Année politique Suisse 1993 : Economie / Crédit et monnaie
 
Börse
Im Februar veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft für die Schaffung eines Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel, welches die bisherigen kantonalen Regelungen ablösen soll und damit auch die legislativen Voraussetzungen zur Einführung einer Elektronischen Börse Schweiz schaffen würde. Dieses neue Gesetz soll als Rahmenordnung konzipiert und den Hauptzielen des Anlegerschutzes und der Funktionsfähigkeit der Märkte verpflichtet sein. Ein wesentliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele ist nach Ansicht des Bundesrates eine möglichst grosse Markttransparenz. Die Bewilligung zum Betreiben von Börsen und zur Ausübung des Effektenhandels soll vom Staat erteilt werden, die Organisation und Überwachung des Handels sowie die Zulassung von Effekten zum Handel soll hingegen der Selbstregulierung der Börsenbetreiber überlassen bleiben. Der Bundesrat möchte mit dem neuen Gesetz auch die Offenlegung von wichtigen Beteiligungen an kotierten Gesellschaften vorschreiben und eine Regelung für Übernahmen schaffen. Es geht dabei darum, dass ein einzelner Aktionär oder eine Aktionärsgruppe beim Überschreiten einer Beteiligungsgrenze von 33,3% den Minderheitsaktionären ein öffentliches Kaufangebot machen muss. Im Sinne eines Kompromisses möchte der Bundesrat der Aufsichtsbehörde jedoch die Kompetenz einräumen, Familienaktiengesellschaften bei Aktienübertragungen innerhalb der Familie von der Vorschrift eines öffentlichen Angebots zu entbinden. Als staatliches Aufsichtsorgan ist die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) vorgesehen, die zu einer Banken- und Börsenkommission erweitert werden soll [17].
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerats beantragte, auf den Entwurf des Bundesrates zwar einzutreten, aber das Prinzip der Selbstregulierung der Börsen wesentlich stärker zu gewichten und die Regel- und Aufsichtskompetenzen des Bundesrates massiv einzuschränken. Insbesondere schlug sie vor, dass die Beschwerdeinstanz von den Börsen selbst eingerichtet werden kann, und nur für die Oberaufsicht eine nicht private Instanz in Form der EBK zuständig sein soll. In der Frage der Übernahmeangebote beantragte sie ebenfalls eine andere Lösung als der Bundesrat. Sie lehnte die Differenzierung zwischen Familienaktiengesellschaften und Publikumsgesellschaften ab und schlug vor, dass alle börsengängigen Gesellschaften innerhalb eines Jahres im Rahmen einer Generalversammlung selbst entscheiden sollen, ob sie ihre Gesellschaft von der Vorschrift eines öffentlichen Angebots für Minderheitsaktionäre entbinden wollen. Wer von dieser "opting out"-Klausel Gebrauch machen würde, bliebe zwar weiterhin kotiert, hätte aber mit negativen Auswirkungen auf den Kurs seiner Aktien zu rechnen. Schliesslich formulierte die WAK auch die grenzüberschreitende Amtshilfe restriktiver als im Entwurf des Bundesrats vorgesehen. Gegen den Widerstand von Bundesrat Stich setzte sich die Ständeratskommission im Plenum mit ihren Abänderungsanträgen durch [18].
 
[17] BBl, 1993, I, S. 1369 ff.; Presse vom 2.3.93. Vgl. auch SPJ 1992, S. 119. Siehe auch NZZ, 10.2. (Übernahmeregelung) und 27.4.93 (Elektronische Börse Schweiz) sowie Lit. Langhart.
[18] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 998 ff. Vgl. auch Bund, 19.11.93.