Année politique Suisse 1993 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Allgemeine Umweltpolitik
Zehn Jahre nach Verabschiedung des Umweltschutzgesetzes zog das BUWAL Bilanz über den Erfolg der verschiedenen Massnahmen in den einzelnen Umweltbereichen. In der Luftreinhaltung wurde eine Reduktion der Schwefeldioxide (SO2) um ca. 56% festgestellt, die Emissionen von Stickoxid und Kohlenwasserstoff konnten zwar auch gesenkt werden, erreichten aber die gesteckten Ziele noch nicht. Als Erfolg bezeichnete das BUWAL auch die Verminderung der Siedlungsabfälle mittels neuer Abfallbewirtschaftungskonzepte sowie die Anwendung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). In den Bereichen Boden- und Lärmschutz wurden bisher die nötigen Erhebungen in Form eines nationalen Beobachtungsnetzes resp. von Katastern durchgeführt, was die Grundlagen für die Erarbeitung von weiteren Massnahmen bildete [1].
Zwei breit abgestützte Initiativkomitees von je rund 200 Persönlichkeiten haben die Volksinitiative "für einen Solarrappen" (sogenannte "Solarinitiative") und die Volksinitiative "für die Belohnung des Energiesparens und gegen die Energieverschwendung" (Energie-Umwelt-Initiative) lanciert [2].
Gemäss einer Studie der Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft (wf) erwies sich das vom BUWAL empfohlene Modell einer Ökobilanz zur Beurteilung der Umweltbelastung, die sogenannte Umweltbelastungspunkte-Methode (UBP-Methode), als unzulänglich und wenig aussagekräftig. Anstelle einer standardorientierten Methode schlug die wf ein "Betriebliches Umwelt-Informationssystem" (BUIS) vor. Dies soll eine Ökobilanz nach dem Modell einer ökologisch-ökonomischen Effizienz ermöglichen, das auch die sozialen Faktoren in die gesamtheitliche Betrachtung von Betriebsabläufen und Prozessen miteinschliesst [3].
Insgesamt verbesserte sich im Berichtsjahr die Umweltqualität in der Schweiz geringfügig; einerseits bewirkte die anhaltende wirtschaftliche Rezession einen geringeren Gesamtenergieverbrauch und damit einen rückläufigen Schadstoffausstoss gegenüber dem Vorjahr; andererseits nahm die Mobilität in bezug auf die gefahrenen Strassenkilometer, zwar verlangsamt, weiter zu, was die Fortschritte in der Verbesserung der Luftqualität vor allem bezüglich des CO2-Ausstosses relativierte [4].
Der Bundesrat verabschiedete zuhanden der eidgenössischen Räte die Botschaft über die Finanzierung der Umgestaltung und des Ausbaus des Genfer Palais Wilson in ein "Umwelthaus". Er ersuchte das Parlament, einen Verpflichtungskredit von 80 Millionen Fr. zur Finanzierung der Renovation des Palais Wilson zu bewilligen, um die Rolle der Schweiz als Gastland von internationalen Organisationen zu stärken und damit einen wesentlichen Bestandteil der schweizerischen Aussenpolitik zu festigen. In diesem künftigen Umwelthaus sollen das Regionalbüro für Europa des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und die ihm angeschlossenen Organisationen (wie z.B. Basler Konvention, Konvention über die Biodiversität), die Interimssekretariate des Übereinkommens über die Artenvielfalt resp. über die Klimaveränderungen sowie das Internationale Verhandlungskomitee zum Übereinkommen über die Wüstenbildung untergebracht werden. Nach Abschluss der Arbeiten soll das Umwelthaus der Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) zur Verwaltung übergeben werden [5].
Über das Verhältnis Landwirtschaft und Umweltschutz wird an anderer Stelle berichtet [6].
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Internationale Umweltschutzbestrebungen
Nachdem der Ständerat die Klimakonvention der UNCED einstimmig gutgeheissen hatte, stimmte der Nationalrat gegen Minderheiten aus rechtskonservativen Kreisen, welche Rückweisung resp. Nichteintreten forderten, mit 90 zu 24 Stimmen in der Gesamtabstimmung der Vorlage zu. Am 12. Juni 1992 hatte die Schweiz das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen der internationalen Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de. Janeiro (Brasilien) unterzeichnet. Das Übereinkommen sieht unter anderem die Ausarbeitung und Umsetzung nationaler Programme mit Massnahmen zur Begrenzung der Emission von Treibhausgasen vor. Zusammen mit Osterreich und Liechtenstein hat sich die Schweiz aber in einer Zusatzerklärung insbesondere verpflichtet, geeignete Massnahmen zu treffen, um bis zum Jahr 2000 den Ausstoss von Kohlendioxid und anderer Treibhausgase — abgesehen von jenen, deren Emissionen schon im Montrealer Protokoll (bezüglich VOC) geregelt sind — auf das Niveau von 1990 zurückzuführen [7].
In seiner Antwort auf die Motion der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie, welche ein Konzept und einen genauen Zeitplan für die Umsetzung der am Erdgipfel in Rio (UNCED) formulierten Ziele verlangte, verwies der Bundesrat unter anderem auf die Bildung eines neuen interdepartementalen Ausschusses auf Direktorenebene. Ferner wurde eine interdepartementale Koordinationsgruppe, zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern aller interessierten Bundesämter, gegründet, die diesen Ausschuss unterstützt. Ziel ist die Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplanes zur Umsetzung der an der Konferenz von Rio vorgelegten "Agenda 21". Der Bundesrat wies im übrigen auf die bereits verabschiedeten sektoriellen Programme in den Bereichen Energie und Luftverschmutzung (Energie 2000, Luftreinhaltekonzept) hin, welche einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der schweizerischen Verpflichtungen leisten [8].
Der Globale Umweltfonds (Global Environnement Facility, GEF), welcher 1990 geschaffen und im Rahmen der Weltbank dem UNO-Umwelt- und Entwicklungsprogramm zugeordnet wurde, war im Rahmen der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio zum wichtigsten Finanzierungsinstrument für globale Umweltprojekte wie beispielsweise Massnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen bestimmt worden. Die Schweizer Delegation stellte im Berichtsjahr eine zweite Tranche von 80 Mio Fr. für Umweltprojekte in der Dritten Welt in Aussicht. Die Schweizerische Projektfinanzierung war jedoch recht umstritten, da an der Mitgliederkonferenz in Cartagena (Kolumbien) ein interner Evaluationsbericht diskutiert wurde, der gravierende Mängel in der Zieldefinition der Umweltprojekte offengelegt sowie undurchsichtige Kompetenzverhältnisse festgestellt hatte [9].
Nachdem die Eidgenossenschaft im Rahmen der 700-Jahr-Feier Schuldstreichungen gegen Umweltprojekte (Debt for Nature Swaps) zugunsten von Drittweltländern vorgenommen hatte, kam gegen Ende des Berichtsjahres auch Polen in den Genuss eines derartigen Schuldenerlasses in der Höhe von 70 Mio Fr. [10].
Parallel zur zweiten paneuropäischen Umweltministerkonferenz in Luzern konferierten auch die Nichtregierungsorganisationen (NGO). Neben einer Vorkonferenz organisierten diese privaten Umweltorganisationen ein Rahmenprogramm zur Umweltkonferenz, welches als Öko-Festival bezeichnet wurde. Sowohl Wirtschafts- als auch Umweltverbände äusserten die Erwartung, dass die westlichen Länder konkrete Schritte zur Umsetzung ihrer umweltpolitischen Vorreiterrolle in Ost- und Mitteleuropa unternehmen würden. Die Konferenz der vorbereitenden Expertengruppe, zusammengesetzt aus Regierungsvertretern und Repräsentanten der OECD sowie der Weltbank, setzte im Umwelt-Aktionsprogramm einen Schwerpunkt auf die Forderung einer gesamteuropäischen CO2- und Energieabgabe. Unter dem Vorsitz von Bundesrätin Ruth Dreifuss diskutierten und berieten über 40 Umweltminister aus europäischen Ländern, Delegationen der EU, aus den USA, Kanada, Australien und Japan und Vertreter von über einem Dutzend internationaler sowie nichtstaatlicher Organisationen (NGO) das Umwelt-Aktionsprogramm für Mittel- und Osteuropa, den Bericht "Europas Umwelt 1993", das Umweltprogramm für Gesamteuropa sowie die vom Europarat vorgeschlagene Strategie für den Schutz der Natur in Europa. Die zentralen Fragen wie beispielsweise die künftige Politik im Bereich der Atomenergie in Osteuropa oder die Einführung einer koordinierten CO2-Abgabe blieben jedoch bis am Schluss umstritten. Die Konferenz wurde mit einer zehnseitigen Ministererklärung abgeschlossen, welche in 29 Punkten die wichtigsten Bereiche, in denen schnelles Handeln als erforderlich empfunden wird, auflistete. Im übrigen beschlossen die Ministerinnen und Minister ein Umweltaktionsprogramm für Ost- und Mitteleuropa, ohne allerdings finanzielle Zusicherungen zu gewähren [11].
Die kleine Kammer überwies dem Bundesrat eine Petition zur Kenntnisnahme, welche die im Dezember 1992 gegründete Stiftung "Grünes Kreuz der Umwelt" an die eidgenössischen Räte gerichtet hatte. Die Petitionäre verlangten darin eine finanzielle Unterstützung des Grünen Kreuzes der Umwelt durch die Bundeskasse. Die Starthilfe sollte 15 Millionen Franken für die nächsten fünf Jahre betragen. Die Aufgabe des Grünen Kreuzes sollte vor allem darin bestehen, in Zusammenarbeit mit Organisationen der Vereinten Nationen sogenannte "Grünhelme" auszubilden und für Krisen-, Sanierungs- sowie Umwelt-Katastrophenfälle bereitzustellen [12]. Die Urheber dieser Organisation merkten erst im Berichtsjahr, dass bereits eine internationale Organisation mit demselben Namen bestand. Diese war am Rand des Erdgipfels von Rio auf holländische Initiative gegründet und vom früheren sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow präsidiert worden. Nach längeren Gesprächen wurde die Fusion der beiden Organisationen als NGO mit dem Namen "Internationales Grünes Kreuz" beschlossen. Die Präsidentschaft übernahm Gorbatschow, Direktor wurde Nationalrat Wiederkehr (ldu, ZH). Das operationelle Zentrum wurde im Genfer Vorort Conches eingerichtet, während in Den Haag (NL) der Hauptsitz der Organisation mit einem Forschungs- und Informationszentrum seinen Betrieb aufnahm [13].
Der Nationalrat hat ein Zusatzprotokoll betreffend die Bekämpfung flüchtiger organischer Verbindungen (VOC), welches ein Teil des 1983 ratifizierten Übereinkommens der UNO-Wirtschaftskommission für Europa über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen darstellt, angenommen. VOC-Emissionen, welche eine wichtige Vorläufersubstanz bei der Bildung von troposphärischem Ozon (Sommersmog) darstellen, sollen gemäss dem Protokoll von den Vertragsparteien bis zum Jahr 1999 gegenüber einem Basisjahr zwischen 1984 und 1989 um 30 Prozent gesenkt werden. Die Schweiz hat als Basisjahr 1984 gewählt. Angesichts der Revision des Umweltschutzgesetzes, welche eine VOC-Lenkungsabgabe vorsieht, wird die Schweiz wahrscheinlich in der Lage sein, die Verpflichtungen einzuhalten. Allerdings bleiben die Vorgaben deutlich hinter denjenigen des schweizerischen Luftreinhaltekonzepts und der Luftreinhalteverordnung (LRV) zurück [14].
 
[1] NZZ, 7.10.93.
[2] Vgl. dazu oben, Teil I, 6a (Politique énergétique und Energies alternatives).
[3] NZZ, 30.10.93; siehe auch Lit. wf. Vgl. dazu auch die Tagung "Methoden für Ökobilanzen und ihre Anwendung" vom 24. November in Baden (NZZ, 26.11.93).
[4] BZ, 30.12.93.
[5] BBl, 1993, IV, S. 421 ff.; BaZ und NZZ, 21.10.93. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Organisations internationales).
[6] Siehe oben, Teil I, 4c.
[7] BBl, 1993, II, S. 121 ff.; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1498 ff.; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 433 ff.; Presse vom 10.6., 21.9. und 24.9.93. Der BR hatte bereits im Oktober 1990 die Absicht erklärt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren. Das Montrealer Protokoll wurde durch die – in Nairobi im Juni 1991 beschlossenen – in einer Anlage D festgelegten Zusätze vervollständigt (AS, 1993, S. 1736).
[8] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1965 ff. Siehe auch SPJ 1992, S. 185 f. Vgl. auch Amtl. Bull. StR, 1993, S. 15 ff.
[9] NZZ und Bund, 9.11.93; BaZ und TA, 27.11.93; TG, 15.12.93.
[10] NQ, 20.12.93.
[11] Presse vom 14.4., 28.-30.4. und 1.5.93; NZZ, 3.5.93; Ww, 6.5.93. Siehe auch Umweltschutz in der Schweiz, 1993, Nr. 1, S. 2 ff. und Umweltschutz (SGU), 1993, Nr. 3. S. 188.
[12] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 574 f. Siehe auch SPJ 1992,
[13] Presse vom 21.4. und 21.6.93; JdG, 16.6.93.
[14] BBl, 1993, II, S. 669 ff.; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1578 f.