Année politique Suisse 1992 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Medikamente
24 Kantone haben dem 1988 beschlossenen neuen interkantonalen Konkordat über die Kontrolle der Heilmittel zugestimmt, Basel-Stadt und Bern allerdings nur mit Vorbehalten bzw. mit einer zeitlichen Befristung. Im Berichtsjahr führte die Ablehnung durch die Kantone Zürich und Appenzell Ausserrhoden jedoch zum Scheitern des neuen Konkordates. Der Widerstand dieser beiden Kantone erfolgte allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Mit ihrer Ablehnung wollte die Zürcher Legislative den Weg frei machen für eine Bundeslösung. Dem Konkordat warf sie vor, schwerfällig zu sein und an einem Demokratiedefizit zu leiden. Appenzell befürchtete die Stärkung der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und damit den Verlust der kantonalen Heilmittelregistrierung, was zu einschneidenden Einschränkungen in der Appenzeller Naturärztetradition führen würde [9].
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates forderte daraufhin die Landesregierung auf, umgehend ein Bundesgesetz zur Heilmittelkontrolle vorzubereiten. Der Bundesrat hatte diese Möglichkeit bei der Ausarbeitung des ersten Eurolex-Pakets erwogen, sie dann aber wegen des Widerstandes der Kantone wieder fallengelassen. Bei der Beratung der Legislaturplanung 1991-1995 hatte der Nationalrat eine entsprechende Motion der Kommission ebenfalls abgelehnt, doch war damals der negative Entscheid der Kantone Zürich und Appenzell noch nicht gefallen [10].
In seinen Richtlinien der Regierungspolitik kündigte der Bundesrat an, dem Parlament in der laufenden Legislatur ein Bundesgesetz über die Organisation der Grenzkontrolle für Heilmittel vorlegen zu wollen. Diese soll erlauben, das mit einer unkontrollierten Einfuhr verbundene Risikopotential zu überwachen, den illegalen Vertrieb von nicht registrierten Heilmitteln zu verhindern sowie für den Export von Medikamenten eine Ausfuhrkontrolle einzuführen [11].
Seit dem Inkrafttreten der neuen Radio- und Fernsehverordnung ist die Werbung für nicht rezeptpflichtige Medikamente in diesen Medien erlaubt. Ausgeschlossen sind Heilmittel, welche nur in Apotheken erhältlich sind, sowie Medikamente, bei denen eine gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung bei Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann. Die Aufsicht über die Heilmittelwerbung liegt bei der IKS. Diese nicht unumstrittene Öffnung begründete der Bundesrat mit der wettbewerbspolitischen Gleichstellung von Radio und Fernsehen mit den Printmedien [12].
Nach Ansicht des Preisüberwachers sind die Medikamentenpreise in der Schweiz massiv überhöht, werden dafür doch rund 40% mehr bezahlt als im europäischen Durchschnitt. Er forderte deshalb das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf, bei der Preiskontrolle künftig auch auf das tiefere Auslandniveau abzustellen. Die Pharmabranche wollte die Zahlen des Preisüberwachers nicht gelten lassen. Gemäss ihren Angaben sind ältere Medikamente in der Schweiz tatsächlich etwas teurer als im Ausland, neuere Präparate hingegen billiger als in den europäischen Vergleichsländern. Zumindest in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission setzte sich der Preisüberwacher durch. Die Kommission, welche nur beratende Funktion hat, fand es angemessen, die Preise für Originalmedikamente, die seit mehr als 30 Jahren auf dem Markt sind, um 15% zu senken. Die Preisschutzfrist soll zudem sowohl für alte wie für neue Medikamente von heute 30 auf 15 Jahre gesenkt werden [13].
Gegen Verfügungen zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Liste der kassenpflichtigen Spezialitäten kann künftig bei einer verwaltungsunabhängigen Instanz Rekurs eingelegt werden. Der Bundesrat setzte die Rekurskommission für die Spezialitätenliste auf den 1. Dezember ein. Gegen Entscheide dieses Gremiums ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht möglich. Damit wird fortan das ganze Beschwerdeverfahren vor verwaltungsunabhängigen Instanzen durchgeführt [14].
Der Nationalrat lehnte eine Motion Zisyadis (pda, VD) ab, welche den Bundesrat verpflichten wollte, Hersteller von Medikamenten gegen seltene Krankheiten finanziell zu unterstützen [15].
 
[9] Presse vom 18.8. und 1.12.92; TA, 17.9.92; BZ, 29.12.92. Siehe auch SPJ 1990, S. 208.
[10] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1103 ff.; NZZ, 5.5.92; BZ, 16.6.92; Bund, 29.10. und 1.12.92.
[11] BBl, 1992, III, S. 111. Siehe auch SPJ 1991, S. 211 f.
[12] Siehe dazu eine Interpellation Zwygart (evp, BE): Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1264 f.
[13] Presse vom 25.4.92: NZZ, 6.8.92; NQ, 27.9.92; BZ, 6.11.92. Pharmaindustrie: BaZ, 14.5. und 12.6.92; NZZ, 6.6. und 26.6.92; TA, 12.6.92. Apotheker: JdG, 23.5.92; Bund, 23.10.92. Gemäss dem Länderbericht Schweiz der OECD sind die Konsumgüter in der Schweiz um 40% teurer als im EG-Durchschnitt, die Medikamente hingegen um 67% (TA, 13.11.92).
[14] NZZ, 20.11.92.
[15] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2156.