Année politique Suisse 1995 : Chronique générale / Finances publiques / Voranschlag 1996
Bei den Eidgenössischen Abstimmungen im Frühling sprachen sich
83,4% aller Stimmenden und sämtliche Kantone
für die Einführung einer Ausgabenbremse aus, die Teil des Sanierungsprogramms 1993 war. Damit wird für einmalige Ausgabenbeschlüsse von mehr als 20 Mio Fr. und neue, jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Mio Fr. das qualifizierte Mehr in jeder Parlamentskammer nötig
[30].
Einführung einer Ausgabenbremse
(Art. 88 Abs. 2 und 3 BV )
Abstimmung vom 12. März 1995
Beteiligung: 37,9%
Ja: 1 390 831 (83,4%) / 26 Kantone
Nein: 277 225 (16,6%) / 0 Kantone
Parolen:
- Ja: FDP, CVP (2*), SVP (1*), LP, LdU, EVP, SD, FP, EDU; Vorort, Arbeitgeberverband, SGV.
- Nein: GP, PdA; CNG.
- Stimmfreigabe: SP (1*), Lega.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die
Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte klar, dass sich die grosse Mehrheit der Votierenden vom Sparappell des Bundesrates überzeugen liess. Rund 20% der Befürworter gaben als Argument für die Ausgabenbremse an, die Parlamentarier disziplinieren und zur Anwesenheit im Saal zwingen zu wollen. Bei den Nein-Stimmenden überwog die Ansicht, dass die Ausgabenbremse bloss als Alibi für die Behörden diene und keine wirkliche Sparmassnahme darstelle
[31].
Neben einer Ausgabenbremse hält der Bundesrat auch eine
verfassungsmässige
Schuldenbremse für nötig. Er präsentierte gleichzeitig mit dem Budget 96 zwei verschiedene Varianten der Schuldenbremse, die weiter geprüft werden sollen. Nach dem - von Finanzminister Stich bevorzugten - Saldomodell muss die Finanzrechnung bei wirtschaftlicher Normallage (BIP-Zuwachs von 0,5-1,8%) ausgeglichen abschliessen. Übersteigt das reale Wirtschaftswachstum diesen Grenzwert, muss ein Einnahmeüberschuss erzielt werden, bei schlechter Konjunkturlage sind Defizite möglich. Wird diese Vorgabe nicht eingehalten, kann der Bundesrat die Finanzhilfen und Abgeltungen um bis zu 30% kürzen, ohne das Parlament zu befragen. Voraussetzung für die Einführung des strengen Saldomodells wäre die vorgängige Beseitigung des strukturellen Defizits. Die zweite, weniger strenge Variante geht von der Faustregel aus, dass die Ausgaben nicht stärker zunehmen dürfen als das trendmässige Wachstum des BIP, das höchstens zulässige Ausgabenwachstum über zwei Jahre ist jedoch auf 10% begrenzt. Die Vorschläge gingen in die Vernehmlassung. Ebenfalls im Sinne einer Schuldenbremse lancierte der LdU eine Volksinitiative "
Schluss mit der Schuldenwirtschaft". Der Initiativtext verlangt, dass innerhalb von Vierjahresperioden die Bundesausgaben die Einnahmen nicht übersteigen dürfen. Wie zu kürzen ist, lässt der Verfassungsvorschlag offen; ausgenommen von den Kürzungen sind aber die Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen und die Sozialversicherungen
[32].
Institutionelle Massnahmen gegen die Staatsverschuldung und eine Erweiterung von Art. 42bis BV forderte auch eine parlamentarische Initiative Bührer (fdp, SH), wonach das Wachstum der
Ausgaben das mittelfristige Wachstum des Bruttoinlandprodukts nicht übersteigen dürfe. Zudem seien die Bundesausgaben innert zehn Jahren so zu verringern, dass die Bundesstaatsquote von heute 11,8 auf 10% sinke. Der Initiative wurde vom Nationalrat mit 63 zu 55 Stimmen Folge gegeben. Auch eine Motion der LdU/EVP-Fraktion "
Stopp der Defizitwirtschaft", wonach die Ausgaben des Bundes prozentual nicht stärker ansteigen dürfen als das Bruttoinlandprodukt im Durchschnitt der letzten vier Jahre und ansonsten Mehreinnahmen vorzuschlagen seien, wurde vom Nationalrat mit 65 zu 34 Stimmen überwiesen. Der Ständerat als Zweitrat folgte aber dem Bundesrat, der vor einer zu grossen Einschränkung warnte, und überwies die Motion nur als Postulat
[33].
Als unrealistisch erachteten Bundesrat und eine klare Mehrheit des Nationalrats eine Motion der Freiheits-Partei, die als Grundlage für die Budgetierung der kommenden Jahre die Rechnung des Jahres mit dem letzten positiven Abschluss, also 1988, forderte. Auch eine von 1993 datierende Motion Giezendanner (fp, AG), die den Bund zu einem
Steuer- und Abgabenstopp bis Ende 1997 verpflichten wollte, wurde vom Nationalrat, mit 39 zu 73 Stimmen, abgelehnt. Er folgte damit dem Bundesrat, der im vorgeschlagenen "Moratorium" ein Hindernis für allfällige Steuerreformen im Rahmen des Programms zur marktwirtschaftlichen Erneuerung sah
[34].
Zwei Motionen Graber (lp, NE) und Columberg (cvp, GR), die verlangten, im Rahmen der Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes auch den
Abbau der gesetzlichen Vorgaben zu prüfen, wurden nach dem Nationalrat auch vom Ständerat überwiesen
[35].
Eine Motion der liberalen Fraktion, die zu Beginn jeder Session eine
Übersicht über alle
neuen Stellen und Ausgaben forderte, die mit den traktandierten Geschäften in Zusammenhang stehen, wurde gegen den Willen von Bundesrat Stich von beiden Räten überwiesen. Eine weitere Motion der Liberalen, die den Bundesrat aufforderte, im Voranschlag 1995 für jede einzelne Rubrik die gesetzlichen oder verfassungsmässigen Grundlagen anzugeben und alle Ausgaben zu streichen, die einer derartigen Grundlage entbehren, war zum Zeitpunkt ihrer Behandlung überholt und wurde nur als Postulat überwiesen
[36].
[30]
BBl, 1995, II, S. 1364;
NZZ, 19.1.95; Presse vom 13.3.95. Vgl.
SPJ 1994, S. 132. In der Herbstsession 1995 kam die Ausgabenbremse erstmals zur Anwendung.30
[31] P. Sciarini et al.,
Analyse der eidg. Abstimmungen vom 12. März 1995, Vox Nr. 56, Adliswil/Bern 1995.31
[32] Presse vom 25.2.95;
SHZ, 30.3.95;
BaZ und
Bund, 27.10.95. LdU-Initiative:
BBl, 1995, I, S. 356 ff.;
DAZ, 6.3.95. Im März 1996 zog der LdU sein Volksbegehren zurück, da der BR mit dem Vorschlag für die Schuldenbremse einen Gegenvorschlag vorweggenommen habe (Presse vom 22.3.96).32
[33] Bührer:
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2033 ff. LdU/EVP:
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 321 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1040 ff.;
NZZ, 3.2.95. Vgl.
SPJ 1994, S. 132.33
[34]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 319 ff. (FP) und S. 600 f. (Giezendanner).34
[35]
Amtl. Bull. StR, 1995, 490 f. Vgl.
SPJ 1994, S. 132.35
[36]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 578 f. und 317 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1042.36
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