Année politique Suisse 1993 : Chronique générale / Défense nationale / Rüstung
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Kampfflugzeuge
Gleich wie der Nationalrat im Vorjahr lehnte auch die kleine Kammer die GSoAInitiative "für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge" deutlich mit 36 zu 2 Stimmen ab. In Übereinstimmung mit Bundesrat Villiger gelangte die Ratsmehrheit zur Ansicht, es gehe hier nicht eigentlich um die Verhinderung des bereits beschlossenen Kaufes von 34 Kampfflugzeugen vom Typ F/A-18, sondern — über das im Initiativtext enthaltene Flugzeugbeschaffungsmoratorium bis ins Jahr 2000 — um eine eigentliche Selbstentwaffnung der Schweizer Armee. Auch ein Gegenvorschlag Weber (ldu, ZH), die Beschaffung des F/A-18 separat einer Volksabstimmung zu unterstellen, wurde als verkapptes Rüstungsreferendum klar verworfen. Weber hatte ihren Antrag eingebracht, damit das Volk unterscheiden könne zwischen einer Zustimmung oder Ablehnung zum Flugzeugkauf und dem von den Initianten geforderten Moratorium [41].
An einemgemeinsamen Medienauftritt begründeten die Bundesräte Ogi, Villiger und Delamuraz ihre Ablehnung der Volksinitiative mit der internationalen Glaubhaftigkeit der Schweiz sowie mit volkswirtschaftlichen Argumenten. Bundespräsident Ogi bezeichnete die Beschaffung der Flugzeuge als "europäische Pflicht", weil ein Schweizer Luftloch das Vertrauen der Nachbarn in die schweizerische Verteidungsfähigkeit erschüttern würde. Bundesrat Villiger betonte, es gebe keine sinnvolle und günstigere Alternative zum Kauf der F/A-18. Und EVD-Chef Delamuraz wies darauf hin, dass die Schweizer Montage und die mit den USA für die Beschaffung der F/A-18 ausgehandelten Kompensationsgeschäfte 20 000 Mann-Jahre Arbeit in technologisch interessanten Bereichen bringen würden [42].
Neben dem bereits oben erwähnten plebiszitären Schlagwort der "Armeeabschaffung auf Raten" waren die Auswirkungen der Kompensationsgeschäfte auf den krisengeschüttelten Schweizer Arbeitsmarkt denn auch jenes Thema, das von den Gegnern der Initiative ganz besonders hervorgehoben wurde. Auch der Bundesrat, der 1986 in Beantwortung eines Postulates Jaggi (sp, VD) den Kompensationshandel als unzeitgemäss bezeichnet und dessen schrittweisen Abbau befürwortet hatte, schwenkte voll auf diese Linie ein. Das Schweizer Büro der F/A-18-Hersteller organisierte zusammen mit der Gruppe für Rüstungsdienste und den kantonalen Amtern für Wirtschaftsförderung Informationsveranstaltungen über die Auswirkungen der Kompensationsgeschäfte auf den Arbeitsmarkt, was die Initianten als versteckte Abstimmungspropaganda werteten [43].
Von der Kampagne der Gegner immer weiter in die Armeeabschaffer-Ecke gedrängt, bekundeten die gemässigten Befürworter zusehends Mühe, ihr militärpolitisches Anliegen überzeugend vorzutragen. Stimmen von Experten aus Kreisen, die nicht als armeefeindlich bezeichnet werden konnten, welche die Flugzeugbeschaffung aber aus technischen oder finanzpolitischen Motiven oder aus Gründen der fehlenden Eurokompatibilität ablehnten, verhallten ziemlich ungehört. Auch ein überparteiliches Komitee "Ja zur Armee — Ja zu einer Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge" unter dem Präsidium von Ständerat Plattner (sp, BS), den Nationalräten Meier (gp, ZH) und Rebeaud (gp, GE) sowie alt Ständerätin Bührer (sp, SH), welches die für den Flugzeugkauf vorgesehenen 3,5 Mia Fr. lieber in eine andere Art der Luftraumüberwachung und eine moderne bodengestützte Luftabwehr investieren wollte, vermochte kaum in den Abstimmungskampf einzugreifen [44].
Volksinitiative "für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge". Abstimmung vom 6. Juni 1993
Beteiligung: 55,6%
Nein: 1 435 744 (57,2%) / 17 4/2 Stände
Ja: 1 074 661 (42,8%) / 3 2/2 Stände

Parolen:
— Nein: FDP, CVP (1*), SVP, LP, EVP (2*), APS, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, VSA; Auns
— Ja: SPS, GP, LdU (3*), PdA, Lega; SGB
Stimmfreigabe: CNG, Smuv
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Dabei hätte gerade das finanzpolitische Argument ein grosses Mobilisierungspotential gehabt, wie die im Anschluss an die Abstimmung durchgeführte Vox-Analyse nachwies. 55% der Stimmberechtigten, 65% der Nicht-Urnengänger und 91% der Ja-Stimmenden unterstützen die Aussage, angesichts der leeren Bundeskasse könnten die rund 3,5 Mia Fr. für die Beschaffung von 34 Flugzeugen für dringlichere Aufgaben gebraucht werden. Dass dieses Argument sich im Abstimmungskampf nicht stärker durchzusetzen vermochte, wurde auch darauf zurückgeführt, dass die Initiativgegner und vor allem Bundesrat Villiger offenbar erfolgreich mit der Feststellung konterten, die 34 Kampfflieger würden aus dem regulären Budget des EMD bezahlt, weshalb auch bei einer Ablehnung keine Möglichkeit bestehe, die 3,5 Mia Fr. anderen Aufgaben – etwa im Sozialbereich – zuzuführen [45].
Ein Jahr früher als vorgesehen sollen die Hunter-Flugzeuge Ende 1994 stillgelegt und mehrheitlich verschrottet werden. Das EMD begründete die vorzeitige Ausmusterung mit dem nur noch äusserst geringen Kampfwert der Hunter sowie mit finanziellen Überlegungen [46].
 
[41] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 40 ff., 48 ff. und 233; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 640 (Schlussabstimmung). Zu Vorgeschichte und Stossrichtung der Initiative siehe SPJ 1992, S. 97 ff.
[42] Presse vom 23.3.93.
[43] Presse vom 5.2.93; LZ, 28.4.93; NZZ, 30.4.93, Suisse, 4.5.93; SHZ, 6.5.93; BaZ und CdT, 13.5.93; WoZ, 14.5.93; TA, 17.5. und 1.6.93; BZ und NQ, 18.5.93. Für die Abstimmungskampagne siehe auch oben, Grundsatzfragen.
[44] BaZ, 25.3. und 11.5.93; JdG, 31.3.93; NZZ, 1.4. und 6.5.93. Der offizielle Besuch von Elisabeth Rehn, Verteidigungsministerin in der finnischen Regierung, welche 1992 ebenfalls den Kauf von F/A-18-Kampffliegern beschlossen hatte, bot dem BR wertvolle Schützenhilfe im Kampf gegen das Argument, die F/A-18 seien nicht eurokompatibel (Presse vom 31.3.93).
[45] Bund, 5.5., 6.5. und 1.6.93. Als kurz vor der Abstimmung Sparpläne von Bund und Kantonen bei den Sozialversicherungen publik würden, verneinte auch die Vorsteherin des EDI die Möglichkeit, die F/A-18-Kredite direkt zugunsten anderer Bundesaufgaben umzuleiten (TA, 3.6.93).
[46] BaZ, 4.8.93; NZZ, 23.8. und 6.10.93.