Année politique Suisse 1993 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Das Parteiensystem
Eine Meinungsumfrage zur Einsc
hätzung der Parteien in bezug auf ihre Fähigkeit, aktuelle Probleme zu lösen, zeigte auf, dass zwischen 44% und 69% der Befragten überhaupt nicht daran glaubten, dass die Parteien nur eines der zur Zeit aktuellen Probleme lösen könnten. Die CVP schnitt in dieser Befragung von den Regierungsparteien am schlechtesten ab
[1]. Zwar haben die Regierungsparteien insgesamt auf nationaler Ebene in den letzten Jahren kontinuierlich Wähleranteile an die kleinen Gruppierungen und Splitterparteien verloren, sie konnten aber ihre Strukturen und Verankerungen auf lokaler Ebene aufrechterhalten oder sogar stärken. Aus diesem Grunde ist die Parteienverdrossenheit, welche von vielen Seiten beklagt wird, zu relativieren, da zwischen Anhängerschaft, aktiver Parteimitarbeit resp. Amtsausübung einerseits und Urnengängern andererseits, die gelegentlich oder regelmässig für Aussenseiterparteien oder populistische Bewegungen mobilisiert werden, zu unterscheiden ist. Eine soziologische Studie zeigte auf, dass rund 80 Prozent der 18 000 Sitze der kommunalen Exekutiven von Vertretern der traditionellen Parteien eingenommen werden. In bezug auf die Mitglied- oder Anhängerschaft der etablierten Parteien ergaben die Berechnungen, dass die CVP über eine Gefolgschaft von rund 340 000 und die FDP über eine solche von ca. 310 000 Anhängerinnen und Anhängern verfügt. Für die SVP und die SP wurde eine Parteianhängerschaft von 174 000 resp. 110 000 Personen berechnet. Die Bundesratsparteien würden damit über 930 000 Parteianhänger organisieren, was einem Ausschöpfungsgrad von 21 % der Stirnmberechtigten entspricht
[2].
Zur Frage der
Parteienfinanzierung einigten sich die Regierungsparteien anlässlich der Von-Wattenwyl-Gespräche darauf, eine Erhöhung der Fraktionsbeiträge sowie der Beiträge pro Fraktionsmitglied zu fordern. Die zu diesem Zweck eingereichte parlamentarische Initiative des Büros des Nationalrats verlangte, den Fixbetrag pro Fraktion von 50 000 auf 70 000 Fr. und jenen pro Fraktionsmitglied von 9000 auf 12 000 Fr. jährlich zu erhöhen. Ursprünglich hatten einzelne Generalsekretäre sogar von einer Erhöhung der Fraktionsbeiträge auf 100 000 und pro Mitglied auf 15 000 Fr. gesprochen. Die Gesamtentschädigung aus der Bundeskasse wäre somit gemäss den Forderungen der parlamentarischen Initiative von 2,6 auf rund 3,5 Mio Fr. angestiegen. In ihrer Begründung wiesen die Initianten auf die grosse Anzahl von eidgenössischen Urnengängen hin, welche mit enormen Kosten für die Parteisekretariate verbunden sind. Ebenso würden sich die Parteien in einer Konkurrenzsituation zu den Wirtschaftsverbänden, welche Millionenbeträge freistellen können, befinden. Zudem würde durch eine geringe Aufstockung der Mittel die relative Unabhängigkeit von Sponsorengeldern weiterhin bewahrt bleiben. Der Nationalrat unterstützte diese Forderungen, konnte sich aber gegen den Ständerat, welcher bloss eine Anpassung an die Teuerung gewähren wollte, nicht durchsetzen
[3].
Als die auch im Rüstungssektor tätige Firma Oerlikon-Bührle AG beschloss, eine ungebundene und alljährlich wiederkehrende Spende an die Bundesratsparteien in der Höhe von je 15 000 Fr. und eine solche von je 3000 Fr. an die kleinen im Parlament vertretenen Parteien auszurichten, bot dies Anlass, das Thema der Interessenbindung durch
Sponsoring seitens der Privatindustrie zur Diskussion zu stellen. Die Firma Oerlikon-Bührle begründete ihre Spende mit der wichtigen Funktion der Parteien für die Bildung der öffentlichen Meinung. Seitens der SP wurde das Geld für die Kampagne gegen Militärausgaben und gegen den Export von Kriegsmaterial verwendet. Die Grüne Partei, welche zum ersten Mal konkret mit der Problematik konfrontiert wurde, nahm die Spende erst nach einigem Zögern an
[4].
In bezug auf die zukünftige Europapolitik blieben die Regierungsparteien im Berichtsjahr in ihren Äusserungen vorsichtig. Einzig die SP fragte den Bundesrat in einer Interpellation an, ob er bereit sei, für 1994 eine zweite EWR-Vorlage als Gegenvorschlag zur Volksinitiative des "Komitee geboren am 7. Dezember" vorzubereiten. Die CVP ihrerseits kündigte an, sie werde einen Gegenvorschlag zu dieser Initiative präsentieren
[5].
Unter dem Schlagwort Innere Sicherheit forderten die bürgerlichen Regierungsparteien eine verstärkte direkte Bekämpfung der Kriminalität und die Prävention von Gewaltverbrechen. Mit der Wahl dieses Themas sollte nicht zuletzt auch die Attraktivität der bürgerlichen Parteien gegenüber den ganz rechts stehenden populistischen Parteien erhöht werden. Ausserdem wurde damit auch ein Schwerpunkt für die Kampagnen zu verschiedenen anstehenden kantonalen und kommunalen Wahlen gesetzt
[6].
Zu den einzelnen Parteien vgl. auch die Tabelle Abstimmungsparolen 1993 am Ende diese Kapitels (
parolen_1993.pdf) sowie oben, Teil I, 1 e und die verschiedenen Sachkapitel.
[1] BZ, 5.2.93; BüZ, 6.2.93.
[2] NZZ, 31.3.93. Siehe auch den ausführlichen Artikel zur Entwicklung der Parteienlandschaft in LZ, 11.5.93.
[3] Vgl. dazu oben, Teil I, 1c (Parlament).
[5] Verhandl. B.vers. 1993, V, S. 57 f.; NZZ, 22.9.93.
[6] SoZ, 17.8.93; BZ, 29.10.93; Bresche Magazin, 1993, Nr. 6, S. 7 ff. Vgl. dazu oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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