Année politique Suisse 1993 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Natur- und Heimatschutz
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Alpenkonvention
Die Bergkantone, insbesondere der Kanton Graubünden, nahmen eine ablehnende Haltung gegenüber den Entwurfsprotokollen zu den Bereichen Berglandwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflege, Raumplanung, Tourismus und Verkehr ein, welche als Ausführungsgrundlage der im November 1991 unterzeichneten Alpenkonvention dienen sollten. Nach Ansicht der Gebirgskantone wurden in den Protokollentwürfen einerseits die Anliegen der betroffenen Bevölkerung hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung zu wenig berücksichtigt, andererseits erhielten die Umweltschutzämter und -organisationen in ihren Augen ein zu grosses Gewicht. Im Vernehmlassungsverfahren zu den Protokollentwürfen äusserten sich vier Kantonsregierungen (AR, NW, OW, GR) generell skeptisch bis ablehnend zur Konvention und zu den Zusatzprotokollen. Der Bundesrat reagierte auf den heftigen Protest und die Rückzugsdrohung der Bündner Regierung mit der Bildung einer Arbeitsgruppe, welche eine Stellungnahme zur Alpenkonvention und den entsprechenden Protokollen ausarbeitete. Diese im Dezember vom Bundesrat verabschiedete Stellungnahme bildete zusammen mit einem Gutachten "Bevölkerung und Wirtschaft" der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) die Verhandlungsgrundlage für die schweizerischen Bemühungen, die fünf Protokollentwürfe mit spezifischen sozioökonomischen Anliegen der schweizerischen Alpenregionen zu ergänzen. Die Ratifizierung der Konvention soll erst erfolgen, wenn befriedigende Ergebnisse bei der Formulierung der Zusatzprotokolle vorliegen [53].
Das Verlangen nach mehr regionaler Autonomie kam auch bei der Konferenz der Regierungschefs der Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer (Arge Alp), welche unter dem Vorsitz des Bündner Regierungspräsidenten Maissen (cvp) in Flims (GR) stattfand, zum Vorschein. Die Mitglieder verabschiedeten eine Resolution, in welcher sie ein Europa der Regionen forderten. Die gleiche Stossrichtung verfolgte die "Communauté de travail des Alpes occidentales" (COTRAO) mit ihrer Kritik an der wachsenden Fremdbestimmung der Alpenregionen [54].
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Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG)
Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der nach der Annahme der Rothenturm-Initiative erforderlich gewordenen Revision des NHG. Bei der Eingliederung des Bereichs Denkmalpflege stimmte die grosse Kammer den Beschlüssen des Ständerats zu. Beim zweiten Problemkreis, den Inventaren der Objekte von nationaler Bedeutung, hat der Nationalrat die Formulierung des Ständerats übernommen, wonach die Gestaltung und Nutzung der Moorlandschaften nur zulässig sind, wenn sie der Erhaltung der moorlandschaftstypischen Gegebenheiten nicht widersprechen. Ein Minderheitsantrag aus links-grünen Kreisen, welcher eine Gestaltung und Nutzung nur zulassen wollte, soweit diese zur Erhaltung der moorlandschaftstypischen Gegebenheiten beitragen, wurde abgelehnt. Die ständerätliche Formulierung, wonach die Perimeter der schützenswerten Moorlandschaften durch Bundesbehörden in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen, die ihrerseits direkten Kontakt mit den betroffenen Landeigentümern pflegen, fand Zustimmung. Im dritten Problemkreis, der Beschränkung des Behörden- resp. Verbandsbeschwerderechts, ging der Nationalrat gegen eine starke Minderheit noch einen Schritt weiter als der Ständerat. Wie der Erstrat beschloss die grosse Kammer, dass die beschwerdelegitimierten Organisationen ihre Einwendungen schon in der allerersten Phase des Verfügungserlasses anbringen müssen, ansonsten sie ihre Beschwerdeberechtigung verlieren. Er stimmte aber zudem unter Namensaufruf mit 101 zu 86 Stimmen einer Teilföderalisierung zu, wonach das Verbandsbeschwerderecht gesamtschweizerischer Organisationen auf Objekte von nationaler Bedeutung oder auf solche, von denen mehrere Kantone betroffen sind, eingeschränkt wird. In allen übrigen Fällen können die Kantone die beschwerdeberechtigten Organisationen bezeichnen. Ausserdem nahm die grosse Kammer den Antrag Maître (cvp, GE) mit 83 zu 60 Stimmen an, wonach das Beschwerderecht bei Objekten von öffentlichem Interesse gemäss eidgenössischem oder kantonalem Recht ausgeschlossen sein soll. In der Gesamtabstimmung passierte die Vorlae relativ knapp mit 79 zu 68 Stimmen [55].
Die UREK hatte das BUWAL schon zu Beginn des Berichtsjahres beauftragt, Kriterien für die Definition und die Abgrenzung der Moorlandschaften im NHG auszuarbeiten und auf deren Basis ein Inventar sowie die Bereinigung der Perimeter von 91 Moorlandschaften (gemäss dem Vernehmlassungsentwurf 2,2% der Fläche der Schweiz) vorzulegen. Das BUWAL setzte, zusammen mit dem Schweizerischen Tourismusverband, eine Arbeitsgruppe ein, um die verschiedenen Interessen zwischen Landschafts- resp. Moorschutz, Fremdenverkehr und Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen. Hauptstreitpunkt war insbesondere die Frage, ob in den inventarisierten Moorgebieten von nationaler Bedeutung weiterhin touristische Einrichtungen betrieben, erneuert oder erstellt werden dürfen [56].
Im Zusammenhang mit der Pflege und Erhaltung von Moorlandschaften und den daraus resultierenden Ertragsausfällen für die Landwirtschaft zeigte eine Studie des BUWAL und des Bauernverbands auf der Basis von 1991 jährliche Kosten zwischen 27 und 29 Mio Fr. auf. Im Rahmen der laufenden Revision des NHG soll eine gesetzliche Basis für die Entschädigung der Landwirtschaft in der Höhe von 90% der Ausfälle vorgesehen werden [57].
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Wald- und Landschaftsschutz
Der Bundesrat sprach sich gegen ein Importverbot für Tropenhölzer aus, für welches sich namentlich der Ethnologe Bruno Manser stark gemacht hatte. Dieser hatte verschiedentlich, unter anderem auch mit einer Fastenaktion auf dem Bundesplatz, auf die ökologisch unverantwortbare Abholzung der Tropenwälder in Malaysia und die damit verbundene Vertreibung der ansässigen Bevölkerung hingewiesen. Der Bundesrat betonte, angesichts der verschwindend kleinen Importmenge an Tropenholz müsse die Schweiz die Abholzung der Tropenwälder auf andere Weise zu stoppen versuchen, beispielsweise durch eine internationale Koordinierung der Länder, die Tropenhölzer importieren [58]. Der Ständerat nahm hingegen die Motion Simmen (cvp, SO), welche eine Deklarationspflicht für Holz und Holzprodukte verlangte, mit Stichentscheid des Präsidenten an. Der Bundesrat wollte sich nur für eine freiwillige Deklaration in Form eines Labels einsetzen [59].
In Toronto fand die Gründungsveranstaltung des Internationalen Rats zur Verwaltung der Wälder (Forest Stewardship Council, FSC), dem über 40 Umweltschutz- und Drittweltorganisationen angehören, statt. Die Hauptaufgabe dieser nichtstaatlichen Interessenorganisation besteht darin, mit einem international anerkannten Öko-Label Holzprodukte aus nachhaltiger Nutzung, die sowohl Rücksicht auf die Umwelt als auch auf die ansässige Bevölkerung garantiert, auszuzeichnen [60].
Nachdem die kleine Kammer eine Motion Ziegler (cvp, UR) zur Finanzierung der ausserordentlichen Massnahmen zur Walderhaltung gutgeheissen hatte, überwies auch der Nationalrat das Begehren. Der Bundesrat wurde damit beauftragt, dem Parlament eine Vorlage für eine zweite Aufstockung des Höchstbetrages der ausserordentlichen Massnahmen zur Walderhaltung zu unterbreiten. Der Plafond von 240 Mio Fr. war 1990 ein erstes Mal um 130 Mio erhöht worden, nachdem der orkanartige Sturm "Vivian" von Ende Februar 1990 Schäden in ausserordentlicher Höhe angerichtet hatte [61].
Im Kanton Bern haben die Stimmberechtigten die Volksinitiative "Schneekanonen: Ja, aber mit Mass" deutlich verworfen. Das von links-grünen Organisationen gestellte Begehren hatte eine Einschränkung des Einsatzes von Beschneiungsanlagen gefordert. Die Gegner der Initiative, welche sich vor allem aus Kreisen der Berner Oberländer Tourismusbranche zusammensetzten, sahen in der Vorlage eine Bedrohung für den gesamten Wintersport in ihrer Region [62].
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Artenschutz
Anlässlich der Konferenz der Unterzeichnerstaaten der Konvention über den Schutz der biologischen Vielfalt forderten der WWF, SWISSAID und die Westschweizer Bauernorganisation Union des Producteurs Suisses (UPS) die rasche Ratifizierung der Artenschutzkonvention durch die Schweiz. Die an der Konferenz von Rio 1992 beschlossene Konvention sieht unter anderem die gerechte Entschädigung für Patente genetischer Ressourcen aus Entwicklungsländern vor. Die Industrieländer hatten sich jedoch im Gefolge der Konferenz nicht bereit gezeigt, die Artenschutzkonvention in der beschlossenen Form zu akzeptieren. Es waren vor allem Länder der Dritten Welt, welche die Konvention bisher ratifizierten [63].
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Denkmalpflege
Durch die Teilrevision der im Februar in Kraft gesetzten Verordnung über die Förderung der Denkmalpflege wurde das Bundesamt für Kultur – analog zum Bereich Heimatschutz – als Fachstelle für die Denkmalpflege bezeichnet. Der Bundesrat wird auch ermächtigt, eine 15köpfige eidgenössische Kommission für Denkmalpflege als beratendes Fachorgan zu ernennen [64].
Weil das Budget von elf Mio Fr. für Subventionen im Bereich des Heimatschutzes sehr rasch ausgeschöpft war, musste das EDI eine Prioritätenordnung festlegen, wonach zuerst die privaten Gesuche berücksichtigt werden, die Gesuche der öffentlichrechtlichen Körperschaften jedoch nur noch in zweiter und diejenigen der finanzstarken Kantonen sowie für kirchliche Bauten, für die Gestaltung von Plätzen und Gassen, für die Erhaltung von Brücken und mobilen Kulturgütern sogar nur in dritter Priorität behandelt werden [65].
 
[53] Kantonsregierungen: SGT, 6.12.93; LNN, 6.12. und 14.12.93; BüZ, 8.12.93. BR: NZZ, 24.12.93; BüZ, 27.12.93. Vgl. auch SPJ 1989, S. 181 f. und 1991, S. 197. Siehe auch Lit. Wachter und Presse vom 3.2.93; BüZ, 5.5. und 8.6.93; NZZ, 13.5.93; WoZ, 4.6.93.
[54] BüZ, 18.6. und 19.6.93; LZ, 19.6.93 (Arge Alp); Presse vom 13.9.93 (COTRAO).
[55] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 20651f. und 2089 ff.; Presse vom 1.12.93; Hebdo, 9.12.93. Vgl. auch SPJ 1992, S. 195.
[56] Presse vom 16.1.93 (Kommission); NZZ, 17.4.93 (Arbeitsgruppe). Siehe auch Schweizer Naturschutz, 1993, Nr. 1, S. 20. Vgl. auch Lit. Leimbacher.
[57] Presse vom 24.4.93.
[58] Bund, 16.3.93.
[59] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 616 ff.
[60] 24 Heures, 5.4.93; SGT, 4.10.93; Bund, 12.10.93.
[61] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 909. Vgl. auch SPJ 1992, S. 135.
[62] TW, 3.11. und 10.11.93; TA, 16.11.93; Presse vom 29.11.93. Vgl. auch unten, Teil II, 3e.
[63] NZZ und BaZ, 12.10.93.
[64] AS, 1993, S. 319 ff.; NZZ, 15.1.93.
[65] AS, 1993, S. 2025 ff.; SGT, 7.7.93.