Année politique Suisse 1993 : Chronique générale / Défense nationale
 
Zivilschutz
Nachdem seine Entwürfe in der Vernehmlassung mehrheitlich positiv aufgenommen worden waren – einzig SP, GP, SGB und Schweizerischer Friedensrat meldeten grundsätzliche Bedenken an –, verabschiedete der Bundesrat im Sommer seine Botschaft zum neuen Zivilschutzgesetz und zum teilrevidierten Schutzbautengesetz. Mit der Vorlage wird das vom Parlament im Vorjahr genehmigte Leitbild für ein effizienteres und kostengünstigeres Schutz-, Rettungs- und Hilfsinstrument bei Notsituationen aller Art in die Tat umgesetzt [63]. Insgesamt fast zwei Mia Fr. billiger – aber dennoch besser aktionsfähig als bisher – soll der Zivilschutz der Zukunft werden. Die geplanten Änderungen lassen sich aber wegen Geldknappheit erst gegen das Jahr 2010 verwirklichen.
Insgesamt wird der neu konzipierte Zivilschutz von einer Hilfsformation im Kriegsfall zu einer Organisation der Katastrophen- und Nothilfe aufgewertet. Das Dienstpflichtalter wird von 60 auf 52 Jahre herabgesetzt. Damit wird der Zivilschutz nicht nur verjüngt, sondern auch um rund ein Drittel verkleinert. Der Sollbestand sinkt von 520 000 auf rund 380 000 Personen. Frauen und niedergelassene Ausländer können freiwillig Dienst leisten. Der Zivilschutz wird künftig auch im grenznahen Ausland eingesetzt werden können. Die Brandbekämpfung, bisher ein wichtiges Element des Zivilschutzes, wird fortan ausschliesslich den rund 60 000 Feuerwehrleuten übertragen, die dafür von der Zivilschutz-Dienstpflicht befreit werden.
Die Ausbildung erhält – vor der persönlichen Ausrüstung des Zivilschutz-Pflichtigen und insbesondere vor dem Schutzraumbau – die erste Priorität. Nach dem Motto "Die richtige Person am richtigen Platz" soll mit einem Einteilungsrapport eine gezieltere Zuteilung der Dienstpflichtigen erreicht werden. Die flexible zeitliche Gestaltung der Wiederholungskurse wird es erlauben, Zivilschützer statt wie bisher jährlich ein bis zwei Tage neu beispielsweise alle fünf Jahre für zehn Tage aufzubieten.
Das gleichzeitig teilrevidierte Schutzbautengesetz sieht eine Lockerung der Baupflicht für Hauseigentümer vor. Zwar wird am Ziel, für jedermann einen Schutzplatz bereitzustellen, festgehalten, doch wird angesichts des heute erreichten Deckungsgrades von 90% künftig bei Um- und Aufbauten sowie bei Nutzungsänderungen auf den Bau von Schutzräumen verzichtet. Auch vom Bau von Notspitälern wird abgesehen, während der Bau von sanitätsdienstlichen Anlagen reduziert wird [64].
In der Wintersession verabschiedete der Ständerat einstimmig sowohl das neue Zivilschutzgesetz wie das revidierte Schutzbautengesetz, ohne am Vorschlag des Bundesrates nennenswerte Änderungen vorzunehmen. Ein Rückweisungsantrag Zimmerli (svp, BE), welcher eine engere Abstimmung zwischen Zivilschutz- und Militärgesetz sowie die Zuweisung der beiden Bereiche ans gleiche Departement erreichen wollte, wurde klar abgelehnt [65].
Eine im Frühjahr im Auftrag des Bundesamtes für Zivilschutz durchgeführte repräsentative Umfrage zeigte, dass zwei Drittel der Befragten – 64% in der Deutschschweiz und 71 % in der Romandie – die stärkere Ausrichtung des Zivilschutzes auf die Katastrophen- und Nothilfe in Friedenszeiten befürworten. 42% der Deutschschweizer und 45% der Romands wussten um die laufenden Reformbemühungen, wobei der Wissensstand auf dem Land etwas besser war als in der Stadt [66].
Nach ihrer Niederlage in der Volksabstimmung vom 6. Juni (s. oben) verzichtete die "Gruppe für eine Schweiz ohne Armee" (GSoA) vorderhand auf ihre 1992 angekündigte Volksinitiative "zur Abschaffung des Zivilschutzes" [67].
 
[63] Zu diesem Konzept siehe SPJ 1992, S. 103.
[64] BBl, 1993, III, S. 825 ff. Vernehmlassung: Presse vom 21.4. und 6.7.93. In einem Zusatzbericht bezifferte der BR die bis 2010 möglich werdenden Einsparungen sogar auf 2,3 Mia Fr. (NZZ, 21.10.93). In Anbetracht dieser Vorgaben verabschiedete der NR im Einverständnis mit dem BR diskussionslos eine Motion Baumberger (cvp, ZH), welche den BR ersucht, die bis Ende 1995 laufende Frist für die Ausrüstung der privaten Schutzräume angemessen zu verlängern (Amtl. Bull. NR, 1993, S. 568). Aus formatrechtlichen Gründen (Kompetenz des BR) überwies der StR die Motion lediglich als Postulat (Amtl. Bull. StR, 1993, S. 976).
[65] Amtl. Bull. StR, 1993, 880 ff.
[66] Presse vom 20.7.93.
[67] Baz, 21.7.93. Siehe auch SPJ 1992, S. 103.