Année politique Suisse 1995 : Economie / Crédit et monnaie / Banken
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Gelder von Naziopfern
Grosses internationales Aufsehen erregte die Kampagne jüdischer Stellen für neue Nachforschungen nach Vermögen, welche von Naziopfern bei Schweizer Banken deponiert worden waren und seither als herrenlos gelten, sei es, weil keine erbberechtigten Rechtsnachfolger mehr vorhanden sind, sei es, weil diese keine Kenntnis von den Einlagen haben. In einer vom Bund veranlassten ersten Suchaktion waren in den 60er Jahren von den Banken knapp 10 Mio Fr. aufgefunden und an die Berechtigten bzw., falls solche nicht ausfindig gemacht werden konnten, an Organisationen ausbezahlt worden. Jüdische Organisationen in Israel und in den USA behaupteten jetzt, dass auch heute noch Beträge in der Höhe mehrerer Mia Fr. auf den Schweizer Banken liegen müssen [21]. Ständerat Plattner (sp, BS) forderte mit einer ursprünglich von Piller (sp, FR) eingereichten Motion politische Massnahmen, um diese Suche wiederaufzunehmen und Banken sowie weitere Vermögensverwalter zu verpflichten, offenbar herrenlose Vermögen einer zentralen Stelle zu melden. Diese soll berechtigte Eigentümer feststellen und - falls die Suche zu keinem Ergebnis führt - die gemeinnützige Verwendung der Gelder verfügen [22].
Die Banken hatten in der Zwischenzeit auch gehandelt und freiwillige Richtlinien für die Behandlung "nachrichtenloser" Vermögen beschlossen. Als wichtigstes Instrument wurde eine zentrale Anlaufstelle für Nachforschungen geschaffen, welcher die Banken auf Anfrage Auskunft geben müssen. Die Banken wurden zudem verpflichtet, diejenigen Vermögen (Konti, Depots und Safes) zu kennzeichnen und zu sperren, bei denen sie seit zehn Jahren keine Nachrichten von den Eigentümern erhalten haben; eine Meldepflicht besteht aber weiterhin nicht. Während der Bundesrat bei der Behandlung der Motion Plattner dafür plädierte, zuerst einmal die Auswirkungen dieser Standesregeln abzuwarten, kritisierte Plattner das Fehlen einer Meldepflicht sowie den Nichteinbezug von anderen Vermögensverwaltern und beharrte auf seiner Motion. Diese wurde vom Ständerat mit 6:4 Stimmen abgelehnt [23].
 
[21] JdG, 4.5., 12.9. und 13.9.95; NZZ, 28.6.95; BaZ, 1.7. und 12.9.95.21
[22] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1278 ff.22
[23] Motion: Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1278 ff. Banken: NZZ, 11.7.95; Presse vom 13.9.95; JdG, 9.10.95. Vgl. auch NZZ, 16.9.95. Eine erste Suchaktion im Herbst hatte bei 51 Banken insgesamt 775 "ruhende" Konten zu Tage gefördert, die vor 1945 angelegt worden waren. Vom Gesamtwert von 38,7 Mio Fr. entfiel aber nur ein Teil auf jüdische Einleger.23