Année politique Suisse 1993 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturpolitik
Die anhaltende Rezession und dabei vor allem die sich weiter verschlechternde Lage auf dem Arbeitsmarkt veranlassten das Parlament, nun doch noch Massnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft zu beschliessen. Den wahren Hintergrund dazu bildete allerdings ein
Kompromiss zwischen den Vertretern der bürgerlichen Bundesratsparteien und der SP in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK). Die SP hatte ihre Unterstützung für die Einführung der Mehrwertsteuer zu einem Satz von lediglich 6,5% von der Verabschiedung eines Konjunkturförderungsprogramms abhängig gemacht
[12].
Die WAK übernahm wesentliche Elemente aus den im Dezember 1992 von der SP-Fraktion eingereichten fünf parlamentarischen Initiativen in der Form von zwei eigenen Initiativen für den Erlass von zwei dringlichen Bundesbeschlüssen. Die eine verlangte einen Bonus für Bauinvestitionen der Kantone, Gemeinden und öffentlichen Institutionen sowie zusätzliche Investitionen im Bereich der energietechnischen Sanierung von Gebäuden. Die andere forderte eine befristete Aufstockung der Mittel für die staatliche Unterstützung des Wohnungsbaus und des landwirtschaftlichen Hochbaus. Nicht berücksichtigt wurden von der WAK hingegen die Forderungen der SP nach Zinszuschüssen für Risikokapital und nach finanziellen Ausbildungshilfen für jugendliche Arbeitslose.
Damit eine konjunkturpolitische Wirksamkeit der Investitionszuschüsse garantiert ist, sollen diese nur für Vorhaben ausgerichtet werden, welche zusätzlich zu den ohnehin vorgesehenen realisiert und bis Ende 1994 abgeschlossen sein werden. Die Beiträge werden gemäss dem Antrag der WAK nur an nicht bereits vom Bund subventionierte Vorhaben geleistet und sind an die Bedingung gekoppelt, dass sie nicht zur Kürzung von Beiträgen anderer öffentlicher Institutionen führen. Der Bundesbeitrag soll 15% der Kosten (für bestimmte Projekte im Energiebereich 20%) der einzelnen Vorhaben ausmachen und für 1993 die Gesamtsumme von 250 Mio Fr. nicht übersteigen. Für die Förderung der Hochbautätigkeit im Rahmen des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes schlug die WAK eine Aufstockung der Mittel für zinsgünstige oder zinslose Darlehen um 100 Mio Fr. für die Jahre 1993 und 1994 vor
[13].
Im Nationalrat beantragten die Liberalen und die AP erfolglos Nichteintreten, da die Stützungsmassnahmen zu spät wirksam und den gerade im Baugewerbe notwendigen Strukturbereinigungen entgegenlaufen würden. Zudem vertrügen sich diese zusätzlichen Ausgaben von 300 Mio Fr. schlecht mit dem gegenwärtigen Zustand der Bundesfinanzen. Diese Bedenken wurden zwar grundsätzlich auch von den Fraktionssprechern der FDP, der SVP und des LdU geteilt. Um die Vereinbarung mit der SP über die Einführung der Mehrwertsteuer nicht aufs Spiel zu setzten, unterstützten sie das Paket aber gleichwohl. Bundesrat Delamuraz sprach sich, allerdings ohne Enthusiasmus, ebenfalls für die Ankurbelungsmassnahmen aus. In der Detailberatung passierten beide Vorlagen ohne Änderungen.
Der
Ständerat akzeptierte das Programm ebenfalls, nahm allerdings einige Modifikationen vor. So beschloss er auf Antrag Beerli (fdp, BE), dass auch Investitionen, die bereits über die Berggebietshilfe (IHG) unterstützt werden, vom Bonus sollen profitieren können. Zudem stimmte er einem im Nationalrat von Bühler (svp, GR) erfolglos vertretenen Antrag zu, den für den Investitionsbonus vorgesehenen Betrag um 50 Mio Fr. zu kürzen und im Gegenzug neben dem Wohnungsbau auch die landwirtschaftlichen Hochbauten mit dieser Summe zusätzlich zu unterstützen. Im weiteren verlängerte er die Realisierungsfrist der unterstützungswürdigen Projekte um ein halbes Jahr auf Mitte 1995. In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat den Entscheiden der kleinen Kammer an
[14].
Obwohl sich im Herbst 1992 die von Bundesrat Delamuraz zu Konsultationen eingeladenen Vertreter der
Gemeinden noch skeptisch in bezug auf den Erfolg eines Investitionsbonus gezeigt hatten,
machten sie nun von dieser ausserordentlichen Subvention für vorgezogene Bauprojekte
regen Gebrauch. Besonders gross war die Zufriedenheit in der Westschweiz, da der Bundesrat bei der Zuteilung der zur Verfügung stehenden Summe nicht bloss die Grösse eines Kantons, sondern auch seine Arbeitslosenrate berücksichtigt hatte. Die SP wie auch die Gewerkschaft Bau und Industrie forderten eine Aufstockung um weitere 200 Mio Fr., was aber von den bürgerlichen Regierungsparteien abgelehnt wurde
[15].
[12] TA, 28.1.93. Vgl. auch Stucky (fdp, ZG) in Amtl. Bull. NR, 1993, S. 190. Zu den auch vom SGB unterstützten SP-Vorstössen für ein Ankurbelungsprogramm siehe SPJ 1992, S. 110 sowie TW, 18.2.93. Zur Mehrwertsteuer siehe unten, Teil I, 5 (Bundesfinanzordnung).
[13] BBl, 1993, I, S. 1568 ff.
[14] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 175 ff., 192 ff., 471 ff., 502 und 639 f.; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 174 ff. und 232; BBl, 1993, I, S. 1046; AS, 1993, S. 1068 ff. (Wohnungsbau) und 1072 ff. (Bonus).
[15] Erfolg: Bund, 11.5.93; LM, 19.7.93; NQ, 2.11.93; Presse vom 13.11.93. Aufstockung: NQ, 30.8.93; TA, 13.11.93.
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