Année politique Suisse 1994 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises / Kulturpolitik
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Kulturpolitik in den Kantonen und Gemeinden
Nachdem der Einbau eines Kulturförderungsartikels in die Bundesverfassung am Ständemehr gescheitert war (s. oben), empfahl die Konferenz der Schweizer Städte für Kulturfragen ihren 16 Mitgliedstädten einstimmig, ihre Kräfte nun darauf zu konzentrieren, die Kulturpolitik als verpflichtende Aufgabe in die Reglemente ihrer Gemeinwesen aufzunehmen. Als erste legte daraufhin die Stadt Bern ihr Projekt für eine Kulturpolitik bis ins Jahr 2008 vor. Mit ihrem Konzept will die Berner Exekutive die Kulturpolitik zu einem festen Bestandteil ihrer Politik und der Entwicklung der Stadt machen sowie Verhältnisse mitgestalten, in denen die Kultur als Schlüssel für notwendige Veränderungen wirken kann. Unter dieser Zielsetzung nahm sie sich vor, für die nächsten zwölf Jahre ein systematisches Handeln einzuleiten, das ein Setzen von Prioritäten erlauben und gleichzeitig Beliebigkeit und Zufälligkeit in der Kulturförderung verhindern soll. Partnerschaft mit Bevölkerung und Kulturschaffenden wurde dabei ebenso zur Bedingung gemacht wie das Verständnis für fremde Kulturen [20].
In Zürich konnte die Entflechtung der kulturellen Aufgaben zwischen Stadt und Kanton erfolgreich abgeschlossen werden. Im September nahmen die Stimmbürger des Kantons mit rund 75% Ja-Stimmen zwei Vorlagen an, die den Kauf des Opernhauses und die alleinige Finanzierung dieser Institution durch den Kanton ermöglichen. Im Gegenzug wird die Stadt den Betriebskredit der drei anderen grossen Kulturinstitute (Schauspielhaus, Tonhalle und Kunsthaus) ohne Kantonssubventionen berappen. Erhalten bleiben der Stadt aber die Beiträge der Gemeinden aus dem Steuerkraftausgleich [21].
Gleichentags wie auf Bundesebene der Kulturförderungsartikel abgelehnt wurde, genehmigten rund zwei Drittel der Stimmbürger der Stadt Luzern den für den Bau des neuen Kultur- und Kongresszentrums notwendigen Kredit von 94 Mio Fr. Im Vorfeld der Abstimmung gab es kaum Opposition gegen das Projekt. Selbst die SP und die Grünen, welche in früheren Jahren gewisse Bedenken gegen das Mammutprojekt geäussert hatten, zeigten sich nun überzeugt, dass am Europaplatz für gesamthaft 194 Mio Fr. ein "Jahrhundertbau" entstehen werde. Einzig die Unabhängige Frauenliste sprach sich nach wie vor offen dagegen aus [22].
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragte dem Grossen Rat massive Einsparungen im Kulturbereich. Die Subventionen an die Theatergenossenschaft sollen bis zur Spielzeit 2000/2001 um 30%, jene an die beiden Orchester um 22% zurückgestuft werden. Der Grosse Rat stimmte grundsätzlich zu, will aber die Details der Kürzungen im Theaterbereich von einer parlamentarischen Kommission festlegen lassen. Andererseits beschlossen Regierung und Grosser Rat einen Investitionskredit von 10 Mio Fr. für den Umbau einer der Muba-Hallen in eine permanente Musical-Bühne. Dank den Einnahmen aus der Billetsteuer soll dieser Betrag innert zwei Jahren wieder in die Staatskasse zurückfliessen [23].
Seit drei Jahren leistete sich die Stadt Zug einen Stadtbeobachter, eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller, die auf Kosten des Gemeinwesens dort lebten, arbeiteten und am kulturellen Leben teilnahmen. Vor allem auf Betreiben der SVP verweigerten die Zuger Stimmberechtigten nun eine Weiterführung des dafür notwendigen Kredits von 90 000 Fr. pro Jahr. Die Gegner dieser in der Schweiz einmaligen Form der Literaturförderung argumentierten, die Institution müsse auf private Basis gestellt werden, da die öffentliche Hand im Augenblick die Aufgabe habe, bei allen unnötigen Ausgaben zu sparen [24].
 
[20] Bund, 15.6., 17.9. und 5.11.94. Anlass für die Ausarbeitung des Berner Kulturkonzeptes war auch eine im Vorjahr von über 60 000 Personen unterzeichnete Petition, welche die Stadtexekutive ersucht hatte, die Sparmassnahmen in einem für die kulturellen Institutionen tragbaren Rahmen zu halten (SPJ 1993, S. 259). Zu den Kulturaufgaben der Städte siehe BaZ, 16.2., 19.2., 24.2., 1.3., 9.3., 12.3., 16.3., 22.3., 29.3., 7.4., 9.4., 16.4. und 23.4.94.20
[21] TA, 11.2., 29.3., 19.5. und 15.9.; LNN, 30.8., 3.9. und 13.9.94; Presse vom 26.9.94. Auch die Stadt Bern soll durch eine Revision des kantonalen Kulturförderungsgesetzes von ihrer Zentrumsfunktion entlastet werden. Der Regierungsrat unterbreitete dem Grossen Rat entsprechende Änderungsanträge, durch die insbesondere die Agglomerationsgemeinden stärker eingebunden würden (Bund, 9.3., 17.6., 23.9. und 26.10.94).21
[22] Presse vom 13.6.94. Siehe SPJ 1993, S. 259 f. Nach der Bereinigung verschiedener Einsprachen konnte in Luzern auch mit dem Ausbau des alternativen Kulturzentrums Boa begonnen werden (LNN und LZ, 14.6.94. Vgl. SPJ 1991, S. 276).22
[23] Einsparungen: BaZ, 13.1., 10.2., 16.2., 8.3., 23.3., 3.6., 8.6., 10.6., 30.6., 18.8. und 8.9.94. Musical-Theater: BaZ, 17.3., 30.3., 14.4., 16.4., 28.4., 28.6. und 29.10.94.23
[24] TA, 10.2.94; LNN und LZ, 21.2., 25.2. und 2.3.94.24