Année politique Suisse 1992 : Politique sociale / Population et travail
 
Bevölkerungsentwicklung
1m Vorjahr hatten erste Ergebnisse der Volkszählung von 1990 gezeigt, dass die Wohnbevölkerung der Schweiz zwischen 1980 und 1990 unerwartet stark um 8% auf nahezu 6,9 Mio Personen zugenommen hat. Neu am Bevölkerungswachstum der 80er Jahre war, dass es zu zwei Dritteln durch den Wanderungssaldo und nur zu einem Drittel durch den Geburtenüberschuss entstand. Seit dem Beginn der Wachstumsphase in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte immer der Geburtenüberschuss den Hauptteil der Bevölkerungszunahme ausgemacht. Um diese Tendenzen auch im Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung zu analysieren, gab der Bundesrat einer interdepartementalen Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Statistik (BFS) den Auftrag, Szenarien für die künftige Bevölkerungsentwicklung der Schweiz auszuarbeiten [1].
Im Vordergrund des Interesses standen dabei die Auswirkungen eines Beitritts zum EWR (Variante "Integration"). Weitere Hauptszenarien gingen von einem Alleingang unter Beibehaltung der bisherigen Ausländer- und Asylpolitik ("Kontinuität") bzw. von einem Nullwachstum der Bevölkerung ("Stabilisierung") oder einer Schliessung der Grenzen für neue Zuwanderer (" Abgrenzung") aus. In Alternativmodellen wurden ferner der Einfluss einer zunehmenden Geburtenhäufigkeit und einer geringer wachsenden Lebenserwartung untersucht.
Für die nächsten Jahrzehnte wurde nach den als besonders realistisch eingestuften Szenarien "Integration" und "Kontinuität" mit einem weiteren Bevölkerungswachstum gerechnet. Die Einwanderung, aber auch der durch die grossen Jahrgänge der 50er und 60er Jahre verursachte höhere Geburtenüberschuss bilden die Hauptursachen dafür. Dem Integrationsszenario zufolge dürfte die Bevölkerung bis ins Jahr 2020 auf etwa 7,5 Mio ansteigen, nach dem Kontinuitätsmodell auf 7,7 Mio. Dieser Unterschied ergab sich daraus, dass bei einem Beitritt zum EWR mit einem mehr produktivitätsorientierten Wirtschaftswachstum gerechnet wurde, beim Alleingang mit einem eher extensiven. Nach beiden Szenarien wird sich der künftige Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung auf rund 22% erhöhen und – bei der Variante Integration etwas weniger deutlich als bei jener der Kontinuität – vornehmlich aus einer Zunahme bei den Nicht-EWR-Bürgern resultieren.
Alle Szenarien sagten für die nächsten dreissig Jahre einen grundlegenden Wandel in der Altersstruktur voraus. Die Zahl der 15- bis 40jährigen nimmt künftig kontinuierlich ab, wobei der stärkste Rückgang bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet wird. Das Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahrzehnten erfolgt so fast ausschliesslich bei den über 50- und vor allem bei den über 64jährigen. Es wurde geschätzt, dass nach dem Jahr 2010 rund die Hälfte der Stimm- und Wahlberechtigten über 50jährig sein dürften. Ebenso wird sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern spürbar verschlechtern. Heute kommen auf 100 Personen im erwerbstätigen Alter 24 Rentnerinnen und Rentner; im Jahre 2020 werden es bereits 34 und im Jahre 2040 deren 44 sein. Erst nach 2035 zeichnet sich ein Rückgang der Alterung der Bevölkerung und eine anschliessende Stabilisierung auf hohem Niveau ab [2].
 
[1] Die definitiven Resultate der Volkszählung wichen nur unwesentlich von den im Vorjahr veröffentlichten provisorischen Ergebnissen ab: Die Volkswirtschaft. 65/1992, Nr. 8, S. 2 f.; Presse vom 1.7.92. Siehe auch SPJ 1991. S. 201.
[2] Lit. BfS, Szenarien; W. Haug, "Abschied vom Bevölkerungswachstum? Szenarien zur Zukunft der schweizerischen Bevölkerung, 1991-2040", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 10, S. 10 ff.; Presse vont 30.5.92.