Année politique Suisse 1994 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Die Verhandlungen zwischen Medienschaffenden und Verlegern, welche sich seit Ende 1992 in vertragslosem Zustand befinden, haben in der Deutschschweiz und im Tessin immer noch nicht zu einem neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geführt. Hauptstreitpunkte blieben die Mindestlöhne, die zukünftige Behandlung der freien Journalisten sowie das urheberrechtliche Nutzungsrecht des Journalisten an seinen eigenen Werken. Das BIGA, welches von den beiden Parteien als Einigungsstelle angerufen worden war, lehnte es ab zu vermitteln [7]. In der Romandie mochte die Fédération suisse des journalistes nicht länger zuwarten und hat mit dem welschen Verlegerverband einen neuen GAV abgeschlossen, welcher zum Teil hohe Lohneinbussen beinhaltet [8].
Massiv gegen Lohnkürzungen und reduzierte Mindestlöhne haben sich in der ganzen Schweiz die Gewerkschaften der Drucker (GDP), der Lithografen (SLB) und der Grafiker (SGG) gewehrt. Nachdem es im September zu einer stundenweisen Arbeitsniederlegung kam, fand am 3. November ein 24-stündiger Warnstreik statt. Mit rund 10 000 Beteiligten handelte es sich um die bedeutendste Arbeitsniederlegung der Schweiz der letzten Jahre. Die Gewerkschaften werteten den Streik als Erfolg, ein neuer GAV kam bis Ende des Berichtsjahres jedoch nicht zustande [9].
Das Bundesgericht hat die Zulassung von Bundesgerichtsberichterstattern gelockert und sich damit einem breiteren Kreis von Journalisten geöffnet. Fortan sind für eine Akkreditierung keine regelmässige Gerichtsberichterstattung oder bestimmte juristische Qualifikationen mehr vorausgesetzt, sondern lediglich die Eintragung ins Berufsregister der Medienverbände [10].
Die PTT hielt am Drittelsmodell fest, welches im Rahmen der Revision des Postverkehrgesetzes die Zeitungstransporttaxen zu gleichen Teilen zwischen PTT, Bund und Verlegern aufteilen will. Danach hätte jede der drei Parteien rund 90 Mio Fr. zu erbringen, um die defizitären Postdienstleistungen zu entlasten. Verleger wehrten sich vehement gegen diese Kürzung der öffentlichen Förderung im Pressewesen, auch weil diese für viele Regional- und Lokalzeitungen existenzbedrohend wäre [11]. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesgericht entschieden, dass die PTT für Sendungen ohne Adresse keine verbilligte Posttaxe gewähren muss. Die billigere Zeitungstransporttaxe sei jenen Publikationen vorbehalten, deren Empfang der Bezüger selber wünsche und dies mit einem entgeltlichen Abonnement bekunde. Die Klage ging von zwei Gratispublikationen sowie einer Computerzeitschrift aus, welche alle drei vorwiegend Werbe- und Geschäftszwecke verfolgen. Die PTT kündigte an, dass sie rund 3000 der 6000 Fachblätter überprüfen werde, welche gegenwärtig von den Vorzugstaxen profitieren [12].
Erstmals nach mehrjährigen massiven rezessionsbedingten Verlusten zeichnete sich im Inserategeschäft eine Erholung ab. Das Inseratevolumen der Tages- und Wochenzeitungen stieg gegenüber 1993 um 5,1%, wobei vor allem die Stelleninserate mit +29,9% überdurchschnittlich zulegten, während die kommerziellen Anzeigen eine Zuwachsrate von 2,5% verzeichneten. Die Deutschschweizer Titel legten um 6,3%, jene im Tessin um 3,1% zu, während in der Romandie das Inserategeschäft mit +1,9% unterdurchschnittlich verlief. Auch die Zeitschriften (+ 8,8%) und die Anzeiger (+ 3,2%) konnten gesamtschweizerisch zulegen. Nur die auflageschwächeren Zeitungen (unter 10 000 Exemplaren) konnten vom Konjunkturaufschwung nicht profitieren und verloren 1994 knapp 8% [13].
Die Kartellkommission hat sich mit vier Firmen, die in ihrem Segment über eine monopolähnliche Stellung verfügen - Edipresse, die Inserate-Agentur Publicitas sowie die beiden Verteilerketten Merkur und Naville S.A - über spezifische Verhaltenskodizes geeinigt. Diese Verhaltensregeln haben das Ziel eines möglichst unverfälschten Wettbewerbs und beinhalten beispielsweise für Edipresse die Meldepflicht von neuen Beteiligungen an schweizerischen Medienunternehmen sowie den Verzicht, Berufsverbote gegen Journalisten auszusprechen. Merkur und Naville S.A verpflichteten sich, eigene Verlage oder Kioske nicht willkürlich zu privilegieren [14].
Die schweizerische Presselandschaft blieb in Bewegung. Zwar zeigte die "Medienanalyse Schweiz 93/94" auf, dass Leserzahlen und Reichweiten der Schweizer Presseerzeugnisse in den letzten zwei Jahren relativ konstant geblieben sind [15]. Im Rahmen von Restrukturierungen kam es aber zu diversen Zusammenschlüssen im Inserate-, und vermehrt auch im redaktionellen, administrativen und technischen Bereich.
Als neue Grösse hat sich mit einer Startauflage von 96 000 Exemplaren die "Mittelland-Zeitung" im schweizerischen Zeitungsmarkt etabliert. Unter diesem Namen kooperieren seit Anfang 1994 die Verlage von "Aargauer Tagblatt", "Oltner Tagblatt" und "Zofinger Tagblatt" im Inserate- und überregionalen Bereich. Im Berner Oberland treten das "Thuner Tagblatt", die "Berner Oberländer Nachrichten" und das "Oberländische Volksblatt" nun mit dem Untertitel "Berner Oberland Zeitung" gemeinsam in Erscheinung. Geplant sind neben einem gemeinsamen nationalen Inserateteil auch administrative, redaktionelle und technische Kooperationen [16].
Synergieeffekte erhofft sich auch die "BauernZeitung", neues offizielles Wochenblatt der bäuerlichen Organisationen der Schweiz. Unter diesem Namen haben sich der "Landwirt", die "Innerschweizer Bauernzeitung" und das "Zentralblatt der Land-und Milchwirtschaft" zusammengeschlossen. Die Startauflage betrug 76 000 Exemplare. Das Blatt will eine verbesserte Information innerhalb der Landwirtschaft und eine grössere Wirkung nach aussen erreichen. Ebenfalls fusionieren wollen 1995, quasi als Pendant zur deutschschweizerischen Bauernzeitung, die beiden welschen Wochenzeitungen "Agri-Hebdo" und "Le Producteur de Lait" [17].
Aus wirtschaftlich-strategischen Gründen rückten mit dem Romandie-Combi auch sechs Westschweizer Tageszeitungen zusammen: "L'Impartial", "Le Journal du Jura", "Express", "Le Quotidien jurassien", "La Liberté" und "Le Nouvelliste et Feuille d'avis du Valais" arbeiten seit diesem Jahr als Inserateverbund, aber auch redaktionell zusammen. Die sechs Zeitungen wollen auch ein gemeinsames Korrespondentennetz im In- und Ausland unterhalten [18]. Zum ersten grenzüberschreitenden Inserateverbund Europas ist es zwischen drei Tessiner und zwei italienischen Zeitungen gekommen: Im Werbepool Ti-laghi in Lugano haben sich der "Corriere del Ticino", "La Regione" und das "Giornale del popolo" mit zwei italienischen Zeitungen zusammengeschlossen [19].
Nach 96jährigem Bestehen musste die Genfer "La Suisse" im März ihr Erscheinen einstellen, nachdem sich mehrere Sanierungsofferten von ausländischen Geldgebern und Rettungsversuche von Verleger Jean-Claude Nicole, wie etwa der Vorschlag einer Fusion von "La Suisse" und "Le Matin", als unrealistisch erwiesen hatten. Nachfolgeprojekte, wie "Nouvelle Suisse" oder "Suisse dimanche" wurden diskutiert, aber nicht lanciert. Mit dem Ende der einst führenden Tageszeitung der Romandie ist es auf dem welschen Pressemarkt zu einer weiteren Konzentration gekommen, und die Lausanner Edipresse konnte ihre Marktstellung mit dem Aufkauf der Abonnentenkartei und des Titels der eingegangenen Zeitung nochmals ausbauen. Ausserdem entfachte Edipresse in der Romandie einen Preiskampf, dem andere Zeitungen nicht folgen konnten. Mit einer Startauflage von 15 000 Exemplaren erscheint seit November neu die englischsprachige Tageszeitung "The Geneva Post", welche die internationale Bevölkerung Genfs ansprechen will [20].
Auf dem Markt der Magazine orten Verleger noch Marktlücken. Auf den Frühling 1995 haben die beiden grossen Verlagshäuser Ringier und TA-Media AG je ein Nachrichtenmagazin angekündet [21].
Der Verleger Beat Curti ist, nach Verdächtigungen im Zusammenhang mit einer Zürcher Bestechungsaffäre, innerhalb seiner Mediengruppe ins zweite Glied zurückgetreten. Verwaltungspräsident der Curti Medien AG wurde Hans-Erich Fischer, an die Spitze des Tochterunternehmens Jean Frey AG trat Hans-Rudolf Hagemann, Herausgeber der "Basler Zeitung". Ab 1995 wird die "Basler Zeitung" ausserdem ein weiteres Aktienpaket von 15% von der Curti-Medien-Gruppe übernehmen und somit 50% des Aktienkapitals kontrollieren. Zu einer Aktienverschiebung ist es auch beim Berner "Der Bund" gekommen: Ringier trat seine Mehrheitsbeteiligung ab und behält noch 45%. Die "Neue Zürcher Zeitung" übernahm 45% und wird ab 1. April 1995 auch die operative Führung und verlegerische Verantwortung bei der Traditionszeitung übernehmen. Damit ist es nicht zu einer Kooperation mit der Berner Zeitung gekommen, welche wohl über kurz oder lang zur Fusion geführt hätte [22].
Das Projekt einer rätoromanischen Tageszeitung, welches von der Arbeitsgruppe Rätoromanische Tageszeitung (ART) während Jahren unter dem Titel "Quotidiana" verfolgt wurde, musste redimensioniert werden. Nachdem das Bundesamt für Kultur im Frühling schwere Bedenken angemeldet hatte, weil die Zeitung kantonal und von Verlegerseite her zu wenig abgestützt und auch der Finanzbedarf nicht gedeckt sei, wurde das Projekt überarbeitet. Das neue Modell sah als Ergänzung zu den bestehenden romanischen Zeitungen eine zweimal wöchentlich erscheinende Zusatzzeitung mit dem Titel "La Vusch" vor. Damit sollte gewährleistet werden, dass praktisch täglich ein romanisches Presseprodukt in Graubünden erscheint. Ausserdem war der Aufbau einer romanischen Medienagentur geplant; beide Projekte zusammen hätten von Bund und Kanton mit 1,8 Mio Fr. unterstützt werden sollen. Ende Dezember ist das Projekt "La Vusch" jedoch vom Kanton Graubünden abgelehnt worden, unter anderem mit der Begründung, dass sich nicht alle Verleger von romanischen Presseprodukten für das neue Blatt begeistern konnten. Weiterverfolgt wird indessen von der ART der Aufbau einer romanischen Nachrichtenagentur [23].
Die 1976 gegründete rechtsextreme Zeitschrift "Eidgenoss" von Verleger Max Wahl hat ihr Erscheinen auf Ende Jahr eingestellt. Die Zeitschrift hat unter anderem mehrfach die Massenvernichtung von Juden in den Konzentrationslagern Nazi-Deutschlands bestritten. Das am 1.1.1995 in Kraft tretende Antirassismus-Gesetz ist einer der Hauptgründe für die Einstellung des Monatsblatts [24].
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Agenturen
Die Nachrichtenagentur Schweizerische Politische Korrespondenz (SPK) hat ihren Dienst Anfang Jahr eingestellt. Sie konnte sich während Jahren nur dank der finanziellen Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft (wf) auf dem Markt halten. Zu Kritik Anlass gab, dass die wf neu die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) unterstützt und mit ihr einen Verteilvertrag für wf-Informationen eingegangen ist [25].
 
[7] NZZ, 21.1.94. Siehe auch News, Organ der Schweizerischen Journalistinnen- und Journalisten-Union, 1994, März, S. 4, April, S. 4 ff. und Dezember, S. 1 und 12 sowie SPJ 1993, S. 268.7
[8] Klartext, 1994, Nr. 5, S. 6 ff.8
[9] Presse vom 4.11.94.9
[10] Plädoyer, 1994, Nr. 6, S. 8 ff.10
[11] NZZ, 6.1.94; SHZ, 19.5.94. Siehe SPJ 1993, S. 268.11
[12] NZZ, BaZ und TA, 12.3.94; NZZ, 19.7.94.12
[13] Presse vom 18.1.94.13
[14] NZZ, 22.11. und 9.12.94.14
[15] Presse vom 8.9. und 9.9.94.15
[16] Mittellandzeitung: AT, 6.1. und 8.9.94. Berner Oberland Zeitung: Presse vom 4.1.94.16
[17] BauernZeitung: LNN, 3.1.94; LZ, 6.1. und 8.1.94; 24 Heures, 12.7.94.17
[18] Presse vom 4.1.94.18
[19] NZZ, 23.9.94.19
[20] La Suisse: Presse vom 10.1., 28.2., 8.3. und 13.3.94 (letzte Ausgabe). Preiskampf: Presse vom 14.3. und 24.3.94; JdG, 1.3.94. Geneva Post: 24 Heures, 15.11.94. Vgl. SPJ 1993, S. 269 f.20
[21] Presse vom 15.10. und 1.12.94; Bund, 21.10.94; TA, 27.10.94. Im Januar 1995 hat Ringier sein Projekt zurückgezogen.21
[22] Curti: NZZ, 14.7.94. BaZ: BaZ, 23.12.94. Bund: Presse vom 24.12.94.22
[23] BüZ, 25.3., 30.3., 9.6., 7.9. und 1.12.94; BZ, 31.12.94. Vgl. auch SPJ 1993, S. 270. Siehe auch oben, Teil I, 8b (Verhältnis zwischen den Sprachregionen).23
[24] LZ, 31.12.94. Zum Anti-Rassismus-Gesetz siehe oben, Teil I, 1b (Grundrechte).24
[25] SHZ, 18.9.94; SoZ, 10.7.94. Vgl. auch SPJ 1993, S. 268.25