Année politique Suisse 1992 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
 
Arbeitnehmer
In der Europapolitik gab sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) weiterhin integrationsfreundlich. Anfangs März wiederholte er seine Aufforderung an den Bundesrat, noch vor der EWR-Abstimmung ein EG-Beitrittsgesuch einzureichen. Am ausserordentlichen Kongress in Bern vom 10. und 11. Juni begrüssten die Delegierten in einer ohne Gegenstimme und bei bloss vier Enthaltungen verabschiedeten Resolution das inzwischen vom Bundesrat in Brüssel eingereichte Gesuch [9]. Auch der EWR wurde vom SGB unterstützt, allerdings nicht ganz vorbehaltlos. Noch vor der parlamentarischen Behandlung hatte der SGB mit der Nein-Parole gedroht, falls nicht flankierende Massnahmen zum Schutz der einheimischen Arbeitskräfte vor `Lohndumping' getroffen würden. Als geeignete Mittel propagierten die Gewerkschaften die Vereinfachung der Bestimmungen, mit denen Gesamtarbeitsverträge allgemeinverbindlich erklärt werden können, die Festlegung von Minimallöhnen und die Verpflichtung, bei der Bewerbung um öffentliche Aufträge die örtlichen Anstellungsund Arbeitsbedingungen einzuhalten [10].
Obwohl diese Forderungen auch von der SP unterstützt wurden, vermochten sie sich im Parlament nicht direkt, sondern nur als Absichtserklärungen in Form von Motionen durchzusetzen. Trotzdem fassten die Delegierten des SGB mit 81 zu 3 Stimmen die Ja-Parole [11].
Bei den übrigen eidgenössischen Volksabstimmungen sprach sich der SGB für die Krankenkasseninitiative aus und gab zur Tierschutzinitiative die Stimme ebenso frei wie zur Gewässerschutzinitiative und zum IWF-Beitritt. Der SGB bekämpfte hingegen die Stempelsteuergesetzrevision, gegen die er zusammen mit der SP das Referendum ergriffen hatte [12].
Auf Ende Jahr trat Beat Kappeler nach 15jähriger Tätigkeit als Sekretär des SGB zurück. Der in Wirtschaftsfragen oft liberale Standpunkte vertretende Kappeler hatte sich nicht zuletzt auch als Europa-Kenner und engagierter Verfechter eines schweizerischen EG-Beitritts einen Namen gemacht. Zu einem europapolitischen Kurswechsel des SGB dürfte sein Rücktritt allerdings kaum führen, wurde doch dieses Dossier von der ähnliche Positionen vertretenden SGB-Sekretärin Margrit Meier übernommen [13].
Die sich weiter verschlechternde Konjunkturlage veranlasste die Gewerkschaften, in die Offensive zu gehen und vom Staat Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, vor allem des Baugewerbes, zu fordern. Den Anfang machte im Februar der CNG, der SGB folgte wenige Tage später und verlangte zusätzlich auch noch eine Lockerung der Geldpolitik der Nationalbank [14].
Der SGB gab sich an seinem ausserordentlichen Kongress vom 9. und 10. Juni in Bern ein neues Arbeitsprogramm. Dieses zeichnet sich im wesentlichen durch Kontinuität aus, postuliert aber auch eine grössere Bedeutung des Engagements für die Gleichstellung der Geschlechter in Beruf, Gesellschaft und Familie [15].
Wie der SGB entschied sich ebenfalls der CNG nach einigen Vorbehalten für ein Ja zum EWR-Vertrag. Auch die Delegierten der Vereinigung der Schweizerischen Angestelltenverbände sprachen sich fast einhellig (32:2) für den EWR-Vertrag aus [16].
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Organisation und Mitgliederbewegung
Die Vorarbeiten für die 1991 beschlossene Vereinigung der Gewerkschaften Bau und Holz (GBH) und Chemie, Textil, Papier (GCTP) konnten zu Ende gebracht werden. Der Fusionskongress vom 5. September in Zürich stimmte einem Zusammengehen auf den 1. Januar 1993 zu und gab der rund 130 000 Mitglieder zählenden neuen Organisation den Namen "Gewerkschaft Bau und Industrie" (GBI). Zum ersten Präsidenten wurde der bisherige GBH-Präsident Vasco Pedrina, zum Vizepräsidenten der bisherige GCTP-Vorsitzende Bruno Schläppi gewählt [17].
Als Nachfolgerin für den altershalber zurücktretenden Agostino Tarabusi wählten die Delegierten des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeitnehmer-Verbandes (SMUV) am 7. November die 45jährige Genfer Juristin und Nationalrätin Christiane Brunner (sp) zur neuen Präsidentin. Brunner war seit 1988 als Zentralsekretärin beim SMUV tätig gewesen und gehörte zu den Initiantinnen des Frauenstreiks von 1991. Am gleichen Kongress wurde auch eine Namensänderung beschlossen. Die bekannte Abkürzung SMUV wurde zwar beibehalten, ausgeschrieben nennt sich die Organisation in Zukunft jedoch "Gewerkschaft Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen" [18].
Der Mitgliederbestand des SGB verringerte sich auch im zweiten Jahr der wirtschaftlichen Krise. Er nahm bis zum Jahresende um 1,4% auf 436 548 ab. Der Hauptanteil dieses Rückgangs ging zu Lasten der vor allem im Baugewerbe aktiven GIB, aber auch die anderen Verbände aus der Industrie und dem Gewerbe litten unter Mitgliederschwund. Zunehmende Mitgliederzahlen verzeichneten hingegen die im staatlichen Bereich tätigen Organisationen [19].
 
[9] SN, 7.3.92; TA, 11.6.92. Vgl. auch SPJ 1991, S. 359.
[10] SGT, 4.2.92. Vgl. auch Bund, 15.5. (Renschler) und 7.9.92 (Pedrina).
[11] Presse vom 13.10.92. Zu den flankierenden Massnahmen vgl. oben, Teil I, 2 (EEE).
[12] NZZ, 28.1., 9.4. und 21.8.92.
[13] Presse vom 8.7.92. Vgl. auch LNN, 17.7.92.
[14] Bund, 8.2.92 (CNG); Presse vom 18.2.92 (SGB).
[15] NZZ, 9.6.92; Presse vom 10.6. und 11.6.92.
[16] NZZ, 19.10. (CNG) und 9.11.92 (VSA).
[17] BaZ, 15.7.92; WoZ, 28.8.92 (Sonderbeilage); Presse vom 4.9. und 7.9.92. Vgl. SPJ 1991, S. 358. Zu Pedrina siehe auch SHZ, 17.9.92 und Suisse, 27.9.92.
[18] Presse vom 7.11. und 9.11.92. Zu Brunner siehe auch SHZ, 17.12.92.
[19] SGB, 8, 8.4.93.