28.4.92; BZ, 29.4.92; Ww, 30.4.92; Freisinn FDP, 1992, Nr. 5. Zur Unterstützung der GSoA-Initiative: BüZ, 2.4.92; L'Hebdo, 30.4.92. Vgl. auch oben, Teil I, 3 (Armement)
[24] TA, 17.10.92; SP-Pressedienst, 20.10.92; VO, 22.10.92; 24 Heures, 9.11.92.
[26] Presse vom 25.5. und 26.10.92; NZZ, 24.8.92; L'Hebdo, 29.10.92.
[27] Presse vom 4.2. und 24.2.92; TA, 27.6.92 (flankierende Massnahmen); TA, 16.6.92; Bund, 12.10.92 (Vorstand); DAZ, 22.10.92; NQ, 25.10.92; Presse vom 26.10.92 (Parteitag). Zu den EWR-Gegnern innerhalb der SP siehe auch den Artikel von R. Meier, "Die Linke, der 'Sonderfall' und die Geschichte", in LNN, 3.11.92.
[28] SP-Pressedienst, 17.11.92 ; NQ und Suisse, 21.11.92; TA, 9.12.92; Presse vom 14.12.92.
[29] Verhandl. B.vers., 1992, VI, S. 57.
[30] Presse vom 30.3.92; vgl. auch SPJ 1991, S. 82 ff. Als einzige Kantonalsektion lehnte BL die Bretton Woods-Vorlagen ab. Zur Gentechnologie fassten die Kantonalsektionen BL und GR die Nein-Parole.
[31] Presse vom 29.6.92. Zur NEAT und Alpeninitiative: siehe oben, Teil I, 6b (Chemins de fer).
[32] Verhandl. B.vers., 1992, VI, S. 35 f.; NQ, 19.12.92. Vgl. dazu oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[33] Vgl. dazu oben, Teil I, 1e.
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