Année politique Suisse 1994 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
Die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und neue epidemiologische Probleme erfordern eine
Neuordnung der Gesundheitsstatistik. Die Spital- und Heimstatistik soll in die amtliche Statistik integriert und revidiert werden. Ein entsprechendes Konzept wurde vom EDI zuhanden der Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektoren verabschiedet. Bereits eingeführt wurde eine Erhebung über die ambulanten Behandlungen im Alkohol- und Drogenbereich
[4].
Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte erstmals
Schätzungen über die Gesundheitskosten für das laufende sowie das darauffolgende Jahr. Es stützte sich dabei auf die neuesten Indikatoren der Ausgaben für Güter und Dienstleistungen im Gesundheitswesen. Zusammen mit den Statistiken der Jahre 1985 bis 1991 konnten so die Trends für den Zeitraum 1985 bis 1995 ermittelt werden. Das BFS schätzte die Gesundheitskosten für 1994 auf rund 36 Mia Fr. und für das kommende Jahr auf 39 Mia Fr. Die jährliche Kostensteigerung dürfte zwischen 1991 und 1995 durchschnittlich 7,1% ausmachen, während sie von 1989 bis 1991 noch 10,3% betrug. Die Finanzierung nach Kostenträgern ergab, dass gut die Hälfte (50,5%) durch die Sozialversicherungen bezahlt wird. Die andere Hälfte geht im wesentlichen zulasten der Haushalte (27,6%) und der öffentlichen Hand (19,7%). Berücksichtigt man allerdings die tatsächliche wirtschaftliche Belastung, so übernehmen
die privaten Haushalte (via Krankenkassenprämien und Direktzahlungen) 61,5% der Ausgaben und der Staat (durch Subventionen und direkte Dienstleistungen) lediglich 28,5%
[5].
Der vom Parlament auf Anfang 1992 verfügte Tarif- und Preisstopp im Gesundheitswesen hat Wirkung gezeigt. Besonders in den
Spitälern fielen die
Kosten bedeutend geringer aus als in den Vorjahren. Die Zuwachsrate bei den Krankenpflegekosten in der Grundversicherung blieb 1993 und 1994 aber immer noch deutlich über der Lohn- und Preisentwicklung. Auch der härter gewordene Konkurrenzkampf unter den Krankenkassen trug zu einer Entspannung im Prämienbereich bei. Erstmals seit Jahren drohten die Kassen nicht mit massiven Prämienerhöhungen für das kommende Jahr, sondern sprachen von einem Einfrieren oder gar einer Senkung der Prämien für 1995
[6].
Als schweizerische Premiere unterstellte der Kanton
Waadt die privaten Kliniken und die privaten Abteilungen der öffentlichen Spitäler einem Katalog von
Qualitätskriterien. Je nach Ausgestaltung ihrer Leistungen im Operationsbereich, in der Pflege sowie in Unterkunft und Verpflegung erhalten sie seit Beginn des Berichtsjahres abgestufte Entschädigungen
[7].
Im Kanton
Zürich schlug die Gesundheitsdirektion einen
Umbau des gesamten Spitalwesens in zwei Schritten vor. Mit dem Systemwechsel zur leistungsorientierten Krankenhaussteuerung sollen Konzernstrukturen, Lean Management und Wettbewerb auch in den Spitälern Einzug halten, mit dem späteren Wechsel zur integrierten regionalen Leistungssteuerung Gesundheits- und Sozialwesen miteinander verschmolzen werden. Ziel der ersten Etappe ist ein (freiwilliger) Abbau von rund 1500 Akutbetten und Kosteneinsparungen bis zu 25%. Der Kanton
St. Gallen führte seinerseits für drei Kantonsspitäler
Globalbudgets ein
[8].
Zwischen der kantonalen Ärztegesellschaft (KAG) und dem Krankenkassenverband des Kantons Bern (KVBK) hatte sich im Jahr 1993 ein Streit entwickelt, nachdem die Ärzteorganisation jenen Mitgliedern, die den Abschluss von Sonderverträgen mit den Krankenkassen beabsichtigten, mit Sanktionen gedroht hatte. Dies nahm die Eidg. Kartellkommission zum Anlass, den bernischen Markt für ärztliche Dienstleistungen zu durchleuchten. Die Kartellkommission empfahl der KAG, die ausgesprochenen Drohungen (Ausschluss aus der Ärztegesellschaft, Aberkennung des FMH-Titels) zu widerrufen, da diese, weil sie das Entstehen tarifvertraglicher Alternativen verhindern, als Kartell im Sinn von Art. 2 Abs. 1 des Kartellgesetzes zu qualifizieren seien. Mit derselben Begründung wurde der KAG empfohlen, von dem in der Standesordnung festgehaltenen Sondervertrags- und Tarifunterschreitungsverbot Abstand zu nehmen. Da für diese Wettbewerbsbehinderungen keine zwingenden oder überwiegenden Gründe des Gesamtinteresses ersichtlich seien, müssten diese Abreden als schädlich erachtet werden. Im weiteren rief die Kartellkommission der KAG die ärztliche Pflicht zur Aufklärung der Patientinnen und Patienten auch über die Kosten einer Behandlung und von Behandlungsalternativen in Erinnerung.
Dem KVBK empfahl die Kommission, die Verpflichtung der Mitgliedkassen auf die Verbandsverträge und den
Sondervertragsverzicht aufzuheben, da auch diese eine
erhebliche Wettbewerbseinschränkung darstelle. Das Bundesamt für Sozialversicherung wurde mit Blick auf die Realisierung kostenbegrenzender Massnahmen in der Krankenversicherung ermuntert, eine aktivere, koordinierende Rolle zu übernehmen, insbesondere durch den Verzicht auf eine zu restriktive Regelung der Prämienreduktion bei besonderen Versicherungsformen (HMO, Bonus, erhöhte Franchise) und durch die Beseitigung wettbewerbsverzerrender Auswirkungen des Risikoausgleichs unter den Krankenkassen
[9].
Auf Druck des Preisüberwachers verzichtet die Schweizerische
Zahnärztegesellschaft inskünftig darauf, ihren Mitgliedern Mindestpreisvorschriften zu machen. Mit der
Auflösung des Preiskartells eröffnen sich den Zahnärztinnen und Zahnärzten gegen unten unbeschränkte Honorarspielräume. Nach Einschätzung des Preisüberwachers wird sich der neue Modus preis- und kostendämpfend auswirken
[10].
Für die Diskussionen um die mögliche Einführung eines Numerus clausus an den medizinischen Fakultäten siehe unten, Teil I, 8a (Hautes Ecoles).
[4]
Gesch.ber., 1994, II, S. 56. Siehe
Lit. Fischer.4
[5]
Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 4, S. 154.5
[6] Presse vom 19.4. und 5.7.94 sowie 10.4.95. Der NR überwies diskussionslos ein Postulat seiner SGK, welches den BR ersucht, ein externes Forschungsprojekt über die wirtschaftliche Arbeitsweise der Leistungserbringer im Gesundheitswesen in Auftrag zu geben (
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1143).6
[8] Zürich:
TA, 19.2. und 2.7.94;
Ww, 26.5.94;
NZZ, 26.7.94;
Bund, 20.10.94. St. Gallen:
BaZ, 14.5.94. Im Kanton Bern, wo bereits 1993 erste Versuche mit der Globalbudgetierung unternommen worden waren, konnte eine positive Zwischenbilanz gezogen werden (
Bund, 22.6.94). Siehe dazu auch: "Die Spitalplanung - eine Herausforderung für das Gesundheitswesen", in
Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 6, S. 286 ff.8
[9]
Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission und des Preisüberwachers, 1994, Nr. 5, Bern 1994.9
[10] Presse vom 10.9.94.10
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