Année politique Suisse 1993 : Chronique générale / Défense nationale
Militärische Bauten
Mit 65,5 Mio Fr. beantragte der Bundesrat dem Parlament die
tiefste Investitionssumme für militärische Bauten seit Jahrzehnten. In ihrer Botschaft unterstrich die Landesregierung, das Bauprogramm 1993 entspreche nicht den ausgewiesenen Bedürfnissen, sondern ausschliesslich den im Zuge der Sparmassnahmen mehrfach gekürzten Zahlungskrediten. Der Hauptanteil des neuen Bauprogramms war mit 42,5 Mio Fr. erneut für Ausbildungsbauten reserviert, um den Rückstand bei den sanierungsbedürftigen Kasernenanlagen, Truppenunterkünften und Schiessplätzen weiter zu verringern. Beide Kammern stimmten dem Bauprogramm praktisch diskussionslos zu, wobei aber die Sprecher der jeweiligen Sicherheitskommission vor weiteren Sparübungen im Bereich der militärischen Bauten warnten
[50].
Nach Ansicht des Bundesrates bedingt das mit der "Armee 95" vorgesehene Konzept der dynamischen Raumverteidigung eine
Überprüfung des während 100 Jahren entstandenen Festungssystems. Deshalb werden in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren 14 000 von 20 000 Bauten aufgegeben, darunter auch die 40 grossen Festungsartillerie-Anlagen. Weil die Liquidierung finanziell aufwendig ist, soll sie etappenweise vorgenommen werden. Weiterhin zu verteidigen sind gemäss Bundesrat die wichtigsten Alpenübergänge. Mit dem Rüstungsprogramm 93 beantragte er deshalb 16 neue Artilleriegeschütze vom Typ Bison für die Festungsbrigaden in St. Maurice, am Gotthard und in Sargans. Für die SP und die Grünen zeugt diese Ausrichtung von überholtem Réduitdenken. Ein entsprechender Streichungsantrag Haering Binder (sp, ZH) wurde im Nationalrat jedoch deutlich abgelehnt, obgleich auch Artillerie-Experten des EMD ihre Skepsis gegenüber dem "Bison" nicht verhehlten
[51].
Auch bei der
Initiative "40 Waffenplätze sind genug – Umweltschutz auch beim Militär" erwies sich die generelle Auflage des künftigen Verbots weiterer Waffenplatzbauten als Fallstrick für das konkrete Anliegen des Schutzes der Landschaft von Neuchlen-Anschwilen (SG). Die Initiativgegner behaupteten, mit der Annahme der Initiative würde jede Sanierung eines alten Waffenplatzes in Zukunft ausgeschlossen, womit man der Armee die Grundlage entziehe, ihre Soldaten zeitgemäss auszubilden. Dem hielten die Initianten entgegen, gemäss Initiativtext sollten nur Erweiterungen der bestehenden Waffenplätze verboten werden, worunter eine Ausdehnung des Waffenplatzareals oder eine mit einer stärkeren Belastung der Umwelt verbundene Änderung der Nutzung gemeint sei. Die unpräzise Formulierung des Verbots künftiger Waffenplatzbauten sowie die starke Anlehnung der Initianten an die GSoA während der Abstimmungskampagne erlaubten den Initiativgegnern, auch dieses Begehren als verkappte Schwächung der Armee darzustellen und in die emotionsgeladene Atmosphäre des Abstimmungskampfes über die Flugzeugbeschaffung einzubeziehen
[52].
Die
mit über 55% Nein-Stimmen erfolgte Ablehnung fiel überraschend klar aus, hatten doch zu Jahresbeginn noch fast zwei Drittel der Stimmberechtigten ihre Sympathie für die Initiative bekundet. Diese konnte zudem recht nahtlos an die erfolgreiche Rothenthurm-Initiative von 1987 anknüpfen. Unter dem Sperrfeuer der bürgerlichen Gegnerschaft verlor sie aber zusehends an Boden und wurde schliesslich nur knapp weniger deutlich als die Flugzeugbeschaffungs-Initiative abgelehnt. Lediglich die fünf Westschweizer Kantone Genf, Waadt, Neuenburg, Freiburg und Jura, das Tessin und die beiden Basler Halbkantone stimmten dem Volksbegehren zu, der Kanton Jura mit 73,3% am deutlichsten, Freiburg mit 50,3% der Stimmen nur ganz knapp. Auffallend war, dass die Ostschweizer Kantone St. Gallen, Thurgau, beide Appenzell und Schaffhausen die Waffenplatz-Initiative – im Gegensatz zur restlichen Deutschschweiz – stärker verwarfen als die Flugzeug-Initiative
[53].
Volksinitiative "40 Waffenplätze sind genug – Umweltschutz auch beim Militär". Abstimmung vom 6. Juni 1993
Beteiligung: 55,6%
Nein: 1 390 812 (55,2%) / 14 4/2 Stände
Ja: 1 124 893 (44,8%) / 6 2/2 Stände
Parolen:
Nein: FDP, CVP (1*), SVP, LP, EVP, AP, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, CNG, VSA
Ja: SP, LdU (3*), GP, PdA; SGB
Stimmfreigabe: Lega
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Analyse dieses Urnenganges zeigte bei den Motiven der Nein-Stimmenden ein deutliches Muster. Für die grosse Mehrheit der Befragten waren armeepolitische und gefühlsmässige, undifferenzierte Beweggründe mit eher armeefreundlichem Charakter ausschlaggebend. Die Behauptung der Initiativgegner, eine Annahme der Initiative würde inskünftig eine sinnvolle Modernisierung der militärischen Ausbildung verhindern, wog dabei schwerer als das Argument, mit dem Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen gelte es dringenden Ersatz für die Kaserne von St. Gallen zu schaffen. Die Begründungspalette der Ja-Stimmenden war mit drei ausgeprägten Motivgruppen etwas breiter als diejenige der Gegnerschaft. Aber auch hier überwogen jene, welche armeepolitische Überlegungen – etwa die Verkleinerung der Armee im Rahmen der Reform "Armee 95" – in den Vordergrund stellten, gefolgt von jenen, die als tendenziell armeekritisch einzustufen sind. Überraschenderweise standen umweltpolitische Motive erst abgeschlagen an dritter Stelle. Anders als seinerzeit bei der Rothenthurm-Initiative war es den Initianten offenbar nicht gelungen, den Natur- und Umweltschutz zu einem zentralen Thema zu machen
[54].
Eine Motion Brügger (sp, FR), welche den Bundesrat aufforderte, aus ökologischen Gründen auf den Ausbau des
Schiessplatzes Kaisereggalp (BE) zu verzichten, wurde vom Nationalrat abgelehnt. Der Bundesrat argumentierte, es handle sich bei diesem Projekt nicht um einen Ausbau, sondern lediglich um die bessere Erschliessung des Schiessplatzes, wobei nach Möglichkeiten auf die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes Rücksicht genommen werde
[55].
Im dritten Anlauf wurde dem geplanten Ausbau des
Gebirgsschiessplatzes auf der Wendenalp (Susten, BE) die Umweltverträglichkeit attestiert. Gegen das vom EMD als Minimalvariante bezeichnete Projekt erhoben Natur- und Umweltschützer dennoch Einsprache, da die Wendenalp als wertvolles Brutgebiet von Birkwild und anderen seltenen Vogelarten gilt und eines der wichtigsten Reptilienvorkommen der Schweiz beherbergt
[56].
Das EMD will im Hinblick auf das Projekt "Armee 95" fünf der
zwölf Militärflugplätze schliessen. Da wie alle Armeebereiche auch die Flugzeugflotte um ein Drittel verkleinert wird, sollen bis Januar 1995 die Kriegsflugplätze in Saanen (BE), Ulrichen (VS), Raron (VS), Ambri (TI) und St. Stephan (BE) aufgehoben werden. Dabei werden insgesamt 29 Arbeitsplätze gestrichen. Das EMD versicherte, Entlassungen würden nach Möglichkeiten durch Umschulung, natürliche Abgänge oder Versetzung vermieden
[57].
[50] BBl, 1993, II, S. 1 ff.; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 369 . ff.; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1505 ff.; BBl, 1993, III, S. 802 ff.
[51] Amt. Bull. NR, 1993, S. 1509 ff.; Bund, 24.6.93; NZZ, 27.8.93; NQ, 30.9.93.
[52] LZ, 17.4.93; Bund, 21.4.93; LNN, 1.5.93; NZZ, 4.5. und 12.5.93; TA, 27.4., 5.5., 7.5. und 18.5.93; BZ, 15.5. und 26.5; SGT, 22.5. und 31.7.93; JdG, 1.6.93; Presse vom 7.6.93. Für die Vorgeschichte und den Inhalt der Initiative siehe SPJ 1990, S. 93 f., 1991, S. 105 f. und 1992, S. 100. Für den Abstimmungskampf siehe oben, Grundsatzfragen.
[53] BBl, 1993, II, S. 1433 ff.; Presse vom 7.6.93.
[54] Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 6. Juni 1993, Adliswil 1993.
[55] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1528 ff.
[56] TW, 6.1.93. Siehe auch Stellungnahme des BR in Amtl. Bull. NR, 1993, S. 655.
[57] Presse vom 13.11.93.
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