Année politique Suisse 1993 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Strafrecht
Aus der schweizerischen Kriminalstatistik ist bekannt, dass unter den Verurteilten die
Ausländer überproportional stark vertreten sind. So beträgt ihr Anteil bei den Gewaltdelikten rund 45%.
Ein guter Teil dieser Ausländer ist aber gar nicht in der Schweiz wohnhaft. Gemäss einer Auswertung des Bundesamtes für Statistik betrug der Anteil dieser Gruppe am Total aller verurteilten Straftäter im Mittel der Jahre 1987 bis 1991 bei Mord 24% und bei anderen Gewaltdelikten mehr als 10%; bei den Verurteilungen wegen Drogenhandel handelte es sich sogar bei jedem Dritten um einen nicht in der Schweiz wohnenden Ausländer
[29].
Das Problem der speziell zur Begehung von Straftaten in die Schweiz einreisenden Kriminellen beschäftigte auch das Parlament. In der Frühjahrssession überwies der Nationalrat eine von 105 Abgeordneten aus allen Fraktionen (mit Ausnahme der GP) unterzeichnete Motion Stamm (fdp, AG) als Postulat. Er lud damit den Bundesrat ein, in bilateralen Verhandlungen zu erreichen, dass
verurteilte ausländische Täter ihre Gefängnisstrafe in ihrem Herkunftsland absitzen müssen. Diese Strafverbüssung in der Heimat ist heute an das Einverständnis der Verurteilten gebunden und wird von diesen kaum genutzt
[30].
Im Ständerat hatte Monika Weber (ldu, .ZH) eine Motion eingereicht, die vor allem
verschärfte Massnahmen gegen kriminelle Asylbewerber resp. gegen Kriminelle, die sich unter den Schutz des Asylverfahrens stellen, forderte. Den Hintergrund für ihre Intervention bildete die Tatsache, dass sich unter den bei den Razzien der Zürcher Polizei verhafteten Drogendealern regelmässig über 40% Asylbewerber befinden. Sie verlangte deshalb die Internierung von Asylbewerbern, gegen welche ein Strafverfahren eröffnet wurde, und die nicht in Untersuchungshaft genommen worden sind. Für rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten Verurteilte forderte sie eine Internierung bis zur Erledigung des Asylgesuchs resp. die Ausschaffungshaft für solche, deren Gesuch bereits abgelehnt worden ist. Zudem sollte die heute auf einen Monat beschränkte Ausschaffungshaft bis zu sechs Monaten verlängert werden können, wenn die Betroffenen die Beschaffung von Ausreisepapieren behindern. In seiner Antwort betonte Bundesrat Koller, dass die Behörden bereits seit 1991 Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs des Asylverfahrens getroffen hätten, insbesondere mit der Weisung, Gesuche von straffälligen Bewerbern prioritär zu behandeln. Weitere Verschärfungen, wie etwa die Festsetzung von Aufenthaltrayons oder die in der Motion Weber erwähnten Massnahmen, würden zur Zeit von einer Expertenkommission unter rechtsstaatlichen Aspekten genau abgeklärt. Der Rat folgte seinem Antrag, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln
[31].
Nachdem er im Oktober eine Vernehmlassung durchgeführt hatte, legte der Bundesrat gegen Jahresende dem Parlament seine
Vorschläge für einen effizienteren Vollzug von Ausweisungsbeschlüssen gegen kriminelle Ausländer vor. Sie betreffen nur Personen, welche weder über eine Niederlassungs- noch eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen. Die Massnahmen richten sich nach Bundesrat Koller namentlich gegen jene, welche das Asylrecht missbrauchen, um unter dessen Schutz im Drogenhandel tätig zu sein. Wichtigstes Element soll wie bisher die prioritäre Bearbeitung der Gesuche von delinquierenden Asylbewerbern bleiben. Damit diese aber während der oft langwierigen Beschaffung von Ausreisepapieren nach einem ablehnenden Bescheid nicht weiterhin im kriminellen Milieu aktiv sein können, ist eine
Ausdehnung der Ausschaffungshaft von einem auf sechs Monate vorgesehen. Um die Suche nach Reisedokumenten zu erleichtern, soll die Polizei die Effekten der Asylbewerber durchsuchen können. Erfolgt die Verurteilung bereits vor dem Abschluss des Asylverfahrens, sollen solche Personen bis zum Entscheid in eine "Vorbereitungshaft" von bis zu drei Monaten genommen werden können. Im weiteren sollen die Behörden während der Dauer des Anerkennungsverfahrens einen Aufenthaltsrayon resp. eine Sperrzone für Asylbewerber deklarieren dürfen. Schärfere Massnahmen, wie etwa sofortige Ausschaffung von kriminellen Asylbewerbern oder Nichteintreten auf deren Gesuche kommen hingegen für den Bundesrat aus verfassungs- und völkerrechtlichen Gründen nicht in Frage
[32].
Grosses Aufsehen erregte ein Entscheid des Bundesgerichts vom 24. März 1992 im Falle eines seit 1985 in der Schweiz ansässigen und nach einer bedingten Haftentlassung erneut in Untersuchungshaft sitzenden Ausländers. Das oberste Gericht hatte die anlässlich der ersten Verurteilung
als Zusatzstrafe verhängte Landesverweisung mit der Begründung aufgeschoben, dass die Chancen einer Resozialisierung in der Schweiz besser seien als im Heimatland des Delinquenten. Eine parlamentarische Initiative Moser (ap, AG) verlangte nun, dass für Ausländer, die wegen bestimmter schwerer Verbrechen zu Zuchthausstrafen verurteilt worden sind, automatisch eine Landesverweisung auf Lebenszeit ausgesprochen wird. Diese Zusatzstrafe ist heute nur bei Wiederholungstätern möglich. Die Ratsmehrheit lehnte die Initiative Moser ab. Im Anschluss an diesen Entscheid überwies der Nationalrat jedoch eine vom Bundesrat und der Ratslinken bekämpfte Motion, welche Änderungen des StGB und des Ausländergesetzes (Anag) verlangt, damit Landesverweisungen, welche von den Gerichten als Zusatzstrafe bei schweren Verbrechen verhängt worden sind, auf jeden Fall vollzogen werden müssen. Für den Ständerat war diese Motion zu undifferenziert, weshalb er sie in ein Postulat umwandelte
[33].
[29] NZZ, 13.3.93; vgl. auch SGT, 15.4.93 sowie TA, 20.7.93 (M. Killias). Siehe auch Lit. Eisner und NZZ, 2.8.93.
[30] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 569 f.
[31] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 668 ff.
[32] BBl, 1994, I, S. 305 ff.; Presse vom 23.12.93. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 7d (Flüchtlinge).
[33] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1368 ff. (Initiative) und 1375 ff. (Motion); Amtl. Bull. StR, 1993, S. 972 f. Noch 1986 hatte der NR die Überweisung einer grundsätzlich gleichen Motion Ruf (sd, BE) mit 82:3 Stimmen abgelehnt.
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