Année politique Suisse 1992 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
Bodenrecht
Im Januar legte der Bundesrat eine abermals revidierte Botschaft über die
Sperrfrist für die Veräusserung nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke vor. Darin kam er im wesentlichen auf die 1991 vom Parlament knapp abgelehnte Forderung nach einer Beschränkung dieser Massnahme von fünf auf drei Jahre zurück und erweiterte die Ausnahmeregelungen gegen die sog. "Kaskadenverkäufe"
[8]. Die Stellungnahmen der Kommissionen beider Räte liessen nichts Gutes erahnen. Zwar nahmen beide die bundesrätliche Vorlage an, die Kommission des Ständerats jedoch nur mit sieben zu sechs Stimmen, diejenige des Nationalrats brauchte dazu bei einem Patt von je zwölf Stimmen gar den Stichentscheid ihres Präsidenten Engler (cvp, AI)
[9].
In der Tat legte sich der
Ständerat zu Beginn der Frühjahrssession zu dem Antrag des Bundesrates quer und beharrte mit einer Mehrheit von gut zwei Dritteln auf einer ersatzlosen Streichung der Vorlage
[10]. Ein entsprechendes Begehren von bürgerlicher Seite sowie – bei dessen Scheitern – ein Eventualantrag Gysins (fdp, BL) wurde im Nationalrat, welcher gut eine Woche darauf zur Beratung zusammentrat, unter Namensaufruf knapp mit 97 zu 87 (bei zehn Enthaltungen) bzw. 96 zu 83 Stimmen verworfen. Noch dünner war die Mehrheit in der Frage, ob die Geltungsdauer auf weniger als drei Jahre verkürzt werden solle oder nicht. Für den Antrag des Bundesrates sprachen sich 92 Abgeordnete aus, 89 waren dagegen. In der Detailberatung wurden gegenüber dem ursprünglichen Text einige Korrekturen angebracht, insbesondere bei der Anbindung des Teuerungsgewinnes an die reale Teuerung, denen neben der Mehrheit des Rates auch Bundesrat Koller als Vertreter der Landesregierung zustimmen konnte. Die so bereinigte Vorlage passierte in der Gesamtabstimmung glatt mit 94 zu 10 Stimmen
[11].
In seiner zweiten Beratung kam der Ständerat auf seinen ursprünglichen Beschluss zurück und trat auf die
Detailberatung der Vorlage ein, nachdem der Schweizerische Mieterverband bei einer Aufhebung der Sperrfrist mit dem Referendum gedroht hatte
[12]. Seine grundsätzliche Reserve gegenüber dem vorliegenden Gesetz brachte er jedoch in der Annahme der von vier nicht-deutschschweizerischen Ratsmitgliedern von FDP und LP eingebrachten Empfehlung auf schnellst mögliche Aufhebung des Sperrfristbeschlusses zum Ausdruck. In der Detailberatung stimmte die Kammer weitgehend den Beschlüssen des Nationalrates zu, setzte jedoch die Geltungsdauer des Gesetzes – mit grundsätzlicher Zustimmung Bundesrat Kollers – auf zwei Jahre herab. Die links-grüne Kommissionsmehrheit, welche daraufhin im Nationalrat in dieser Frage für ein Festhalten am ursprünglichen Bundesbeschluss plädierte, hatte nunmehr einen schweren Stand. Mit deutlicher Mehrheit wurde ihr Antrag abgelehnt
[13].
Dem so verkürzten Sperrfristbeschluss wurde im
Nationalrat unter Namensaufruf mit 126 zu 49 Stimmen, bei 13 Enthaltungen und in der Ständekammer mit einstimmiger Approbation der 41 anwesenden Ratsmitglieder. die Dringlichkeit gewährt. Die Schlussabstimmungen passierte die Gesetzesmassnahme in den jeweiligen Räten mit 125 gegen 31 bzw. 36 zu 2 Stimmen
[14].
Anlässlich der Gesetzesanpassungen im Rahmen der "Eurolex" hatte der Bundesrat den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland ("Lex Friedrich") vorgelegt. Darin sah er in einer ersten Phase die Aufhebung der Bewilligungspflicht für Angehörige aus Staaten des EWR in fünf Fällen vor: a) für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, welche eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, für den Erwerb eines Grundstücks für ihre eigenen Bedürfnisse; b) für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, für den Erwerb eines Grundstücks am Ort ihres Wohnsitzes; c) für Personen, die sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten, für den Erwerb eines Grundstücks, das ihnen während ihres Aufenthalts als Wohnung oder gegebenenfalls zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit dient; d) für Personen oder Gesellschaften mit Wohnsitz oder Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem Staat des EWR, für den Erwerb eines Grundstücks zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit; e) für Personen, welche zwei Jahre lang ohne Unterbrechung in der Schweiz als landwirtschaftliche Arbeitnehmer gearbeitet haben, für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken.
In einer zweiten Phase, nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist, sollte dann auch die vorläufig noch der Bewilligungspflicht unterstellte Verwendung von Grundstücken zum gewerbsmässigen Immobilienhandel oder als Kapitalanlage für Personen aus EWR-Staaten frei sein. Durch eine Schutzklausel, welche den Einsatz geeigneter Protektionsmassnahmen erlaubt, sollte zudem möglichen unerwünschten Auswirkungen des Vertrages begegnet werden können
[15].
Die Vorlage passierte den Ständerat ohne Mühe. Die von ihm angebrachten Anderungen hatten vorwiegend präzisierenden Charakter und wurden von Bundesrat Koller ausdrücklich akzeptiert. Mit 29 gegen eine Stimme ging das geänderte Bundesgesetz nach kurzer Debatte an den Nationalrat
[16]. Dort erwuchs ihm zunächst bedeutend grösserer Widerstand. Von den Fraktionen der SD/Lega sowie der AP wurden mehrere Gesuche eingebracht, das Geschäft erst gar nicht zu behandeln. In den nachfolgenden Fraktionserklärungen sprachen sich daneben allerdings einzig die Grünen kritisch hinsichtlich einer Anderung des Gesetzes aus, ohne jedoch die Nichteintretens- oder Rückweisungsanträge der Rechten zu unterstützen, so dass diese mit jeweils verworfen wurden. Nach knapper Diskussion verabschiedete der Rat die Vorlage mit 79 gegen 22 Stimmen
[17].
Im Falle der vom
Kanton Graubünden wegen Verletzung der "Lex Friedrich" verklagten italienischen Immobilienfirmen intervenierte der Bundesrat zugunsten letzterer und legte dem Kanton Graubünden nahe, auf eine konsequente Durchsetzung des Gesetzes zu verzichten und die betreffenden Gesellschaften nicht zu liquidieren, obwohl ein solches Vorgehen zuletzt auch vom Bundesgericht gefordert worden war. Der Kanton kam der eidgenössischen Weisung nach, indem er den illegalen Grundstückserwerb nachträglich sanktionierte
[18].
Dieses Vorgehen von Bund und Kanton rief allgemeine Verwunderung hervor. Die Bündner CSP sprach in einer einstimmig verabschiedeten Resolution von einem "rechtsstaatlich skandalösen" Vorgehen. Im Kantonsparlament wie in den eidgenössischen Räten wurden in dieser Frage Dringliche Interpellationen eingereicht. In den Bundeskammern verlangten neben dem Bündner SVP-Ständerat Gadient auch Nationalrat Steffen (sd, ZH) sowie die sozialdemokratische Fraktion vom Bundesrat Auskunft über sein Eingreifen sowie die weitere Anwendung der "Lex Friedrich".
Bundesrat Delamuraz, gestand zwar " mangelnde Eleganz" in dem Vorgehen des Bundesrates ein, rechtfertigte dieses jedoch mit der Bemühung der Regierung, einem internationalen Schiedsgerichtsspruch zuvorzukommen. Ausserdem habe sich 1965, bei der Beratung über die damalige "Lex von Moos", der Vorläuferin der heutigen Gesetzgebung, nicht der Bundesrat, sondern das Parlament leichtfertig über etwaige Reibungspunkte mit dem internationalen Recht hinweggesetzt. Eine vollständige Abschaffung des Bundesgesetzes lehnte Delamuraz zwar ab, stellte jedoch im Falle der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum EWR Modifikationen in Aussicht, um ebendiesen stossenden Widerspruch zwischen schweizerischer Gesetzgebung und bilateralen Verträgen zu beseitigen
[19].
Diese Erklärungen genügten der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Mittels einer Motion verlangte sie eine Anschlussgesetzgebung an die "Lex Friedrich" mit gleich wirksamen Bestimmungen wie sie das bestehende Bundesgesetz enthält. Zur Abstimmung kam der Vorstoss jedoch nicht, da er von Leuba (lp, VD) bekämpft wurde
[20].
Auf rechtlicher Ebene wurde das vom Bundesrat empfohlene Vorgehen von der Bündner Gemeinde Pontresina mit einer Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht zunächst angefochten. Ende Jahr stimmte jedoch auch diese Gemeinde der vorgeschlagenen Vergleichslösung zu, so dass unter die Affäre der nach der "Lex Friedrich" illegal erworbenen Grundstükke juristisch ein Schlussstrich gezogen werden konnte
[21].
Für die Jahre 1993 und 1994 beantragte das EJPD eine
Herabsetzung der Kontingente für den Erwerb von Ferienwohnungen durch Personen im Ausland um 120 auf 1300 Einheiten pro Jahr, wobei der Verteilschlüssel unter den Kantonen beibehalten werden sollte. Nachdem in der Vernehmlassung jedoch vor allem von Seiten der grossen Fremdenverkehrskantone Kritik an dieser Massnahme laut geworden war, verzichtete der Bundesrat Ende Jahr auf die vorgesehene Herabsetzung der Kontingente. Die Kantone hatten ihre Kritik unter anderem mit der im Ausland wieder steigenden Nachfrage nach Immobilienbesitz in der Schweiz gerechtfertigt
[22].
Das
Referendum, welches letztes Jahr von Arbeitgeberseite sowie bürgerlichen Parlamentariern, insbesondere aus der Romandie, und dortigen Landwirtschaftsverbänden gegen das neue bäuerliche Bodenrecht ergriffen worden war, wurde im Januar mit 60 871 gültigen Unterschriften eingereicht. Mit 44% war der Anteil der Unterschriften aus der Romandie, insbesondere der Waadt, überproportional hoch
[23].
Zuhanden der Abstimmung hatten unter den Parteien FDP und LP, aber auch AP und EDU (nicht jedoch die SD) und — etwas überraschend — der LdU die Nein-Parole ausgegeben. Der negative Beschluss des LdU wurde freilich von dessen Jungpartei sowie von vier kantonalen Parteigruppen nicht mitgetragen. Auch bei den übrigen Parteien standen den Parolen der gesamtschweizerischen Parteiführungen auf kantonaler Ebene zahlreiche Abweichungen gegenüber. In sich gespalten waren besonders die bürgerlichen Parteien, während sich innerhalb von SP und Grünen keine Opposition erhoben hatte.Unter, den Verbänden wurde das neue bäuerliche Bodenrecht neben dem Schweizerischen Bauernverband namentlich von den Gewerkschaften sowie dem Mieterverband unterstützt. Die Verbände der Arbeitgeber sowie von Industrie und Gewerbe und der Schweizerische Hauseigentümerverband lehnten es ab.
Neues bäuerliches Bodenrecht. Volksabstimmung vom 27. September 1992
Stimmbeteiligung: 45,7 %
Ja-Stimmen: 1 975 408 (53,6%)
Nein-Stimmen: 917 091 (46,4%)
Parolen:
Ja: CVP (9), SP, SVP (7), GP, SD (1 *), EVP; SBV, VKMB, ,SGB, CNG, Mieterverband, WWF, Heimatschutz
Nein: FDP (5), LP, AP, LdU (4), EDU; Vorort, SGV, Hauseigentümerverband
* Anzahl abweichender Empfehlungen der Kantonalparteien
Die Abstimmung vom 27. September erbrachte bei einer Stimmbeteiligung von 45,7% eine
Ja-Mehrheit von 53,55%. Abgelehnt wurde die Vorlage von den Kantonen Schwyz, Obwalden, Zug, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Aargau, Waadt, Wallis und Jura. Erstaunlicherweise lief also der Bruch zwischen Befürwortern und Gegnern nicht entlang der Sprachgrenze, wie es aufgrund der Träger des Referendums zu erwarten gewesen wäre, sondern manifestierte sich vorwiegend zwischen konservativen, agrarisch geprägten Land- und Bergkantonen, insbesondere der Innerschweiz, und dem Rest des Landes. Gemäss der Vox-Analyse waren denn auch nicht sprachkulturelle Verschiedenheiten ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass es den Behörden gelungen war, politisch ungebundene Stimmberechtigte für ihre Sache zu mobilisieren. Dabei spielten bei der Entscheidungsfindung vorwiegend subjektiv-emotionale Beweggründe eine Rolle, da nur wenige der Stimmenden eine detaillierte Kenntnis der Vorlage besassen. Die Entscheidung fiel somit bei den Befürwortern aus Solidarität zur Bauernschaft und gegen eine befürchtete Spekulation beim landwirtschaftlichen Grundbesitz, während sich die Gegner gegen zusätzliche staatliche Marktregulierungen verwahrten
[24].
[8] BBl, 1992, I, S. 841 ff.; Presse vom 23.1.92 (vgl. insbesondere den Kommentar in der BaZ). Siehe auch SPJ, 1991, S. 180 f.
[9] StR-Komm.: Presse vom 19.2.92. NR-Komm.: Presse vom 6.3.92.
[10] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 63 ff.
[11] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 437 ff.
[13] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 222 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 557 ff.
[14] Dringlichkeit: Amtl. Bull. NR, 1992, S. 579; Amtl. Bull. SIR, 1992. S. 294; Schlussabstimmung: Amtl. Bull. NR, 1992, S. 665; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 303; AS 1992, S. 643 ff.
[15] BBl, 1992, V, S. 743 ff.
[16] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 645 ff.
[17] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1693 ff. und 2230; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 917 und 1079.
[18] Presse vom 2.4.92; NZZ, 25.4, 8.5 und 11.5.92; Kommentare in NZZ, 16.4.92 und BüZ, 24.4.92; vgl. auch das Interview mit Regierungsrat Brändli in BüZ, 24.4.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 182.
[19] BüZ, 27.4 und 23.5.92; NZZ, 23.5.92; Amtl. Bull. StR. 1992, S. 478 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1082 ff.
[20] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2158 ff.
[21] BüZ, 12.11 und 13.11.92; Presse vom 31.12.92.
[22] NZZ, 26.9 und 24.12.92; vgl. auch BüZ, 6.11.92; CdT, 14.1 1.92. Siehe auch Lit. Frei.
[23] BBl, 1992, III, S. 772 f.; Presse vom 13.1.92; vgl. SPJ 1991, S. 181 f.
[24] BBl, 1992, IV, S. 446; Presse vom 28.9.92; Vox, Analyse der eidg. Abstimmungen vorn 27.9.1992, Bern 1993, S. 36 ff.
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