Année politique Suisse 1994 : Politique sociale / Groupes sociaux
Ausländerpolitik
Rechtsbürgerliche Kreise um Nationalrätin Aubry (fdp, BE) und die Nationalräte Bischof (sd, ZH), Mauch (fdp, AG), Scherrer (edu, BE) und Stamm (fdp, AG) lancierten eine
Volksinitiative "für eine Regelung der Zuwanderung", welche den Bundesrat verpflichten will, dafür zu sorgen, dass der Anteil der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung 18% der Gesamtbevölkerung nicht übersteigt, wobei anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber ebenso mitzuzählen wären wie Niedergelassene und Jahresaufenthalter. Zudem verlangt die Initiative, für Asylbewerber, Kriegsvertriebene, vorläufig Aufgenommene, Internierte sowie Ausländer ohne festen Wohnsitz seien alle finanziellen Anreize für den Verbleib in der Schweiz zu unterbinden
[1].
Für die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, die erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer sowie kantonale Initiativen zu einem Ausländerstimmrecht siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht, Bürgerrecht und Stimmrecht).
Für die Referendumsabstimmung über die neue Strafnorm gegen Rassismus siehe oben, Teil I, 1b (Grundrechte).
Der Bestand der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung - internationale Funktionäre, Saisonniers, Kurzaufenthalter, Asylbewerber und vorläufig Aufgenommene nicht mitgerechnet - betrug Ende Jahr 1 300 089 Personen, 39 806 oder 3,2% mehr als vor Jahresfrist. Damit
schwächte sich die Zunahme bereits im dritten aufeinanderfolgenden Jahr leicht ab. Der Anteil an der gesamten Wohnbevölkerung der Schweiz erhöhte sich von 18,1 auf 18,6%. 941 626 Personen besassen eine Niederlassungs- und 358 463 eine Jahresbewilligung. 64% stammten aus EU- und Efta-Staaten, weitere 21% aus Ex-Jugoslawien. Ende August, im Zeitpunkt des saisonalen Höchststandes der Beschäftigung, befanden sich nur noch 61 102 Saisonniers in der Schweiz, was gegenüber dem Vorjahr einem Rückgang um 14,9% entspricht. 1990 hatten zum gleichen Zeitpunkt noch rund 122 000 Saisonniers in der Schweiz gearbeitet
[2].
Für den Einbezug des freien Personenverkehrs in die bilateralen Verhandlungen der Schweiz mit der Europäischen Union siehe oben, Teil I, 2 (Europe: EEE et EU).
Die Arbeitgeber der Bau- und Tourismusbranche können noch bis zum Kontingentsjahr 1995/1996 auf jene
Saisonniers aus dem ehemaligen Jugoslawien zählen, die zwischen dem 1. November 1993 und dem 31. Oktober 1994 ordnungsgemäss mit einer Saisonbewilligung in der Schweiz gearbeitet haben. Angesichts ihrer Rekrutierungssorgen gewährte ihnen der Bundesrat damit einen weiteren Aufschub von zwei Jahren. In Anwendung des 1991 vom Bundesrat beschlossenen Drei-Kreise-Modells wird hingegen bereits auf Anfang 1995 die Umwandlungsmöglichkeit von Saison- in Jahresbewilligungen und damit die Möglichkeit des Familiennachzugs für Erwerbstätige aus Ex-Jugoslawien abgeschafft. Zur Vermeidung allfälliger Härtefälle lässt die Landesregierung den Kantonen jedoch die Freiheit, auch nach diesem Zeitpunkt zu Lasten ihres Ausländerkontingents jugoslawischen Saisonniers mit mindestens achtjähriger regelmässiger Erwerbstätigkeit in der Schweiz in Ausnahmefällen eine Jahresbewilligung zu erteilen
[3].
Mit einer Änderung des Bundesgetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag) will der Bundesrat die
Eidg. Ausländerkommission gesetzlich verankern. Damit soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass der Bund die gesellschaftliche Eingliederung von Ausländerinnen und Ausländern finanziell fördern kann, sofern sich auch die Kantone und Gemeinden an diesen Kosten angemessen beteiligen. Die Landesregierung gab einen entsprechenden Vorschlag in die Vernehmlassung
[4].
Der Bundesrat beschloss eine weitere Erleichterung für die Stimmabgabe der ausländischen Bevölkerung. Bis 1989 mussten in der Schweiz wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer in ihr Herkunftsland reisen, um sich an den dortigen Abstimmungen und Wahlen beteiligen zu können. Dann liess der Bundesrat die briefliche Stimmabgabe zu. In einem weiteren provisorischen Schritt durften russische Staatsangehörige im Dezember 1993 ihr Votum für Parlament und Verfassung auf der Botschaft in Bern und im Genfer Generalkonsulat abgegeben. Die Möglichkeit, beim EDA um eine entsprechende Bewilligung nachzusuchen, wurde in der Folge versuchsweise und bis Ende Oktober 1994 auch den anderen Ländern eingeräumt.
Ab 1. November des Berichtsjahres können die diplomatischen Vertretungen ihren Staatsangehörigen in der Schweiz nun
ohne vorgängige Bewilligung des EDA erlauben, an den Urnengängen in der Botschaft, in Konsulaten oder in anderen Lokalitäten teilzunehmen. Das EDA ist in der Regel drei Monate im voraus zu informieren. Die Liberalisierung kann jederzeit widerrufen oder eingeschränkt werden. Wenn es die Umstände rechtfertigen, können die zuständigen Behörden zudem einzelne Wahlen oder Abstimmungen gewissen Bedingungen unterstellen oder sogar untersagen
[5].
[1]
BBl, 1994, I, S. 659 f.; Presse vom 26.2.94.1
[2] O. Schütz, "Die ausländische Wohnbevölkerung 1994", in
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 6, S. 33 ff.; Presse vom 1.10.94 und 21.1.95. Siehe auch
SPJ 1990, S. 233 und
1993, S. 231.2
[3]
BZ, 9.2. und 19.2.94; Presse vom 14.4., 7.5. und 30.6.94;
Ww, 18.4.94;
TA, 12.12.94. Die Entschlossenheit des BR, ab 1996 keine ex-jugoslawischen Saisonniers in der Schweiz mehr zu dulden, fand auch in der Begrenzungsverordnung ihren Niederschlag (
AS, 1994, S. 2310 f.). Siehe auch die Stellungnahme des BR in
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1241 f. und 1266 f. Vgl.
SPJ 1993, S. 231.3
[5]
NZZ, 17.2. und 26.5.94; Presse vom 4.10.94. Vgl.
SPJ 1989, S. 215.5
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