Année politique Suisse 1993 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises / Das Verhältnis zwischen den, Sprachgruppen
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Französisch
Mit Bundespräsident Ogi nahm die Schweiz erstmals auf höchstem Niveau an der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Länder teil, in denen Französisch gesprochen wird. Am 5. Frankophoniegipfel, der alle zwei Jahre stattfindet und diesmal Mitte Oktober auf der Insel Mauritius abgehalten wurde, waren 47 Staaten vertreten. Die Schweiz, welche sich bisher bei den staatsübergreifenden politischen Aktivitäten der Frankophonie-Gipfel stets zurückgehalten hatte, stimmte mit den anderen Teilnehmerstaaten für einen "kulturellen Ausnahmeartikel" im künftigen Gatt-Abkommen, der den französischsprachigen Produktionen Schutz in einem deregulierten kulturellen Markt sichern soll [40].
Das Bundesgericht wird im Streit zwischen Territorialitätsprinzip und Schulhoheit nicht entscheiden. Es weigerte sich, auf eine Beschwerde einzutreten, welche den Entscheid des Freiburger Staatsrates (Exekutive) angefochten hatte, den deutschsprachigen Kindern der (französischsprachigen) Freiburger Vorortsgemeinde Marly den Transport in eine deutschsprachige Schule in Freiburg zu bezahlen. Die Lausanner Richter vertraten die Auffassung, der heute in Art. 116 festgehaltene Grundsatz der Territorialität der Sprachen sei zwar ein Verfassungsprinzip, doch lasse sich dadurch kein Verfassungsrecht ableiten, weshalb eine Verletzung des Territorialitätsprinzips nicht mit einer staatsrechtlichen Beschwerde gerügt werden könne, es sei denn, es werde zusätzlich eine Verletzung der Sprachenfreiheit geltend gemacht, was hier nicht der Fall sei, da die französischsprachigen Kinder der Gemeinde durch das Entgegenkommen an ihre deutschsprachigen Altersgenossen nicht gehindert worden seien, den Unterricht in ihrer Muttersprache zu besuchen [41].
Im an der Sprachgrenze gelegenen Walliser Ort Sierre/Siders wurden im Herbst auf Druck von engagierten Eltern und als eidgenössische Premiere 16 französischsprachige Mädchen und Buben einem deutschsprachigen Kindergarten zugewiesen. Interesse an Pilotprojekten auch auf Schulstufe meldeten der Kanton Freiburg (mit geplanten zweisprachigen Schulklassen in Freiburg und Murten) sowie die Stadt Biel an [42].
 
[40] Presse vom 16.10., 18.10. und 19.10.93. Bisher war die Schweiz an den Frankophoniegipfeln nur durch Staatssekretäre und 1991 erstmals durch den Vorsteher des EDA vertreten gewesen: cf. SPJ 1991, S. 277 f. Für die Gatt-Verhandlungen siehe oben, Teil I, 2 (Organisations internationales).
[41] Lib., 10.3.93; TA, 23.3.93; Presse vom 6.7.93. Siehe auch SPJ 1992, S. 279 f. Im Fall der Beschwerde einer grossen Versicherungsgesellschaft gegen das Baugesetz von Disentis/Mustér, welches Reklameinschriften nur in romanischer Sprache zulässt, entschied das BG hingegen klar im Sinn des Territorialitätsprinzips (BüZ, 9.2.93).
[42] NQ, 5.3., 12.5. und 14.7.93; NZZ, 2.7.93; LZ, 13.7.93; TA, 23.7.93.