Année politique Suisse 1992 : Politique sociale / Groupes sociaux / Ausländerpolitik
print
Zulassungspolitik
Die Befürchtung, dass die Schweiz nach einem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum durch eine Flut von Stellensuchenden aus den EWR-Staaten überschwemmt werden könnte, war ein wichtiges Element im Abstimmungskampf der EWR-Gegner. Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments versicherten demgegenüber, Überfremdungsängste seien nicht gerechtfertigt, da die Erfahrungen innerhalb der EG gezeigt hätten, dass kaum unerwünschte Wanderungen aus den ärmeren in die reicheren Länder stattgefunden haben, und die Schweiz zudem aufgrund anderer Faktoren (lange Arbeitszeiten, hohe Wohnungsmieten) für EWR-Staatsangehörige gar nicht so attraktiv sein dürfte. Bei den Verhandlungen mit der EG hatte die Schweiz überdies erreicht, dass ihr eine Ubergangsfrist von fünf Jahren zur schrittweisen Lockerung ihrer Ausländerpolitik gewährt wurde. Für den Fall eines massiven Zustroms von ausländischen Arbeitskräften erhielt die Schweiz ausserdem eine Schutzklausel eingeräumt, welche ihr auch nach der Übergangszeit temporäre Beschränkungen erlaubt hätte. Studien des EVD und des Bundesamtes für Statistik (BFS) belegten überdies, dass sich die Freizügigkeit des Personenverkehrs mehr – und zwar ökonomisch positiv – auf die Zusammensetzung denn auf den Umfang der Einwanderung auswirken würde und die Schweiz so oder so bis ins dritte Jahrtausend ein Einwanderungsland bleiben wird, was wegen der steigenden Überalterung der einheimischen Bevölkerung auch durchaus wünschenswert sei [10].
Im Rahmen von Eurolex regelte der Bundesbeschluss über Aufenthalt und Niederlassung der Staatsangehörigen von Staaten des EWR die fünfjährige Ubergangsfrist. Für Nichterwerbstätige sollten gewisse Erleichterungen bereits mit Inkrafttreten des Vertrags greifen. Die Bestimmungen über die erwerbstätigen Ausländer wären schrittweise gelockert worden. Das Saisonnierstatut sollte zwar etwas aufgeweicht (kürzere Fristen zur Erlangung einer Jahresbewilligung), jedoch erst am Ende der Ubergangsfrist definitiv aufgehoben werden. Allen erwerbstätigen Ausländern wurde der Familiennachzug zugestanden, allerdings nur verbunden mit einem Stellen- und Wohnungsnachweis. Abgelehnt wurden hingegen weitere, nicht EWR-bedingte Zugeständnisse wie das Verbleiberecht für Geschiedene und das Recht des Familiennachzugs auch ohne den Nachweis einer angemessenen Wohnung [11].
Anpassungen fanden auch beim Beamtengesetz statt, um den EWR-Angehörigen den Zugang zu Beamtenstellen zu ermöglichen. Für gewisse hoheitliche Tätigkeiten (z.B. Armee, Polizei, Justiz, Diplomatie) sollte – im Einklang mit den EWR-Partnern – das Schweizer Bürgerrecht jedoch Wahlvoraussetzung bleiben können. Bei der Behandlung dieser Vorlage wurde in Erinnerung gerufen, dass schon heute rund 11 000 oder 8% der Beschäftigten des Bundes Ausländer sind, mehrheitlich Angehörige von EWR-Staaten [12].
Beide Gesetzesänderungen wurden durch die Ablehnung des EWR-Vertrages in der Volksabstimmung vom 6. Dezember hinfällig.
Im Hinblick auf den anstehenden Entscheid über den Beitritt der Schweiz zum EWR beschränkte sich der Bundesrat in der Ausländerregelung 1992/93 auf kleine Korrekturen der bereits seit dem Vorjahr praktizierten Politik. Im Sinn einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hob er die Bestimmung auf, wonach Jahresaufenthalter und Grenzgänger im ersten Jahr weder Stelle, Beruf noch Kanton wechseln dürfen. Erleichtert wurde auch der interne Transfer von Führungskräften international tätiger Unternehmen. Im übrigen erinnerte der Bundesrat an die bereits Ende 1991 geänderten Grundsätze für die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte. Neue Bewilligungen sind demnach grundsätzlich Arbeitskräften aus den EG- und Efta-Staaten sowie aus den USA und Kanada vorbehalten. Aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Arbeitnehmer erhalten nur noch eine Bewilligung, wenn sie nach 1989 bereits einmal in der Schweiz gearbeitet haben [13].
 
[10] EVD, Die Auswirkungen des EWR auf Beschäftigung und Löhne in der Schweiz, Bern 1992; BfS, Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 1991-2040, Bern 1992; BZ, 25.4.92; NZZ, 6.8.92. Siehe auch oben, Teil I, 7a (Bevölkerungsentwicklung).
[11] BBl, 1992, IV, S. 214 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 659 ff. und 1074; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1629 ff. und 2225.
[12] BBl, 1992, IV, S. 232 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 666 f. und 1074; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1832 ff. und 2225.
[13] Presse vorn 29.5. und 23.10.92; LZ, 30.7.92; BZ, 25.8.92; TA, 23.10.92. Vor allen das Gastgewerbe zeigte sich besorgt über den weitgehenden Ausschluss der Jugoslawen und forderte als Ersatz die Zulassung von Arbeitnehmern aus Osteuropa (TA, 5.3.92).