Année politique Suisse 1995 : Eléments du système politique / Elections / Eidgenössische Wahlen
print
Das neue Parlament
Die Erneuerungsrate der beiden Kammern betrug mit 82 Neugewählten (unter Einbezug der drei Übertritte aus dem National- in den Ständerat) 33,3%.
Der ehemalige SP-Präsident Helmut Hubacher (BS) bleibt ältester und gleichzeitig amtsältester Parlamentarier (69; 32 Dienstjahre). Er hat aber seinen Rücktritt innerhalb der Legislaturperiode 1995-99 angekündigt. Nachdem im Sommer 1994 mit der 34jährigen Brigitta Gadient (svp, GR) die jüngste Parlamentarierin nachgerückt war, gelang bei den diesjährigen Wahlen dem 21jährigen Landwirt Toni Brunner (svp, SG) der Sprung in die Grosse Kammer, der damit nicht nur erster St. Galler SVP-Vertreter, sondern auch bisher jüngster Volksvertreter wurde. Das Durchschnittsalter im neugewählten Nationalrat blieb mit 50,5 Jahren stabil [46].
Den grössten Zuwachs an Interessenvertretern verzeichneten im neuen Parlament laut der Zeitschrift "Facts" die Gewerkschaften, das Schwergewicht bleibt aber bei der Wirtschaft: Mit dem Sulzer-Finanzchef Erich Müller (fdp, ZH) und Ciba-Werkleiter Johannes Randegger (fdp, BS) wurden aktive Industrievertreter in den Nationalrat gewählt, deren Zahl insgesamt leicht gestiegen ist. Zurückgegangen ist die Zahl der Gewerbetreibenden sowie der Vertreter der Bau-, der Elektro- und der Tourismuslobby. Auch hat die Zahl derjenigen Parlamentarier abgenommen, die im Verwaltungsrat einer Bank oder einer Versicherung sitzen. Der in bezug auf die Bevölkerung klar überproportionale Einfluss der Bauern bleibt gewahrt: Ihre Vertreterzahl bleibt in ungefähr gleich und erhält mit Marcel Sandoz (fdp, VD), Präsident des Bauernverbandes, und SBV-Direktor Melchior Ehrler (cvp, AG) gewichtige Stimmen. Klar stärker als die Mietervertreter bleiben die Hauseigentümer, während sich Umweltschützer und Autovertreter die Waage halten. Starke Einzellobby bleibt die Kommunikationsbranche; mit dem Herausgeber des "Trumpf Buur" Peter Weigelt (fdp, SG), dem Verleger der "Schweizerzeit" Ulrich Schlüer (svp, ZH) und dem Fernsehmitarbeiter Norbert Hochreutener (cvp, BE) schafften weitere bekannte Medienvertreter den Sprung ins Parlament. Juristische Berufe dominieren weiterhin. Mit der Wahl von Silvia Semadeni (sp, GR), die aus dem Puschlav stammt, sind erstmals seit langem die italienischsprachigen Bündner Südtäler wieder im Parlament vertreten [47].
Die Frauen sind im neuen Parlament nochmals stärker vertreten. Im Ständerat beträgt der Frauenanteil neu 17,4%, wobei die FDP mit fünf von acht Vertreterinnen die Mehrheit stellt. Im Nationalrat steigerten die Frauen ihren Anteil um 4 Prozentpunkte von 17,5 auf 21,5% (43; 1991: 35) [48], was den grössten Zuwachs seit Einführung des Frauenstimmrechts darstellt. Dabei bestätigte sich für den Nationalrat die seit den achtziger Jahren bestehende parteipolitische Polarisierung der Frauenrepräsentation: 58% der gewählten Frauen gehören einer der rot-grünen Parteien an. Während 35% (19 von 54) der auf SP-Listen Gewählten Frauen sind, stieg der Frauenanteil der FDP um sechs Prozentpunkte auf 18% (8 von 45), die CVP-Frauen verbesserten sich um 3,5% auf 15% (5 von 34). Einen anteilsmässigen Rückschritt von 12% auf 10% (3 von 29) erfuhren die SVP-Frauen [49]. Weiterhin stammen die meisten gewählten Frauen aus der deutschen Schweiz; der Frauenanteil in der Romandie verbesserte sich aber um 6 Prozentpunkte auf 15%. Zwölf Kantone (1991: 13) sind von keiner Frau im Parlament vertreten. Die Wahlchancen der Frauen waren bei den Nationalratswahlen immer noch 1,9 mal geringer als jene der Männer [50].
 
[46] Lit. SDA/SRG.46
[47] BüZ, 23.10.95 (Semadeni); SGT, 24.10.95; Facts, 26.10.95.47
[48] Mit der Wahl von Nationalrätin Vreni Spoerry in den Ständerat reduzierte sich diese Zahl auf 42, da für sie ein Mann nachrückte.48
[49] Zum Protestaustritt von SVP-Generalsekretärin Myrtha Welti aus der SVP Bern siehe unten, Teil IIIa (SVP).49
[50] Lit. Seitz; TA und LZ, 24.10.95. Zu den Wahlchancen: Nur 4,3% der Kandidatinnen, aber 8,5% der Kandidaten schafften den Sprung in den NR.50