Année politique Suisse 1992 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis / Grüne und links-grüne Gruppierungen
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Grüne Partei (GP)
Als Nachfolgerin von Nationalrätin Irène Gardiol (VD) wurde ihre Ratskollegin Verena Diener (ZH) einstimmig zur neuen Parteipräsidentin gewählt. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin vertritt sie eine zurückhaltende Position bezüglich der Integrationspolitik [53].
Die Mitgliederversammlung der Gruppe "Demokratisches Nidwalden" (DN) lehnte den Beobachterstatus bei der GP mit 23 zu 3 ab [54].
Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Volksinitiative für eine vernünftige Drogenpolitik und einer parlamentarischen Initiative der grünen Fraktion, welche mittels einer Revision des Betäubungsmittelgesetzes eine differenzierte Legalisierung des Drogenkonsums beabsichtigt, stellte die GPS ihre Vorschläge für eine humane Drogenpolitik vor. Ausgehend vom geltenden Gesetz will sie eine breit angelegte und medizinisch kontrollierte Drogenabgabe an Süchtige fördern. In einer zweiten Stufe sollen durch eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes Konsum und Handel von weichen Drogen legalisiert sowie Erwerb und Besitz von 'harten Drogen freigegeben werden. Langfristig soll der Bund die Einfuhr, Herstellung und den Verkauf von Betäubungsmitteln übernehmen, um dem illegalen Markt den Boden zu entziehen [55].
In einem Grundsatzpapier zur Europapolitik, welches zwar hauptsächlich von Nationalrat Rebeaud (GE) erarbeitet, jedoch von der Parteileitung gutgeheissen worden war, zeigte sich die GP weiterhin kritisch gegenüber einem EWR- oder EG-Beitritt, ohne die eine oder andere Form der Integration jedoch von vornherein auszuschliessen. Die Partei forderte, die schon bestehenden institutionellen Verbindungen wie den Europarat vermehrt als Instrument der Zusammenarbeit zu benützen. Sie begrüsste unter anderem auch diejenigen Harmonisierungsbestrebungen im arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Bereich, die auf die Abschaffung des Saisonnierstatuts und auf schärfere Vorschriften gegen die Kartellbildung abzielten. Die grüne Fraktion beurteilte den EWR-Vertrag jedoch, als die schlechteste Integrationsvariante für die Schweiz, weil er nicht nur zur Übernahme eines grossen Teils des sogenannten Acquis communautaire zwinge, sondern weil der Nachvollzug der weiteren EG-Rechtsetzung ohne Mitbestimmung der Schweiz erfolge. Um sich klar von der Propaganda der rechtsbürgerlichen EWR-Gegner zu distanzieren und die ökologisch-sozialen Argumente in den Abstimmungskampf zu bringen, gründeten grüne, linke und LdU-Parlamentarier ein eigenes gegnerisches Komitee [56].
Am Parteitag in Basel kristallisierte sich die schon zuvor zutage getretene Spaltung unter den Grünen klar heraus: In der Debatte sprach sich kein einziger Vertreter der Romandie gegen den EWR aus und nur zwei Deutschschweizer für den Vertrag. Über die vom Parteivorstand unterbreiteten Positionspapiere, welche unter anderem eine vorsichtige Öffnung und mittelfristig eine gewisse Bereitschaft für Beitrittsverhandlungen in Betracht zogen, stimmten die Delegierten nicht ab. Bei der Parolenfassung entschied die DV mit 82 zu 30 Stimmen, den Vertrag abzulehnen; nur vier Romands stimmten gegen und nur neun Deutschschweizer für den EWR. Die Kantonalsektionen Freiburg, Waadt, Neuenburg und Genf empfahlen trotzdem die Zustimmung zum EWR-Vertrag, jene von Basel-Land und Jura beschlossen Stimmfreigabe [57].
Nach der Ablehnung des EWR-Beitritts durch Volk und Stände distanzierte sich die GP vom rechtspopulistischen Lager der EWR-Gegner und forderte den Bundesrat auf, Beitrittsverhandlungen mit der EG aufzunehmen, was von vielen Beobachtern als Slalompolitik bezeichnet wurde. Ohne mit der bisherigen Wirtschafts- und Sozialpolitik der EG einverstanden zu sein, glaubte die Spitze der Grünen Partei dennoch, der einzige Weg für die Schweiz bestehe längerfristig in der Form einer Vollmitgliedschaft. Leitplanken bei den Beitrittsverhandlungen sollten die schweizerischen Eigenheiten bezüglich des politischen Systems (direkte Demokratie, Föderalismus, Neutralität), aber auch ökologische und soziale Mindestanforderungen sowie die Sonderstellung der Landwirtschaft bilden. Aussenpolitisch verlangte die GP allgemein ein verstärktes Engagement der Schweiz, das sich in der Form eines UNO-Beitritts und der Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta äussern sollte [58].
Bei der eidgenössischen Abstimmung über den IWF-Beitritt konnte die klare Spaltung innerhalb der GP zwischen beitrittswilligen Romands und ablehnenden Deutschschweizern, für welche die Bretton-Woods-Institutionen primär ein Mittel zur Ausbeutung der Entwicklungsländer darstellen, nicht überwunden werden; die Gegner der Vorlage setzten sich in der DV mit 72 zu 31 Stimmen durch. Auch die NEAT wurde von der GP abgelehnt, weil sie in ihren Augen — genauso wie der Transit-Vertrag mit der EG — die Wirtschaftsphilosphie der EG, welche im wesentlichen auf ein Wirtschaftswachstum mit verheerenden Konsequenzen für die Umwelt ausgerichtet sei, widerspiegle [59].
Bei kantonalen und kommunalen Wahlen erlitt die GP nach mehreren Jahren stetigen Wachstums erste Rückschläge durch einen resp. zwei Mandatsverluste in den Kantonen Thurgau und Schwyz sowie in der Stadt Bern. In Basel-Stadt gewann die schwach verankerte GP einen Sitz zu ihren zwei bisherigen hinzu, wobei aber das gesamte grüne Spektrum, insbesondere die POB, massive Verluste hinnehmen musste.
 
[53] Presse vom 12.10.92. Siehe auch die Interviews mit V. Diener in TA und LZ, 10.10.92.
[54] LZ, 11.12.92.
[55] Verhandl. B.vers., 1992, VI, S. 34; Presse vom 16.10.92.
[56] Presse vorn 8.2.92; Bund, 15.2.92 (Grundsatzpapier); NZZ, 19.8. (Fraktion) und 2.10.92 (Komitee).
[57] Presse vom 12.10.92 (Parteitag); Lib., 22.10.92; BaZ, 31.10.92; 24 Heures, 5.11.92; Dém., 14.11.92.
[58] Verhandl. B.vers., 1992, VI, S. 54; Positionspapier "Nach dem EWR-Nein – die Position der Grünen", 15.12.92; Presse vom 16.12.92; AT, 30.12.92.
[59] Presse vom 17.1.92; NZZ, 31.1.92; BZ und JdG, 27.4.92; Presse vom 7.9.92; 24 Heures, 6.5.92 (IWF); Bund, 13.8.92 (NEAT).