Année politique Suisse 1994 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement / Bodenrecht
Im Anschluss an eine 1993 eingereichte Standesinitiative des Kantons Genf, welche die ersatzlose Abschaffung der von 1983 datierenden "Lex Friedrich" forderte, sowie als Antwort auf parlamentarische Vorstösse, präsentierte der Bundesrat eine
Teilrevision der
"Lex Friedrich". Der Vorentwurf war in der Vernehmlassung gut aufgenommen worden. Die Kantone - allen voran Berg- und Tourismuskantone - sprachen sich fast ausnahmslos für eine Lockerung der "Lex Friedrich" aus. Luzern lehnte die vorgeschlagene Revision jedoch mit den Argumenten ab, die Vorlage werde den Überfremdungsängsten des Volkes nicht gerecht und könnte überdies zu einer Verteuerung des Produktionsstandortes Schweiz führen. St. Gallen forderte eine restriktivere Bewilligungspraxis als vom Bundesrat vorgeschlagen. Von den grossen Parteien sprachen sich nur die SP einschränkend aus, indem sie flankierende Massnahmen gegen die Bodenspekulation forderte; die SD wies als einzige Partei das Vorhaben ganz zurück. Die Teilrevision sieht eine
kontrollierte Öffnung des Immobilienmarktes vor. Gleichzeitig soll das schweizerische Recht den internationalen Verpflichtungen angepasst werden. Ausländerinnen und Ausländer sollen Schweizer Boden frei erwerben können, wenn sie hier wohnen oder während insgesamt fünf Jahren in der Schweiz gewohnt haben; bisher galt dies nur für Ausländer mit Niederlassungsbewilligung. Keine Bewilligungspflicht ist für den Erwerb von Grundstücken vorgesehen, welche der wirtschaftlichen Tätigkeit von Unternehmen dienen. Kontingentiert und bewilligungspflichtig für im Ausland wohnende Personen bleiben jedoch weiterhin der Grundstückerwerb zum Zweck der blossen Kapitalanlage und des gewerbsmässigen Immobilienhandels sowie der Erwerb von Ferienwohnungen. Diese Bestimmungen sollen aus Gründen der Rechtsgleichheit neu auch für Auslandschweizer gelten
[13].
Beide eidgenössischen Räte stimmten im Berichtsjahr dieser
Lockerung der "Lex Friedrich" zu, wobei zwei zentrale Differenzen zu bereinigen waren: Einerseits die Kontingentierung der höchstzulässigen Kaufbewilligungen für Ferienimmobilien an Ausländer, welche der Nationalrat gemäss den Vorgaben des Bundesrates von heute 2840 auf 4000 Handänderungsbewilligungen pro zwei Jahre festlegen wollte. Ein Vorstoss von Nationalrat Vetterli (svp, ZH), der die Höchstzahl auf 3000 Handänderungsbewilligungen pro zwei Jahre reduzieren wollte, scheiterte knapp. Der Ständerat, welcher zunächst auf eine Festschreibung der Kontingente im Gesetz verzichten wollte, schloss sich in der Differenzbereinigung dem Standpunkt des Nationalrates an. Andererseits setzte er sich bei der zweiten grossen Differenz gegen den Nationalrat durch, welcher eine Sonderregelung für
Auslandschweizer im Gesetz verankern wollte. Danach wären neu im Ausland wohnende "natürliche Personen ohne Schweizer Bürgerrecht" bewilligungspflichtig geworden. Ständerat und Bundesrat Koller lehnten eine Privilegierung der
Auslandschweizer, wenn auch mit Bedauern, als widersprüchlich zum Staatsvertragsrecht ab und wiesen auf andernfalls wahrscheinliche ausländische Retorsionsmassnahmen gegenüber Auslandschweizern hin. Der Nationalrat schloss sich diesem Streitpunkt mit 78 gegen 67 Stimmen schliesslich an. Verschiedene Redner machten geltend, dass es sich ja ohnehin nur um eine auf wenige Jahre befristete Übergangslösung bis zur definitiven Aufhebung der Lex Friedrich handle. In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat die Revision der Lex Friedrich mit 149 zu 19, der Ständerat einstimmig an. Verschiedene andere parlamentarische Vorstösse im Zusammenhang mit der "Lex Friedrich" wurden von den Räten abgeschrieben. Eine Motion Maspoli (lega, TI), die - wie die Genfer Standesinitiative - eine gänzliche Abschaffung der Lex Friedrich forderte, wurde vom Nationalrat klar verworfen
[14].
Die
Befürworter der Vorlage sind jedoch in zwei Lager
gespalten. Während bürgerliche Vertreter kurz- oder mittelfristig eine möglichst weitgehende Liberalisierung bzw. eine Abschaffung der "Lex Friedrich" postulieren, wollen Linke und Grüne nur eine vorsichtige Öffnung. Auch die Kantone sind in dieser Frage gespalten. Der Bundesrat schliesslich will den Schlussbericht einer Expertenkommission unter der Leitung der Solothurner Regierungsrätin Cornelia Füeg (fdp) abwarten, die beauftragt worden war, die Folgen einer vollständigen Liberalisierung der "Lex Friedrich" einzuschätzen
[15].
Die
Schweizer Demokraten, die im Nationalrat mit ihrem Nichteintretenantrag unterlegen waren, ergriffen im Oktober gegen die Liberalisierung der "Lex Friedrich" das
Referendum [16].
Die Zahl der bewilligten
Immobilienverkäufe an im Ausland lebende Personen stieg 1993 an. Gegenüber 1992 nahmen die kantonalen Bewilligungen mit 2040 um 11% zu, wobei das Wallis an erster, das Tessin an zweiter Stelle lag. Die bewilligte Fläche lag mit 215 ha (1992: 221) etwas tiefer, die Preissumme jedoch höher. Die Zahl der tatsächlich erfolgten Erwerbe durch Ausländer war tiefer als im Vorjahr: 1993 wurden 1137 (1992: 1189) Handänderungen ins Grundbuch eingetragen, wobei der weitaus grösste Teil der Erwerber aus dem EU-Raum stammt
[17].
Eine Motion der Rechtskommission des Nationalrates, die den Bundesrat ersuchte, zur Beschränkung der Ausdehnung von
Zweit- und Ferienwohnungen und zur Bestanderhaltung von ständig bewohnten Wohnungen raumplanerische Massnahmen zu ergreifen, wurde als Postulat überwiesen. Insbesondere hätten die Kantone gezwungen werden sollen, für die kommunalen Nutzungspläne Anteile von ständig bewohnten Wohnungen zu definieren. Gemäss dem Bundesrat werden flankierende Massnahmen im Bereich der Zweit- und Ferienwohnungen bereits von der Expertenkommission Füeg geprüft (s. oben)
[18].
[13]
BBl, 1994, II, S. 509 ff.; Presse vom 26.1. und 24.3.94. Vgl. auch
SPJ 1993, S. 170 f. Luzern:
LZ und
LNN, 27.1.94. St. Gallen:
SGT, 28.1.94. Eine Standesinitiative des Kantons Tessin, welche in die gleiche Richtung zielte wie der Vorschlag des BR, wurde von den Räten als erfüllt abgeschrieben (
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 543 f.;
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 543 f.).13
[14]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1491 ff., 1640 ff. und 1966;
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 525 ff., 952 ff. und 1074;
BBl, 1994, III, S. 1837 ff. Motion Maspoli:
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1532 f.14
[15] Presse vom 4.10.94.15
[16]
NZZ, 10.10.94. Im Januar 1995 kam das Referendum zustande (Presse vom 13.1.95).16
[17]
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 1, S. 60 ff.17
[18]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1492 ff. und 1529.18
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