Année politique Suisse 1995 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Sozialhilfe
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Opferhilfe
Mit einer Motion wollte Nationalrätin Goll (frap, ZH) den Bundesrat verpflichten, das Opferhilfegesetz (OHG) zu revidieren und die zweijährige Verjährungsfrist für die Einreichung von Gesuchen zwecks Entschädigung und Genugtuung aufzuheben. Sie verwies dabei auf die Erfahrung, dass sexuell ausgebeutete Frauen und Kinder oft Jahre brauchen, bis sie ihr Schweigen brechen können. Der Bundesrat machte geltend, es sei grundsätzlich richtig, dass ein Entschädigungs- oder Genugtuungsgesuch möglichst rasch eingereicht werden solle, da es mit dem Zeitablauf zunehmend schwieriger werde, die massgeblichen Ereignisse festzustellen und zu überprüfen, ob und inwiefern diese den Schaden verursacht haben. Er anerkannte aber, dass es Situationen gibt, in denen Betroffene am rechtzeitigen Handeln gehindert sein könnten, so namentlich in Fällen, in denen eine materielle oder emotionale Abhängigkeit vom Täter oder der Täterin besteht (Kindsverhältnis, Ehe, Arbeitsverhältnis) oder in denen aus der Natur der Straftat starke psychische Hemmungen entstehen, die - wie eben bei sexuellen Handlungen - ein rasches Reagieren oft verunmöglichen. Hier könnte seiner Ansicht nach eine flexiblere Regelung der Verwirkungsfrist angezeigt sein. Es wäre aber auch denkbar, die Frist erst ab dem Zeitpunkt laufen zu lassen, in dem das Abhängigkeitsverhältnis beendet ist, wie dies etwa der Kanton Zürich in seinem Einführungsgesetz zum OHG vorgesehen hat. Da das OHG erst am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, möchte der Bundesrat vorerst mit dem Gesetz Erfahrungen sammeln. Er beantragte deshalb erfolgreich Umwandlung in ein Postulat [49].
Im Herbst eröffnete in Bern das Therapiezentrum des Schweizerischen Roten Kreuzes für internationale Folteropfer seine Tore. Obgleich der Bedarf ausgewiesen ist und die Notwendigkeit sowohl vom Bund wie von Fachkreisen anerkannt wird, kämpft das Zentrum von Beginn an finanziell ums Überleben. Primär von privaten Spenden getragen, erhielt die Institution vom Bund eine Starthilfe von 300 000 Fr. und darf auch 1996 mit einem Zustupf von 150 000 Fr. rechnen. Gegenwärtig beruft sich der Bund für seine nicht eben grosszügige Hilfe noch auch fehlende rechtliche Grundlagen, will diese aber im Rahmen des revidierten Asylgesetzes schaffen. Dies ist umso dringender, als sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der UNO-Konvention gegen Folter verpflichtet hat, den Folteropfern eine Rehabilitation anzubieten. Von den Kantonen beteiligten sich lediglich Bern als Standortkanton sowie die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Neuenburg und Schwyz mit Beträgen zwischen 100 000 Fr. und 10 000 Fr. an den Kosten des Zentrums [50].
 
[49] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 935 f.49
[50] Ww, 5.10.95; TA, 2.12.95; Bund, 2.12.95. Siehe SPJ 1994, S. 214.50