Année politique Suisse 1995 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Strafrecht
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Strafmass und Vollzug
Der Bundesrat beauftragte im September das EJPD mit der Ausarbeitung einer Botschaft für eine Teilrevision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs, namentlich der Bestimmungen über die Sanktionen. Trotz der zum Teil heftigen Kritik in der Vernehmlassung hielt der Bundesrat an zentralen Punkten des Vorentwurfs fest. So sollen anstelle kurzer Freiheitsstrafen vermehrt alternative Strafformen wie Bussen oder gemeinnützige Arbeiten treten, und der bedingte Strafvollzug soll auch für Freiheitsstrafen von mehr als 18 Monaten ermöglicht werden. Neu soll zudem das Jugendstrafrecht in einem separaten Teil festgehalten werden [23].
Seit 1985 erlaubt der Bundesrat den Kantonen, auf freiwilliger Basis neue Sanktionsformen wie Halbgefangenschaft oder gemeinnützige Arbeit zu erproben. Die im Berichtsjahr auslaufende Verordnung wurde durch eine neue, bis Ende 2001 gültige, ersetzt. Dabei liberalisierte der Bundesrat die Bedingungen: die Halbgefangenschaft soll für Strafen bis 12 Monate (bisher 6), die gemeinnützige Arbeit für Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten (bisher 1) erlaubt sein [24].
Tötungsdelikte von sich im Hafturlaub befindenden Strafgefangenen bildeten den Hintergrund einer Motion Keller (sd, BL), welche verlangte, dass lebenslängliche Strafen effektiv abgesessen werden müssen. Der Bundesrat lehnte die Motion ab, weil es unmöglich sei, schon bei der Urteilsverkündung die Chancen einer späteren Resozialisierung abzuschätzen; zudem könnten bereits heute gemeingefährliche Täter auf Lebenszeit verwahrt werden. Der Regierungsantrag, den Vorstoss immerhin als Postulat zu überweisen, wurde von Rechsteiner (sp, SG) als inkonsequent bekämpft, vom Rat aber übernommen [25].
Nachdem er bereits im Vorjahr ein Postulat Morniroli (lega, TI) für eine Teilprivatisierung des Strafvollzugs überwiesen hatte, hiess der Nationalrat im Berichtsjahr auch noch eine entsprechende Motion Keller (sd, BL) in Postulatsform gut [26].
 
[23] Presse vom 19.9.95. Vgl SPJ 1994, S. 27. Für die Kritiken vgl. NQ, 19.9.95. Siehe auch Lit. Forster und Lit. Riklin.23
[24] AS, 1995, S. 5273 f.; BaZ, 6.10.95; NQ, 5.12.95. Vgl. SPJ 1985, S. 18 und 1990, S. 31.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 268 f.; vgl auch Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1173. Siehe zum Thema Haftvollzug für gemeingefährliche Straftäter auch Plädoyer, 13/1995, Nr. 2, S. 4 ff.25
[26] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2655 f. Siehe SPJ 1994, S. 27.26