Année politique Suisse 1993 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Fortplanzungsmedizin
1991 hatte das Basler Stimmvolk mit deutlichem Mehr einem sehr restriktiven Gesetz über die Reproduktionsmedizin zugestimmt. Weil dieses Gesetz im Widerspruch zum 1992 von Volk und Ständen angenommenen Art. 24decies der Bundesverfassung steht, welcher die In-vitro-Fertilisation (IvF) und die Befruchtung mit Spendersamen ausdrücklich vorsieht, erreichten neun Beschwerdeführer vor Bundesgericht mit einem unter Berufung auf die persönliche Freiheit eingereichten Rekurs, dass das Gesetz in den zentralen Punkten aufgehoben werden muss [32].
In eine andere Richtung weist die 1992 lancierte Volksinitiative "für menschenwürdige Fortpflanzung", deren Zustandekommen die Initianten am Ende des Berichtsjahres bekannt geben konnten. Die Initiative will einerseits die Zeugung von Retortenbabies verbieten, andererseits die künstliche Befruchtung mit Spendersamen verhindern [33].
Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) bestätigte seine bereits früher geäusserte Auffassung, wonach künstliche Befruchtung mit IvF und Embryotransfer nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen gehören. Begründet wurde der neue Entscheid damit, dass trotz inzwischen offensichtlich gestiegenen Erfolgsquoten immer noch keine genügenden Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Methode vorliegen. Das EVG verwies auch auf den neuen Verfassungsartikel, welcher der Eidgenossenschaft die Kompetenz verleiht, die Fortpflanzungs- und Gentechnologie zu regeln. Damit liege es nun am Parlament, ein Bundesgesetz zu erlassen und darin die Leitplanken für die künstliche Befruchtung zu setzen. Dabei werde möglicherweise auch die Frage entschieden, ob die Kosten für IvF und Embryotransfer von den Krankenkassen zu übernehmen sind oder nicht [34].
Für die Gentechnologie im ausserhumanen Bereich siehe oben, Teil I, 4c (Expérimentation animale) und unten, Teil I, 8a (Recherche).
 
[32] Presse vom 23.12.93. Siehe auch SPJ 1991, S. 214 f. und 1992, S. 213 ff.
[33] Bund, 27.12.93. Siehe auch SPJ 1992, S. 215.
[34] Presse vom 7.4.93.