Année politique Suisse 1995 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
print
Organ- und Blutspenden
Wie schon der Ständerat überwies auch der Nationalrat oppositionslos zwei Motionen Onken (sp, TG) und Huber (cvp, AG), welche eine rasche Gesetzgebung im Bereich der Organspenden und der Transplantationsmedizin verlangen [13].
In beiden Kammern und über alle Parteigrenzen hinweg war unbestritten, dass sich die Vorkommnisse der achtziger Jahre, wo unter anderem eine unklare Verantwortlichkeitsregelung die tragischen Ereignisse mit den durch HI-Viren verseuchten Blutkonserven und -präparaten mitverursacht hatte, nicht mehr wiederholen dürfen. Sowohl Stände- wie Nationalrat waren praktisch einstimmig damit einverstanden, die Kompetenzen für die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten bis zum Vorliegen des neuen Heilmittelgesetzes in einem dringlichen Bundesbeschluss ausschliesslich dem BAG zu übertragen.
Während aber der Ständerat in den wesentlichen Punkten der bundesrätlichen Vorlage folgte, fügte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission mit 61 zu 46 Stimmen einen Artikel ein, wonach es für alle Transplantate einer schriftlichen Zustimmung des Spenders bedarf. Vergeblich machten der Bundesrat und die Gegner dieses Zusatzes geltend, es handle sich hier nur um eine Übergangsregelung, die in erster Linie auf den Schutz vor Infektionen angelegt ist, weshalb es wenig sinnvoll sei, ohne vertiefte Diskussion die ethisch überaus heikle Frage des Umgangs mit Transplantaten bereits einzubeziehen. Widerstandslos passierte hingegen die ebenfalls von der Kommission eingebrachte Bestimmung, wonach es verboten ist, mit menschlichen Transplantaten Handel zu betreiben. Keine Chance hatten ein Minderheitsantrag zum Verbot von Transplantaten, die von gentechnisch veränderten Tieren stammen, sowie die Forderung nach beratenden Fachkommissionen, welche den Vollzug des Bundesbeschlusses mitgestalten sollten [14].
In der Differenzbereinigung übernahm der Ständerat den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spenden diskussionslos, machte aber das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung wieder rückgängig, da dies eine zu restriktive und pauschal geratene Verschärfung bedeute, welche sich kontraproduktiv auf den Spenderwillen der Bevölkerung auswirken und damit möglicherweise sogar dem illegalen Organhandel Vorschub leisten könnte.
Die "Swisstransplant", die nationale Stiftung für Organspende und Transplantation, konnte ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Aus diesem Anlass wies sie darauf hin, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten, die auf lebensrettende Organe warten, ständig wächst, während die Liste der potentiellen Organspender - rund 7% der Bevölkerung mit Spenderausweis - stagniert oder sogar zurückgeht. Dies steht im Gegensatz zur Entwicklung im Ausland, wo die Zahl der Spender laufend zunimmt. "Swisstransplant" koordiniert alle anstehenden Operationen in den Transplantationszentren von Bern, Zürich, Lausanne und Genf und sichert den Kontakt zu den ausländischen Spenderdatenbanken. Zudem wacht die Organisation darüber, dass - ausser für Entnahme- und Transportkosten - nichts für Organspenden bezahlt werden muss und die Spender keine Entschädigung bekommen. Damit soll dem vor allem in der Dritten Welt grassierenden Organhandel entgegengewirkt werden [16].
 
[13] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 887 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 205.13
[14] BBl, 1995, II, S. 985 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 546 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1966 ff.; Presse vom 2.3.95. Als Folge der Fehler und Versäumnisse der 80er Jahre gab sich der Blutspendedienst des SRK neue Strukturen, die einen sichereren Umgang mit Blutprodukten garantieren sollen (Presse vom 20.1.95; NZZ, 12.5.95). Siehe SPJ 1994, S. 207 f.14
[16] BZ, 17.3.95; Presse vom 5.4. und 11.9.95. 1995 wurden nur noch 316 Organtransplantationen vorgenommen gegenüber 381 im Vorjahr. Rund 500 Personen warteten zu Jahresende auf ein lebensrettendes Organ, 39 starben im Berichtsjahr während der Wartefrist (Presse vom 19.1.96).16